NCN-Festival in Deutzen - Deutzen
17.09.2023 | 21:5402.09.2023, Kulturpark
Die Nocturnal Culture Night: Das heißt Festival in heimeliger Atmosphäre.
Seit nunmehr 16 Jahren bildet das NCN-Festival so ein bisschen den Festivalabschluss eines Jahres. Wer den Sommer über bei entsprechenden Veranstaltungen war, der wird meist etwas wehmütig, denn so langsam ist mit den Festivals wieder Schluss für das aktuelle Jahr. Das heißt aber noch lange nicht, dass auf dem Gelände des Kulturparkes Deutzen drei Tage lang eine miese Stimmung herrscht. Im Gegenteil, die Besucher sind in bester Laune und freuen sich auf ausgelassene Zeiten und tolle Bands.
Wir statten der Veranstaltung am Samstag einen Besuch ab und stürzen uns am späten Mittag in das Getümmel. Zugegeben, naturgemäß ist zu der Zeit noch nicht so wahnsinnig viel los, aber über eine Flaute zur Mittagszeit kann sich wirklich niemand beschweren. Leider herrscht an diesem Tag bei einigen Besuchern dennoch eine gedrückte Stimmung. Das liegt nicht am Regen, der am vergangenen Abend über die Konzertgäste herniederging, sondern an einer nächtlichen Einbruchsserie. In der Nacht von Freitag zu Samstag suchten Diebe das Gelände auf und haben zahlreiche, friedlich schlafende Festivalbesucher hauptsächlich um ihr Bargeld erleichtert. Zum Glück hielt sich bei den meisten der Sachschaden in Grenzen und es ist "nur" das Geld weggekommen. Dennoch versucht jeder Betroffene, so gut es eben geht, sich nicht davon die Laune verderben zu lassen. Zumindest hilft das Wetter dabei. Heute ist von Regen keine Spur mehr zu sehen und es ist auch nicht zu heiß. Bestes Festivalwetter also.
Da passt die erste Band auf unseren Plan eigentlich gar nicht dazu. Zumindest vom Namen her, denn kalt ist es heute nun wirklich nicht. Das französische Duo KALT sinniert jedenfalls nicht darüber und präsentiert den Besuchern vor der Amphibühne einen soliden EBM-Sound. Die beiden Musiker sind schon länger im Geschäft, doch diese Band gibt es noch gar nicht so lange. Klar fehlen dadurch typische Klassiker aber sie können mit ihrem Sound im Hier und Jetzt überzeugen und damit sicherlich viele neue Fans dazugewinnen. So soll es ja auch sein!
Im Anschluss verweilen wir noch ein wenig bei einer Lesung von CHRISTIAN VON ASTER, der sich auf der Lesebühne eingefunden hat und bester Laune ist. Die Bänke davor sind gut gefüllt und jeder hört gebannt den Ausführungen des Schriftstellers zu. Leider stört im Laufe der Lesung die Musik der benachbarten Bühnen, somit ist also genaues Zuhören angesagt! Das ist im Anschluss nicht nötig, denn um 15 Uhr laufen auf dem angrenzenden Fußballplatz nicht nur zwei Fußballmannschaften, sondern auch die "Ultras" vom SV Blau-Weiß Deutzen auf. Im Laufe der Jahre ist daraus schon eine Tradition geworden. Eine Handvoll Festivalbesucher, die auch fußballbegeistert sind, unterstützen den ortsansässigen Fußballclub bei ihren Heimspielen. Das Spektakel besuchen natürlich weitere Festivalgänger und verbinden das auch gleich mit etwas Leckerem vom Vereinsgrill. Schon die Jüngsten helfen mit, damit die Besucher gut versorgt sind und können damit gleichzeitig die Vereinskasse ein wenig aufbessern. Somit sind an diesem Nachmittag alle Gewinner. Nur leider nicht die heimischen Fußballer, denn die kassieren eine 1:4 Klatsche.
Wir genießen derweil das Festivaltreiben und statten den diversen Ständen einen Besuch ab, bevor es zur Kulturbühne geht. Hier hat der ORPLID-Sänger UWE NOLTE Songs seiner Band, aber auch von FORSETI im Gepäck. Doch begonnen wird mit dem 'Merseburger Zauberspruch', dem 'Der Merseburger Rabe' folgt. Andreas Ritter, der Bandkopf von FORSETI hatte 2005 einen Herzstillstand und ist seitdem sehr eingeschränkt. "Er nimmt am Leben teil", so zitiert der Sänger die Mutter von Andreas Ritter und trägt das Gedicht 'Forseti lebt' vor. Später erklingt unter anderen der Song 'Lichterflug' von FORSETI. Über 'Sag mir, wo du stehst' kann man sich streiten, ob das jetzt so wirklich hierher passt. Dem gelernten DDR-Bürger scheint es durchaus zu gefallen. Mit dem eigenen und schon älteren Stück 'Ave Roma' endet der Auftritt.
