Motörhead/Sepultura - Düsseldorf

09.01.2005 | 07:01

07.12.2004, Phillipshalle

Für all die Leute, die arme Menschen mit den Pressetickets am Handgelenk argwöhnisch betrachten und sofort die Ungerechtigkeit der Welt heraufbeschwören sei hier nun der Gegenbeweis erbracht: Pressevertreter müssen sich bei der Anreise schon mit gnadenlosen Bahnangestellten rumschlagen, die das Presseticket gleich mal mit 40 Euro besteuern, dann planlose Gestalten an der Konzerthalle, die beim Begriff "Gästeliste" ein Gesicht machen, als würde man sie nach der Zeitkrümmung fragen. Dazu kommen noch die Irren an den Wellenbrechern, die das nach langer Schlacht endlich ergatterte Pressebändchen für nen Organspenderausweis halten.
Vorraussetzungen für einen perfekten Abend also.

Doch an jenem Abend konnte mir nichts die Laune vermiesen: die geilste Band der Welt würde mit einer der berühmtesten Bands der Welt den Kölner Vorort Düsseldorf in Schutt und Asche legen.

SEPULTURA standen auf den Plan, und damit der Vorverkauf nicht umgerannt wurde, hatte man das Konzert mit MOTÖRHEAD als Headliner getarnt.
Die anfänglichen Querelen mit Bahn und dem Personal der Phillipshalle hatte ich nach Betreten der schnell vergessen. Sofort fielen die Kräne auf, die immer wieder durch die Halle wanderten und verschiedene Kameras bewegten, das Konzert sollte wohl für eine DVD mitgefilmt werden. Die Größe der Halle und die durch die Kameras notwendig gewordenen Wellenbrecher im Zuschauerraum sollten sich später noch als extrem störend erweisen.

Fast um Punkt acht Uhr verdunkelte sich dann endlich die Halle, und SEPULTURA kündigten sich mit einer chronologischen Auflistung aller Alben-Intros ihrer Laufbahn an. Als die Schatten von Andreas Kisser und Paulo Jr. Zu erkennen waren, konzentrierte die Menge zum ersten Mal ihre Stimmgewalt, und mit 'Troops Of Doom' wurde dann auch 55 Minuten feinstes brasilianisches Gebolze eingeleitet. Nachdem die anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Soundmischer durch Derriks grellweiße Morse-Augen weggeblinzelt wurden, brachte man direkt mit 'Territory', 'Inner Self' und 'Nation' den ersten Moshpit zustande, der sich bedingt durch den nervenden Wellenbrecher stark in Grenzen hielt. Die Setlist ließ keine Wünsche offen, Klassiker wie 'Escape To The Void', 'Arise' und 'Dead Embryonic Cells' gesellten sich nahtlos an neuere Songs wie 'Mindwar', 'Against' und 'Come Back Alive', wobei der ältere Stoff natürlich wie immer mehr Begeisterung erweckte. An der Band hat sich nix geändert, Andreas und Paulo turnten über die Bühne, die Matten wirbelten standesgemäß durch die Gegend, Derrik verstand sich bestens mit dem Publikum, und Igor ballerte sich erdbebengleich durch das Set. Einziges Manko an der Show war die Tatsache, dass die Lichteffekte allesamt sehr sparsam gehalten wurden, und die Bühne so dauernd im Halbdunkel lag, was meine Kamera vor nicht zu bewältigende Aufgaben stellte.
Ansonsten stellte die Energie und das Herzblut, mit dem mehr als 20 Jahre SEPULTURA vorgetragen wurden, mal wieder klar, wer diese Band ist. Die Tatsache, dass man als letzten Song dann doch wieder das MUSS-Stück 'Roots Bloody Roots' brachte, zeigte dann doch wieder den unseligen Konflikt mit dem die Band seit acht Jahren hadert, tat aber keinen Abbruch an der Stimmung im Publikum.

Gut vierzig Minuten Umbauzeit nach der brasilianischen Knüppelshow wurde es wieder dunkel, und Lemmy Kilmister betrat unter großem Getöse die Bühne. Hinter hin und herflitzenden Kameras trat die Band natürlich sofort aufs Gaspedal. Selbst den bisher in Sachen MOTÖRHEAD unbeschrieben Pressefritzen schlug das dargebotene in den Bann. Eine brillante Mischung aus Bastard-Rock und klassischem Rock’n’Roll-Gepolter, dazu die röhrende Stimme des unverwechselbaren Frontmanns. Stimmung pur machte sich auf der Bühne breit, ob durch die Anwesenheit der Kameras und der dadurch verbundenen Verkaufserwartungen an die kommende DVD oder nicht, sie war fast greifbar. Immer wieder mit knalligen Ansagen ausgestattet („This is the song which is officially known as our worst one!“ ... “Well, it seems that this song got better since the years, like cheese, yeah?”) donnerten die Songs durch das Publikum ohne halt zu machen, und ließen eigentlich quer durch die Halle die Menschen durcheinanderfegen. Die Show wurde von der Band locker aber professionell durchgezockt, Mr. Campbell rockte mit einer erstaunlichen Gelassenheit durch sein Set, ohne dass seine Mucke auch nur einen Deut Energie verlor, und Mickey Dee donnerte sein "Sacrifice"-Drumsolo ohne Atempause durch. Die Stimmung in der Phillipshalle war gigantisch. Beinahe jeder Ton den Phil durch die Saiten seiner Gitarre zog löste wahre Begeisterungsstürme aus, und das von Lemmy gesprochene Wort sorgte in der Halle für ein frenetisches Echo.
Mit dem Song 'R.A.M.O.N.E.S.' wurde den verstorbenen Dee Dee, Johnny und Joey Ramone Tribut gezollt, so wie SEPULTURA den Song 'Going To Brazil' gewidmet bekamen.
Gen Ende der Show wurde es beinahe familiär („Well, you know how the game runs: we leave the stage, you are shouting for more and so on… well, we hope that you do!“). Mit dem letzten Anlauf auf die Kraftreserven des Publikums durch die Songs 'Iron Fist' und 'Killed By Death', und dem darauffolgenden Akustikset 'Whorehouse Blues' war der Abend für die meisten Fans perfekt.
Mit 'Ace Of Spades' und dem Ausputzer 'Overkill' wurde das Publikum nach berauschenden 80 Minuten nach Hause geschickt.
Glücklich, geschafft und mit klingelnden Ohren…

Redakteur:
Michael Kulueke

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