Munich Metal Mayhem - München

28.07.2008 | 16:29

25.07.2008, Feierwerk, Hansa 39

Munich Metal Mayhem – was für ein Name. Dann: sechs Bands, drei aus München, drei "Zugr'oaste". Von Dark/Gothic Metal bis Schlag-mich-tot-Core alles dabei. Wenn das mal nicht nach einem zumindest spannenden Abend klingt.

Stattfinden soll das Ganze im Münchner Feierwerk, genauer: Hansa 39. Die Halle ist relativ groß, was schon von Selbstbewusstsein seitens des Veranstalters zeugt – immerhin ist München nicht dafür bekannt, jedes Klein-Konzert mit Hunderten von Anwesenden zu beehren. Und leider wird die Halle im Laufe des Abends auch nie richtig voll, was bei der einen oder anderen Band – neben dem beschissenen Sound, aber davon später mehr – zu mehr oder weniger verkorksten Sets führt.

Davon ist bei COCOON, der ersten Band des Abends, allerdings noch nichts zu merken. Das sympathische Quartett aus Rheinland-Pfalz ballert uns seinen netten Mix aus härterem Metal und Core um die Ohren, erfrischend aktiv und zum Teil ordentlich groovend. Was besonders gefällt, ist, dass die Jungs immer wieder ihre Wurzeln, sei es Punk oder härterer Metal, durchscheinen lassen und somit als durchaus unkonventionell zu bezeichnen sind. Jan am Mikro lässt es sich auch nicht nehmen, das vielleicht dreißigköpfige, scheue Publikum durch Aktion vor der Bühne zum Mitgehen zu animieren. Da lässt es sich auch gut verschmerzen, dass der junge Fronter in den cleanen Parts nicht immer tonsicher ist. Das Publikum bleibt jedoch erstaunlich resistent und hält den Sicherheitsabstand zur Bühne konsequent ein. Schade, denn COCOON spielen sich sprichwörtlich um Kopf und Kragen. Gerade Le G. am Bass ist derart aktiv, sozusagen die Axt im Walde, dass ich geneigt bin, sein Bassspiel neuerdings als Extremsport zu bezeichnen. Neben gelungen eingesetzten Melodic-Death-Elementen will ich noch den stimmig abwechselnden Shout-Gesang von Basser und Sänger hervorheben.

COCOON bringen im Laufe der nächsten Woche (also irgendwann um den 30. Juli) eine neue Scheibe raus, die man sich – so man auf diesen Sound steht – getrost mal anhören kann. Einfach hier gucken: http://www.cocoon-band.de/ .

Setlist:
This Way Out ...
Choose Life
My Daily Holocaust
Remember The Letters
Home
Neopagan
Deadly Mistake
35/14
I Become Myself
Unleash Tomorrow

Nach einer kurzen Umbaupause entern die Münchner von TASTE BITTER ASHES die Bühne. Ich hab die Jungs noch nicht live gesehen und war dementsprechend gespannt. Der erste Eindruck: Hui, technisch sind die Jungs aber fit – und tight. Doch nach den ersten Songs stellt sich bei mir die erste Ernüchterung ein. Zum einen ist der Sound im Hansa für das zum Teil recht komplexe Songwriting der Jungs viel zu undifferenziert. Die gekonnt gespielten zweistimmigen Gitarren gehen zum Teil ebenso unter wie Soli und Bass, auf dessen Existenz nur der Typ mit dem Tieftöner in der Hand hinweist. Musikalisch lassen sich TASTE BITTER ASHES am ehesten als Mischung aus METALLICA und IRON MAIDEN bezeichnen. Gesanglich erinnern sie zum Teil sogar - jetzt kommt's - an VENOM. Na ja, Punk ist auch noch dabei, ebenso wie Deathcore und Doom. Verwirrend? Genau. Aber das ist das Problem der Jungs. Irgendwie fehlt eine klare Entscheidung für den Sound, den man eigentlich spielen will. Und so bleibt zumindest bei mir Ratlosigkeit zurück, vermischt mit dem Gefühl, das alles schon mal gehört zu haben. Dem anwesenden Publikum gefällt's aber. Ein paar mehr Leute als am Anfang sind es, es zeigen sich erste Ansätze von Mitklatschen, und wir amüsieren uns einfach über die spontan erfundene neue Musikbezeichnung für TASTE BITTER ASHES, die zum Teil aus dem Aussehen des Sängers und zum Teil aus dem Sound der Jungs resultiert: Extreme College Metal.