Weiter geht es auf der benachbarten Parkbühne mit dem kanadischen Duo TRAITRS. Die beiden servieren ihrem Publikum einen energiegeladenen Auftritt mit einem kraftvollen Sound. Dieser Postpunk bläst alle Gehörgänge frei und die Besucher können das Tanzbein schwingen. Das aktuelle Album "Horses In The Abattoir" wird ausgiebig beackert, so erklingen daraus beispielsweise 'Oh Ballerina' oder 'Magdalene'. Vor der Bühne ist es ordentlich voll geworden, denn die beiden haben sich in den Jahren schon eine ordentliche Fanschar erspielt. Qualitativ gibt es ja auch überhaupt keine Kritik an dem Gig, außer der Tatsache, dass die Band auf eine größere Bühne gehört. Das etwas ältere 'Thin Flesh' kommt ebenfalls gut bei der Menge an, die ausgiebig tanzt. So gut es eben bei den beengten Verhältnissen geht. Doch davon lassen sich die meisten nicht die gute Laune verderben und so geht der Auftritt mit viel Applaus und einem begeisterten Publikum zu Ende.
Überhaupt nicht laut, dafür nicht minder kraftvoll präsentiert sich das Akustik-Set von JANUS bei langsam einbrechender Dunkelheit auf der Amphibühe. Zugegeben, musikalisch ist dieser Auftritt gewagt, im Vergleich zum restlichen Bandportfolio des NCN, dennoch passt der Gig hier auch gut hin. Das zeigt sich ebenfalls an den Gästen vor der Bühne, denn die Reihen sind gut gefüllt. Die vier Musiker treten im feinen Zwirn vor ihr Publikum und ziehen es mit 'Die Ballade vom alten Seemann' sofort in ihren Bann. Spätestens jetzt merkt jeder, dass dies keine einfache und leichte Kost ist, was JANUS serviert. Das war es auch noch nie, nur ist heute das Publikum nicht komplett darauf eingestellt. Dennoch weiß das Quartett die Menge zu begeistern. Die Musiker freuen sich selbst auch, endlich einmal bei diesem Festival auftreten zu können und Sänger Rig führt souverän durch das Programm. Dass das epische Stück 'Terror' bei solch einem Festivalauftritt erklingt, hätte ich nicht vermutet, ist es doch wirklich sehr lang und kräftezehrend. Doch für beide Seiten lohnen sich die Strapazen, die an die Franklin-Expedition erinnern. So dauert es auch nach dem Verstummen des letzten Tones ein wenig, bis der Beifall einsetzt. Der fällt über die Musiker wie ein Schauer herab, den sie zu Recht sichtlich genießen. Doch viel Zeit zum Durchatmen bleibt nicht. So verspricht der Sänger, natürlich mit einem Schmunzeln, mit dem letzten Stück die Stimmung noch weiter in den Keller zu ziehen. Und in der Tat, 'Anita spielt Cello' ist kein musikalischer Spaziergang. Das Publikum hält inne und lauscht bedächtig der Darbietung. Als sich die Band im Anschluss verabschieden will, werden die Rufe nach einer Zugabe laut. Dieser Bitte wird stattgegeben und zum Finale dürfen sich die Fans über 'Der Flüsterer im Dunkeln' freuen. Keine Frage, der Auftritt ist alles andere als leichte Unterhaltung. Doch wer sich darauf einlässt, der kann sich über ein perfektes Konzert freuen, welches in dieser Form nicht alle Tage zu erleben ist.
Setliste: Die Ballade vom alten Seemann; Isaak; Totes Land; Terror; Anita spielt Cello; Zugabe: Der Flüsterer im Dunkeln
Eigentlich wäre es nun Zeit für eine kleine Pause, um das alles erst einmal sacken zu lassen, doch dummerweise beginnt im Kürze der Auftritt von KIRLIAN CAMERA auf der Waldbühne, also fix rüber zu den Italienern. Der Platz vor der Bühne ist nun rappelvoll, den Auftritt wollen wirklich sehr viele Besucher sehen. Heute erscheinen die Musiker zu Beginn nicht mit einer Sturmhaube, wie man es von vergangenen Auftritten kennt, einzig Sänger und Bandchef Angelo Bergamini trägt eine Pelzmütze. Während die Bassistin Mia Wallace im dicken Mantel auf die Bühne kommt, zeigt sich die Sängerin wesentlich knapper bekleidet. Mit viel Beifall wird die Band begrüßt, die gut gelaunt den Konzertabend beginnt und das Publikum begeistert. Es wird fleißig mitgemacht und bei den Klassikern 'Blue Room' und 'Eclipse' wird das Ganze noch ein wenig exzessiver. Elena Fossi stachelt die Menge immer mal wieder an mitzumachen, was ihr sehr gut gelingt. Alles in allem ein toller Gig ohne großen Schnickschnack rundherum.
