Metalfest Open Air 2010 - Dessau
02.06.2010 | 09:5013.05.2010, Flughafen
Bei all dem Nackenschmerzen und Gänsehaut erzeugenden Metal bleibt nur eins zu sagen: "Always Hail Satan" (Zitat von URGEHAL).
Am nächsten Morgen hilft nur eine warme Dusche, um wieder fit zu werden. Pünktlich 12 Uhr mittags haben sich auch bereits einige Metalheads vor der Hauptbühne versammelt, um dem melodischen, düsteren und kraftvollen Gesang von LEGIO MORTIS-Sänger Marco zu lauschen. Die Band spielt eine Mischung aus Black und Death Metal. Mit Songs wie 'Time To Suffer' oder 'Through The Eyes Of Death' von ihrem aktuellen Album "Theatre Of Morbid Vision" versuchen sie das noch müde Publikum zum Headbangen zu animinieren. Für ein wenig Erheiterung sorgt da schon eher die rockige Coverversion vom ATC-Lied 'Around The World', wozu einige vor der Bühne wunderbar Polonaise tanzen können.
Mit "Fucking Death Metal" geht es nach einer kleinen Umbaupause auch weiter. Die polnische Band TRAUMA schlägt härtere Töne an, zu denen es dumpfes Gegrowle gibt und spielt unter anderem 'Decayed By False'. An sich gute Musik, um die Mähne zu schütteln, doch die wenigen Besucher sind noch recht verhalten. Aber um diese Uhrzeit helfen auch nicht die ständigen SLAYER-Rufe von Sänger Artur. Mäßiger Applaus am Ende, doch ein Hardcorefan der Band schreit nach einer Zugabe, die es nicht geben sollte.
[Franziska Böhl]
Gegen 13:30 Uhr stehen NEGATOR auf dem Programm und beehren die Mainstage mit ihrem Schwarzmetall. Wenige Gäste lassen sich zu dieser Stunde vor die Bühne locken. Pünktlich startet die Band mit sattem Sound und schleudert dem spärlichen Publikum Blastbeat-Attacken entgegen. Dazu krächzt Sänger Nachtgarm gekonnt die Titel ins Mikrofon. Nach fünf Jahren ohne neue Werke ist dieses Jahr endlich "Panzer Metal" erschienen. Aus diesem Grund müssen in der kurzen Spielzeit die altbekannten Stücke von 'Old Black' und 'Die Eisernen Verse' ein wenig zurückstecken. Mit knappen, gekrächzten Ansagen geht es von Song zu Song. Trotz der spärlichen Beachtung behaupten sich die Musiker gut.
[Stefan Brätsch]
Ein absoluter Hingucker sind die Jungs von ENFORCER. Die Thrash- und Speed-Metaller aus Schweden fallen allein schon durch ihr sexy Outfit auf: Leggins, die die noch knackigen Pos präsentieren, toupierte Haare und natürlich Turnschuhe. "Making love, being drunk!", sagt Sänger Olof. Bei den schnellen Takten zu Songs wie 'Diamonds' vom neuen Album gehen die Fans gut mit. Einige aus dem Publikum zeigen auch wahre Fantreue und tragen sogar pinkfarbene Leggins. Optisch kann die Band heute sicher keiner mehr toppen.
Franziska Böhl]
"Меня зовут Maria – und ich mische jetzt das Metalfest auf." Gut, diese Worte hat Maria ("Mascha") 'Scream' Archipowa nicht benutzt, aber mehr kann der ehemalige Russisch-Schüler nicht mehr. Schon beim vergangenen Pagan Fest wurden die Russen von ARKONA als wahre Gewinner der Tour gehandelt und auch heute legen sie einen furiosen Auftritt aufs Parkett. Maria und ihre Tanzbären legen die Stimmungslatte sehr weit nach oben und laden die Fans zum Tanzen ein. Die lassen sich das nicht zweimal sagen und holen den Schuhplattler aus der Tasche!
[Enrico Ahlig]
Rasant und schnell geht es dann mit den Thrash-Metallern aus Griechenland weiter: SUICIDAL ANGELS, die bereits als DIE Nachwuchsband aus dem Thrash-Metal-Bereich gelobt wird, kann die Fans nicht nur wunderbar mit "Hey"-Rufen animieren, sondern auch mit tollen Songs wie 'The Pestilence Of Saints', 'Bloodthirsty', 'Beyond The Laws Of Church' oder '… Lies'. Immer wieder bilden dabei die Jungs eine schöne Front, heben teilweise gleichzeitig ihre Gitarren in die Höhe und lassen mit ihrer Musik die Mähnen vor der Bühne kreisen. Kurz vor Ende gibt es noch eine Ansage: "Ihr seid krank und ihr wisst das. – Deshalb mögen wir euch auch", so Sänger Nick Melissourgos.
