Mustasch - Frankfurt

20.09.2008 | 14:56

15.09.2008, Nachtleben

Der heutige Abend ist ganz traditionell skandinavisch gehalten. Dies fängt schon beim Abendessen vor dem Konzert an, bei dem Fächerkartoffeln mit Käse überbacken und als Dessert gebackene Äpfel mit Rosinenfüllung und Vanilleeis serviert werden. Nach diesem opulenten Mahl gestärkt finde ich mich gegen halb neun im "Nachtleben" ein, um festzustellen, dass der Opener erst um 21 Uhr die Bretter besteigt.

Vorher vernehme ich komische Geräusche aus dem Backstagebereich. Weiß der Teufel, was die Jungs vor dem Gig anstellen, um ihren Stimmungspegel nach oben zu treiben. Fakt ist, dass SUPERCHARGER um Punkt 21 Uhr auf die Bühne latschen und der Sänger mit einem amtlichen "Let's fuck it up!" den Startschuss für den Gig gibt. Zwar kann man die Zuschauerzahl zu Beginn mit zwei Händen zusammenaddieren, doch nach und nach füllen sich die Reihen. Die rockige Mischung aus PSYCHOPUNCH und MOTÖRHEAD tut sein Übriges, um die MUSTASCH-Jünger zum Mitwippen zu animieren. Als Beispiel sei hierfür 'If You Wanna Rock' genannt, welches wie AC/DC auf 45 Umdrehungen pro Minute aus den Boxen dröhnt.

Ein Fan hat dabei ganz große Spendierhosen an, gibt er den Jungs doch eine Runde Wodka aus, welche dem Sänger mitten im Song fast die Stimme abschnürt. Mit den Worten "May you die!" wird das glasklare Gesöff dem Gitarristen vor die Nase gehalten, welcher das Gläschen ohne Murren und Knurren in sich reinspült. Das Stageacting des Quintetts hält sich in Grenzen, jedoch versprühen die Jungs rohe Rock-'n'-Roll-Power. Zwar wirken die Luftküsse des Sängers in den Songpausen aufgesetzt, Höflichkeitsapplaus hört sich dennoch anders an. Nach kurzweiligen dreißig Minuten vertschüssen sich die Jungs in den wohlverdienten Feierabend.

Setlist:

Hold On Buddy
Some Sugar
Dog Town
If You Wanna Rock
Gotta Get
Gimmi More
Hell Motel

Knappe zwanzig Minuten später ertönt der Eurovision-Song vom Band, und MUSTASCH erklimmen die Bühne. Frontmann Ralf Gyllenhammar hat vor dem Gig scheinbar einen Clown verspeist, denn der charismatische Frontmann glänzt mit lustigen Ansagen auf Deutsch und lockert die Songpausen fast schon Mikael-Åkerfeldt-like mit Sprüchen und Schenkelklopfern auf. Mit seiner ersten Feststellung "Frankurt – ein schönes Dorf!" gehen zwar nicht alle Anwesenden konform, doch wer dieses Statement mit einem Grinsen zum Besten gibt, dem verzeiht man fast alles.

Der DIO- und BLACK SABBATH-Einschlag ist im Sound der Schweden unüberhörbar, aber auch KYUSS haben ihre Spuren bei dem Quartett hinterlassen. Dabei dröhnt die Truppe wie eine lebendigere und rockige Version der Wüstenrocker. Apropos Ralf: Zwischendrin schmettert er ein schwedisches Seemanslied in bester Pavarotti-Manier. Die gut geölten Kehlen vor der Bühne tun's ihm gleich und singen brav nach. Den deutschen Befehlston hat er schon sehr gut drauf ("Gib mir dein Bier!"), aber auch sonst lassen die Jungs nichts anbrennen. Hier Twinsoli wie bei THIN LIZZY ('Long Way Back'), dort Drumpassagen wie bei MARILYN MANSONs 'Beautiful People' ('I Hunt Alone') - für Abwechslung ist immer gesorgt.

Das mittlerweile gut gefüllte "Nachtleben" quittiert diesen Einsatz mit Beifall zwischen den Songs und geht auch sonst gut ab. Leider ist nach der aktuellen Single 'Double Nature' Schicht im Schacht, und die Boys verabschieden sich nach noch nicht mal einer Stunde in die Umkleide. Zwei blutjunge Mädels in der ersten Reihe dürfen Ralf mit nach hinten begleiten, als kurz danach die Lichter eingeschaltet werden.

Fazit: Mit dem experimentellsten MACHINE HEAD-Album hatten SUPERCHARGER vom Sound her so viel am Hut wie Lemmy mit Milchbestellung in einer Rockbar. MUSTASCH wurden ihrer Headlinerrolle gerecht, räumten leider viel zu früh das Feld. Beide Truppen waren mit einem glasklaren Sound gesegnet, wobei ich's selten erlebt habe, dass im "Nachtleben" soundtechnisch viel verbockt wurde. Obwohl der Club gut gefüllt war, kann man noch lange nicht von "ausverkauft" sprechen. Da ist auf jeden Fall Luft nach oben, vor allem hinsichtlich der Spielzeit.

Redakteur:
Tolga Karabagli

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