Gut gelaunt geht es zum letzten Auftritt auf der Amphibühne. Samstags gibt es dort immer eine Band aus den achtziger Jahren, beziehungsweise was von ihr übriggeblieben ist. In diesem Jahr ist es TOM BAILEY von den THOMPSON TWINS. Der Sänger präsentiert sich mit seiner Damenband im weißen Outfit und gestartet wird nach dem Intro mit 'Love On Your Side'. Immer wieder wechselt er die Instrumente und zeigt so dem Publikum sein Können, dennoch wirkt das Ganze zu Beginn etwas starr. Doch so langsam kommt mit der Zeit Schwung und "Achtziger Jahre-Stimmung" in die Sache, beziehungsweise in die Menge. Band und Publikum müssen quasi erst gemeinsam warm werden. Der Sänger bittet die Gäste um Nachsicht, dass er und seine Damen-Combo noch nicht allzu viele Stücke im Programm haben, denn es ist das erste Mal, dass sie in der Form einen Liveauftritt absolvieren. Mit den Klassikern 'Doctor Doctor' und Hold 'Me Now' endet der Gig und die Menge feiert die Band, die sichtlich davon berührt ist. Mit dieser Begeisterung scheinen die Musiker gar nicht gerechnet zu haben.
Setliste: Intro; Love On Your Side; Science Fiction; The Gap; Lay Your Hands On Me; If You Were Here; Sister Of Mercy; You Take Me Up; Lies; Psycho Killer; Doctor Doctor; Hold Me Now
Zum Abschluss des Tages auf der Kulturbühne lädt DIE WEISSE ROSE ein. Das schwedische Projekt um Thomas Bøjden präsentiert sich heute als Trio. Der Platz vor der Bühne ist zu Beginn noch verhalten gefüllt, was aber mit der Zeit besser wird. Auch hier wird, wie bei ROME auch, der Ukrainekrieg thematisiert und die Bühne entsprechend beflaggt. Verwunderlich ist das nicht, waren beide Bands gemeinsam auf Konzerttour in der Ukraine. Im Fackelschein tritt der Sänger vor das Publikum, was beinahe nicht geklappt hätte, denn der Fackel-Anzünd-Verantwortliche hat damit so seine Probleme. Aber zum Glück bekommen es die Anwesenden hin und die Besucher können die ungewöhnliche Performance genießen. Seine beiden Mitstreiter überzeugen mit einem eingespielten und ekstatischen Trommelspiel. Der Sänger bemüht heute mehr seine Schrei- als seine Sangeskünste, was zwar gut zur vorhandenen Atmosphäre passt, auf Dauer aber schon anstrengend sein kann. Anstrengend ist auch ein Besucher, der ihn lautstark beschimpft. Der Frontmann lässt sich aber davon nicht beirren und wirft ihm später noch ein paar Küsschen zu. Irgendwann ist der Störenfried dann aber verschwunden und die Gäste können den Auftritt noch etwas genießen, bevor er schon nach einer knappen Stunde zu Ende ist.
Wir verweilen noch eine Weile auf dem Gelände der Kulturbühne. Auf der benachbarten Parkbühne beendet die schwedische Electroband EMMON den Festivaltag. Hier haben sich noch einmal eine Menge Besucher eingefunden, um den Tag ausklingen zu lassen. Emma Nylén, die Sängerin des Projektes schafft es locker, das Publikum noch einmal zu mobilisieren. So herrscht vor und auf der Bühne eine ausgelassene Stimmung. Die Band ist für viele Anwesende eine positive Überraschung und natürlich auch eine Neuentdeckung.
Wie immer ist so ein Festivaltag viel zu schnell vorbei. Gerade wenn das Ganze in solch einer gemütlichen und angenehmen Lokalität stattfindet. So bleibt der Tag in guter Erinnerung. Einzig die Tatsache, dass sich die Konzerte zwischen der Amphi- und der Waldbühne zeitlich sehr stark überschnitten haben, ist ein kleiner Wermutstropfen. Auch wenn die Wege zwischen den Bühnen nicht allzu lang sind, so ist es doch etwas nervig. Wer da nicht in zu großen Stress verfallen möchte, der macht dann einfach Abstriche beim selbst gewählten Tagesprogramm. Was die Verpflegung auf dem Festival angeht, so war diese wie gewohnt abwechslungsreich und preislich hielt es sich durchaus im Rahmen, also auf dem gleichen Niveau, wie bei anderen Festivals. Was wirklich unschön an der Veranstaltung ist, dass eben viele Besucher bestohlen worden sind. Eine Garantie, dass das nicht wieder passiert, gibt es natürlich nicht, dennoch sollten sich die Festivalmacher ernsthaft ein neues Konzept überlegen. Für uns selbst ist dieser Samstag sehr schön gewesen. Von daher kommen wir nächstes Jahr gerne wieder!
- Redakteur:
- Swen Reuter