[Franziska Böhl]
Nach den deftigen Griechen gibt es mit LEAVES EYES biedere Symphonic-Hausmannskost. Zunächst streikt der Sounds komplett, weswegen Alex Krull und seine Frau Liv Kristine (samt Team) einen fetten Fehlstart hinlegen. Da stimmt zunächst gar nix, weswegen auch das Publikum eher in Schockstarre statt in den Partymodus verfällt. Zum Glück bessert sich sowohl der Sound als auch die Performance, sodass Songs wie 'Emerald Island' oder 'Elegy' doch noch zu wohlverdienten Applaus-Ehren kommen.
Dennoch zeigen im Anschluss die Jungs von SALTATIO MORTIS, wie es besser geht. Zwar sind die Mittelalterrocker eher seltene Gäste bei Metalfestivals, aber weniger ist oftmals mehr. So muss man sich schon verwundert die Augen wischen, wie groß der Andrang bei Alea und seinem Gefolge ist. Dieser zeigt seine hübschen Karatekicks und trällert Songs wie 'Prometheus' oder 'Uns gehört die Welt' locker leicht in die Runde. Diese nimmt die Buben prächtig auf, sodass Alea es sich nicht nehmen lässt, ein munteres Bad in der Menge zu nehmen. Die Überraschung des Nachmittags!
[Enrico Ahlig]
Kurz vor 19:30 Uhr betreten NEVERMORE aus Seattle die Bühne. Die Jungs eröffnen mit dem "Dreaming Neon Black"-Intro 'Ophidian', gefolgt von 'Beyond Within'. Unglücklicherweise gibt es den ganzen Abend über häufiger Probleme mit der Technik, so dass durch die schwankende Tonqualität nicht immer Danes Stimme, die in Topform zu sein scheint, zu hören ist. Bei 'The Riverdragon Has Come' kann Warrel endlich zeigen, wie gut er singen kann, und nun wird auch das Publikum mitgerissen. Es folgt eine Weltpremiere: 'Your Poison Throne' vom neuen Album "The Obsidian Conspiracy", das am 28. Mai in Europa erscheint, wird gespielt. Der rhythmuslastige Song animiert besonders mit der oft wiederholten Passage "Rise! Rise!" zum Mitsingen und gewinnt stets an Charme. Auch Altbekanntes, wie 'Born' mit seinem hartem Drumming und den schnellen Gitarren wird gespielt. "Nevermore"-Rufe zeigen deutlich, dass es der Menge trotz der Tonprobleme gefällt.
Mit 'Enemies of Reality' wird der Titeltrack des vorletzten Albums angestimmt. Warrel fordert einen Pit, dessen Wunsch die Gäste erfüllen. Die Menschenmenge ist ein Inferno aus wehenden Haaren! Warrel Dane scheint begeistert zu sein und kreist über die Bühne. Vor dem letzten Chorus zeigt er Jim Sheppard, wie man richtig bangt, und vollendet das Lied mit seiner grandiosen Stimme. Es folgt der Opener der neuen Scheibe, 'The Termination Proclamation', mit einem mitreißenden Chorus. In einer knappen Bemerkung stellt Dane endlich den zweiten Gitarristen auf der Bühne als "Attila" vor. Attila Voros hat bereits auf "Praises To The War Machine" mitgewirkt und wurde nun als Tourgitarrist berufen. Den Abschluss bildet 'The Obsidian Conspiracy'. Der Titeltrack des neuen Albums hat die gleichen Stärken wie 'The Termination Proclamation', ist dabei aber deutlich verspielter. Passend mit 'These are my last words' verlassen NEVERMORE nach einem starken Gig die Bühne.