Setlist:
Don't Forget To Die
Beautiful Life
Brew Song
Final Curtain
Six Feet
One-Eyed King
----
Unforgiving As The Sea
Never Leave

Nach einer kurzen Reha-Phase mit Biernachladen kommt die nächste auswärtige Band zum Zug: SEELENKAMMER. Die Band existiert seit dem Jahr 2005 und besucht uns mit ihrem Album "Kammerspiele", welches 2007 veröffentlicht wurde. Sie selbst, im übrigen Wiener, bezeichnen ihre Musik als eine Mischung aus Emo, Metal und Progressive – ich würde "Emo" jetzt einfach mal ganz frech hinterfragen und eher den sympathischeren Begriff "Gothic" hinzufügen.

Doch leider steht an diesem Abend weniger die musikalische Ausrichtung der Band im Fokus der Betrachtung als vielmehr der beschissene Sound im Hansa, der zum ersten Mal mit aller Kraft zuschlägt. So ist die Gitarre des Sängers Maximilian Ebert und damit die zweite Melodie-Spur einfach nicht zu hören. Das macht jeden Ansatz progressiver Songstrukturen definitiv zunichte. Ebenso zunichte macht der undifferenzierte Sound jegliche Atmosphäre, welche SEELENKAMMER zumindest auf Scheibe (Rezension folgt!) definitiv hinbekommen – und welche die Musik der Band in großen Teilen ausmacht. Doch irgendwie kommen auch rockigere Songs wie 'Hass, purer Hass' nicht an, die anwesenden Lockenwickler tragenden Personen amüsieren sich anderweitig. Nicht ganz schuldlos daran mag der mangelnde Einsatz des Fronters sein, welcher in bester Rob-Halford-Manier den Bühnenboden vor sich ansingt, ohne das Publikum auch nur ein Stück an sich heranzulassen. Da hilft es auch nicht, dass sich Andrea Zsifkovits an den Drums – ja, richtig gelesen, eine Frau, und was für eine – den Arsch abspielt und Stefan Größbacher an der Gitarre trotz schlechten Sounds sein Bestes gibt. Allerdings ist ebenso klar, dass nicht jeder Auftritt großartig sein kann. Deswegen freue ich mich auf das nächste Konzert der Band und hoffe einfach, dass sie sich von der negativen Erfahrung im Hansa 39 nicht von weiteren Besuchen in Deutschland abhalten lassen.

Setlist:
Entfremdet
Teufelstanz
Mein
Hass, purer Hass
Tränensplitter
Weißes Kleid
Blutrausch

Ganz anders geht es bei den Rosenheimer Dark-Metal-Granaten von SULPHOR ab, auf die ich mich neben LILITH heute Abend am meisten gefreut habe. Und siehe da, die Leute können doch feiern. Denn mit den ersten Tönen des mit Thrash und Heavy Metal angereicherten Dunkelheimer-Sounds der SULPHORianer ist vor der Bühne plötzlich was los; zumindest ein paar, einschließlich des Schreiberlings hier, lassen ihre Matte in kreisen – direkt proportional zur Haarlänge der Delinquenten. Nicht unschuldig daran ist mit Sicherheit auch die Bewegung auf der Bühne: Endlich wird mal wieder gepost, gerannt, geschreddert, geguckt, getanzt, gebangt, gemosht, getötet und gegrunzt. Allen voran streckt Wuzl mit seinem göttliche Posing, das zumindest mir die Schamesröte vor unschuldiger Freude ins Gesicht zaubert, dem gefühlt immer schlechter werdenden Sound im Hansa – sagt mal, wurden dem unfähigen Mischer eigentlich verdientermaßen die Hände abgehackt? - den schwarzen, entblößten Podex entgegen und lässt sich nicht mal von seinen wunderbar gespielten, aber leider unhörbaren Soli abschrecken. Und so bieten SULPHOR einen guten Überblick über ihre jüngst veröffentlichte Scheibe "I", überrollen uns mit 'Mein Ich' ("Lass es raus – du hast die Macht!" - sehr geil), rammen uns mit 'Pfad der Erlösung' ungespitzt in den Boden und beweisen, dass man auch mit atmosphärischen Parts gewinnen kann.