[Stefan Brätsch]
Währenddessen lohnt es sich, auch langsam einen Blick in den mittlerweile sehr gut gefüllten Hangar zu werfen: Ruhig und melodisch beginnen die griechischen Black-Metaller von ROTTING CHRIST. Dazu gibt es ein tolles, rotes Lichtspiel, passend zum Track 'Fire, Death And Fear'. Ausdrucksstark vertont Sänger Sakis Tolis mit viel Mimik und Gestik weitere Songs wie 'The Sign Of Evil Existence' oder 'Non Serviam'. Das Publikum geht gut mit zu den teilweise recht harten und schnellen Gitarrenrhythmen. Die Animationsversuche des Sängers sind da gar nicht nötig. Kurz vor Ende gibt es dann noch 'In Domine Sathana', also schönes Geschrammel, um noch mal die Mähne zu lüften. Ingesamt geht der Auftritt aber doch viel zu schnell vorbei.
[Franziska Böhl]
Mittlerweile hat sich draußen der Himmel verdunkelt – Zeit, den Alkohol aus dem Schrank zu holen. Die trinksüchtigen Finnen von KORPIKLAANI lassen die Bühne erzittern. Mit Mitgröl-Klassikern Marke 'Vodka', 'Beer Beer' oder 'Happy Little Boozer' gewinnen sie zwar keine Kritikerpreise, lassen die Luzi aber ordentlich im Kreis drehen. Die Band hat sichtlich Spaß an diesem Auftritt (was sicherlich auch am erhöhten Alkohol-Angebot der Metal Hammer-Autogrammstunde gelegen haben dürfte), sodass die 50 Minuten wie im Flug vergehen. Mission erfüllt – alle besoffen!
[Enrico Ahlig]
Im Hangar gibt es währenddessen TYR. Dank der Umbaupause konnte man wieder ganz nach vorne gelangen, um sich die Jungs aus nächster Nähe anzusehen. Die Folk Metal-Band von den Färöer-Inseln punktet mit epischen, folklastigen Songs wie 'Northern Gate' und melodischem Gesang, zu denen es gerne auch mal schnelle Drums mit einem schnellen Lichterwechsel gibt. Die beiden Sänger tragen dabei an den Seiten Trinkhörner, passend dazu gibt es nach fast jedem Song ein "Skol" zu hören. Selbstverständlich darf 'Hail To The Hammer' nicht fehlen, darauf schienen zumindest viele Fans im Publikum zu warten. Genau das richtige für die Wotan-Jünger.
[Franziska Böhl]
Zurück zur Mainstage: KORPIKLAANI haben wenige Gäste für LEGION OF THE DAMNED übrig gelassen. Nach dem Tour-Intro zu "Cult Of The Dead" is die Bühne in rotes Licht getaucht und mit Pyro-Effekten wird die Show mit 'Legion of the Damned' eröffnet. Die Show verspricht schon jetzt, energiereich zu werden. Weiter geht es mit 'Malevolent Rapture', bei dem die Menschenmasse stark in Bewegung kommt und durch die Wärme der Pyros wird auch die letzte Kälte verbannt. Der Ton ist immer noch sehr rau, aber das Lied ist gut bekannt und was die Ohren nicht wahrnehmen, füllt der Kopf einfach aus der Erinnerung auf. Ähnlich gut bekannt ist auch 'Into The Eye Of The Storm', das vom lauten Schreien und Klatschen des Publikums begleitet wird.
Die Crowdsurfer mehren sich. Die Neckbreaker von LEGION OF THE DAMNED sind ein echtes Fest. Mit Orgeltönen wird der Titeltrack des aktuellen Studioalbums angekündigt. 'Cult Of The Dead' ballert mit brachialen Trommeln über das Publikum. Reichlich Nebel und kaltes, blaues Licht sorgen für Grabesstimmung auf der Bühne. Maurice versucht, das Publikum in den Chorus mit einzubringen, dies gelingt aber nur in den vordersten Reihen. Beim nächsten Versuch sind auch die hinteren Reihen stimmgewaltig zu hören.
Die Besucher sind begeistert und Maurice scheint überwältigt zu sein. Er kündigt 'Demonfist' an. Lange wurde der Song nicht live gespielt, doch die Exhumierung des Neckbreakers wird vom Publikum mit Moshpits gefeiert. Die Stimmung steigert sich von Lied zu Lied. Die Band findet großen Zuspruch, besonders als gefragt wird, ob mehr Titel der ersten Scheibe gewünscht werden: Es folgen 'Deaths Head March' und 'Taste of the Whip'. Der Exkurs wird nur noch durch 'Pray And Suffer' und 'Son Of The Jackal' unterbrochen. Mit Ausnahme von 'Scourging The Crowned King' wurde jedes Stück vom Debütalbum gespielt. Selten hat man die Gelegenheit, einen solchen Klassiker fast komplett zu feiern. Mit einem Knall und weiteren Pyro-Effekten verabschieden sich LEGION OF THE DAMNED. Mit Nackenschmerzen ziehen die Festivalgäste zu ihren Zelten, um sich mit Fleisch und Bier zu stärken.