Ein weiteres Highlight ist das wunderbar eingeleitete 'Machtgefühl': mächtiges Intro featuring energisches Doublebass-Geprügel. Es ist einfach schön anzusehen, wenn jeder in der Band sein Bestes gibt, einen super Job abliefert und die unbändige Spielfreude direkt ans Publikum weitergegeben wird. Spätestens mit dem grandios gespielten SISTERS OF MERCY-Cover 'Temple Of Love' bleibt zumindest bei mir kein Auge mehr trocken und die Devise heißt: feiern!

Setlist:
Aura
Pfad der Erlösung
Waiting For
Schuld
Deine Augen
Liebeskrieg
Roswell 1947 (HYPOCRISY-Cover)
Mein Ich
Machtgefühl
Stummer Schrei
Temple Of Love (SISTERS OF MERCY-Cover)

Gebt mir ein L, gebt mir ein I, gebt mir ein L ... "LILITH". Mann, auf LILITH war ich echt gespannt. Zum einen spielen die jungen Peripherie-Münchner grundsoliden Metal, zum anderen haben sie mit Jens einen super und superungewöhnlichen Sänger. Der sympathische Fronter liefert nicht nur perfekte Shouts und Growls, sondern bereichert den Sound der Urmutter mit seiner wunderbaren Bassstimme. Diese cleanen Parts schaffen eine besondere, dunkle und erhabene Epik, ganz ohne Keyboardteppich oder hundertköpfigen MANOWAR-Chor. Zu hören gibt es das auf dem jüngst veröffentlichten Demo der Band (http://www.myspace.com/lilithrockshard ).

So viel zur Theorie, nun zur Praxis: ein Publikum, das nach SULPHOR erst mal Kraft tanken muss und den ach so beliebten Sicherheitsabstand einnimmt; ein beschissen abgemischter Sound vor und ein unhaltbarer Monitorsound auf der Bühne; eine anfangs relativ nervöse junge Combo mit wenig Bühnenerfahrung. Diese Kombination macht den Gig von LILITH zu einem verkorksten Ding, das das Publikum nicht mitreißen kann und die Band von Song zu Song immer stärker demotiviert. Schade. Selbst Frontschwein Jens lässt sich von der schlechten Stimmung anstecken. Dass dann auch die Instrumentalfraktion eher introvertiert auftritt, resultiert mit Sicherheit aus der Unerfahrenheit der Jungs, hat aber eigentlich überhaupt keine Grundlage. Bei dem Sound, den die Jungs auf Platte abfahren, wäre mehr Selbstbewusstsein absolut keine Hybris, sondern vielmehr berechtigt. Mit einem Schuss mehr Bühnenpräsenz und Publikumsnähe steht einer goldenen Zukunft nichts mehr im Weg. So haken wir den Gig als verkorkste Sache ab, ein Stolperstein auf dem Weg zum Erfolg. Nicht zurück, darüber hinweggehen und neue Kraft schöpfen! Wer mir nicht glaubt, soll einfach mal den fast bluesigen Stampfer 'To Throne Above Us All' anhören und sich von der Qualität der Jungs überzeugen lassen.

Setlist:
To Throne Above Us All
My Demise
In Blood
I Am Annihilation
Dreamdead
Wintersouls

Nach LILITH stehen noch die jungen Screamo-Kids von BURN THE BRIDE ON SUNDAY auf dem Plan - mit der undankbaren Aufgabe, das nahezu leere Hansa zum Schluss zu beschallen. Ich kann mit dem Sound der Jungs überhaupt nix anfangen, einzig die DEPECHE MODE-Anleihen, die ich beim Durchqueren der Halle zur Bierausgabe mitbekomme, klingen ganz witzig – ansonsten aber absolut unspektakulär.

Und so klingt der Abend bei netten Gesprächen vor der Halle aus. Munich Metal Mayhem - eine grundsätzlich nette Veranstaltung. SULPHOR haben mich neben den auswärtigen COCOONs am meisten überzeugt. Hätte uns der Mixer sein ganz persönliches Mayhem an den Reglern erspart, wären wahrscheinlich auch TASTE BITTER ASHES, SEELENKAMMER und vor allem LILITH stärker gewesen und besser an- und rübergekommen. An dieser Stelle noch ein kurzes Kompliment an den Veranstalter für die Zusammenstellung der verschiedenen Stile. Für den Preis von sieben Euronen eine gelungene und nahezu runde Sache.

Redakteur:
Julian Rohrer

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