[Stefan Brätsch]
Kurz bevor BOLT THROWER die Hauptbühne in Schutt und Asche legen, beehren uns die Österreicher von DORNENREICH mit einem leckeren Auftritt im Hangar. Heute verzichtet Jochen auf die akustische Einführung und legt sofort mit schwermetallischer Kost los. Das kommt beim Publikum auch viel besser an, selbst wenn der Sound aufgrund des fehlenden Basses sehr dünn aus den Boxen kommt. Doch bei Songs wie 'Schwarz schaut tiefsten Lichterglanz' oder 'Wer hat Angst vor Einsamkeit?' sieht man selbst über dieses Manko hinweg.
[Enrico Ahlig]
Den Höhepunkt des Abends bildet die Death-Metal-Legende BOLT THROWER. Ein klassisches Intro mit Streichern und Bläsern erklingt aus den Boxen und die Band findet sich auf der Bühne ein. Zu dieser späten Stunde haben sich leider nicht so viele Gäste auf dem Platz eingefunden, wie es den Künstlern gebühren würde. Mit '4th Crusade', einem Gänsehaut erzeugenden Klassiker, startet die Show. Durch technische Probleme sind mal wieder keine Vocals zu hören. Der Laune des Publikums tut dies jedoch keinen Abbruch. Überall fliegen die Haare. Bei 'Rebirth Of Humanity' ist der Sound nun astrein und man kann sich seinen Nackenmuskeln nur schwer erwehren.
Karl feuert die Menge an und bis hin zum FoH hebt die Menge die Hände. Nach einer knappen Begrüßung seitens der Band geht es auch knallhart mit 'At First Light' weiter. Die filigrane Melodie und das reißende Drumming des Songs wirken noch belebender. Die Stimmung ist am Kochen, gruppenweise bilden sich Moshpits. Passend zur Stimmung folgt ein wahrer Klassiker: 'World Eater'. Das lange Intro des Liedes heizt die Leute nur noch mehr an; selbst der verschlafenste Metaller auf dem Platz lässt nun die Haare kreisen. Die Moshpits zeigen deutlich, dass in jedem BOLT THROWER-Fan ein Sohn Angrons steckt. 'World Eater' ist wahre Schlachtmusik und eines World Eaters würdig! Behäbiger ist 'Anti Tank', aber nicht weniger bombastisch. Die durchgängige Doublebass sorgt für Nackenschmerzen, bis das Solo einen endgültig den Verstand verlieren lässt.
Solche Konzerte hat man leider nicht jeden Tag. 24 Jahre auf der Bühne machen sich bemerkbar. Wenige Worte reichen, um sich mit dem Publikum zu verständigen. Nach einem knappen "You ok out there?" rollt 'Salvo' durch die Gehörgänge. Die nächste Ansage teilt sich Karl mit dem Publikum. 'No Guts, No Glory' kennt wahrscheinlich jeder, so dass der Chorus geteilt oder ganz den Zuhörern überlassen wird. Es geht ruhiger mit 'The Killchain' weiter. Obwohl das Lied recht gemütlich ist, ist die gesamte Masse vor der Bühne in Bewegung. 'Killchain' ist einfach mächtig! Dagegen ist 'Powder Burns' fast herzergreifend. Die hypnotische Melodie des Liedes ergreift nahezu jeden und lässt kaum einen getrieben vom Rhythmus still stehen. Zehn Minuten zu früh verlässt die Band die Bühne, um eine Zugabe anzutäuschen. Bei einer so knappen Spielzeit könnte man ruhig mal auf diese Rituale verzichten. Nach kurzem Jubel erbarmen sich die Kriegsgötter aus England und Stimmen als letzten Song 'Mercenary' an. Mit "For Victory!"-Rufen zieht die Menschenmasse danach zum Zeltplatz. Dieser Auftritt scheint bei vielen einen starken Eindruck hinterlassen zu haben.
[Stefan Brätsch]
- Redakteur:
- Franziska Böhl