NRW Deathfest 2011 - Wermelskirchen

27.09.2011 | 12:20

16.09.2011, AJZ Bahndamm

Das NRW Deathfest im altehrwürdigen AJZ Bahndamm Wermelskirchen öffnet zum neunten Mal seine Pforten für zwei Tage voller Grind, Slam und natürlich Death Metal.

Der zweite Tag beginnt angenehm, denn das Wetter ist gut und die  Temperaturen mild. Das ist bei einem Hallenfestival zwar nicht der  entscheidendste Faktor, sorgt aber für eine gute Stimmung gerade bei den  Fans, die die Nacht in ihren Autos oder improvisiert aufgestellten Zelten  verbracht haben. Außerdem ist ähnlich wie gestern die Running Order  wieder leicht verändert und langsam hat das Festivalpaket nicht mehr  allzu viel damit zu tun, was auf den Plakaten und Flyern gestanden  hat. Allerdings darf man dabei nicht alle Schuld beim Veranstalter  abladen (jeder der schon mal ein Konzert organisiert hat, kennt solche  Probleme).

Das musikalische Programm beginnt heute erst einmal nach Plan und  pünktlich um 15 Uhr stehen SUFFOCATED ART auf der Bühne. Ganz  ehrlich: Umhauen tun mich die Solinger nicht wirklich. Aber um fair zu  bleiben muss man auch zugeben, dass man mit groovigem Brutal Death  so früh am Tag einen schweren Stand hat. Viele scheinen noch verkatert  zu sein und ihren Tinnitus vom Vortag auszukurieren. Da ist positiv zu  bemerken, dass sich die Jungs wenigstens um das leibliche Wohl ihres  Publikum sorgen und bieten so neben Bier auch Kuchen (!) an. Noch  sympathischer wird das Ganze nur durch das Angebot, dass man für CDs  der Band das bezahlen soll was man will.

Mit PHOBIATIC kommt der eigentliche Opener des Freitags und schindet ordentlich Eindruck. Denn auch wenn die NRWler brutalen Death Metal  spielen, versinkt ihr Sound nicht in standardisierten Trademarks wie bei  anderen Untergrund-Kapellen. Vielleicht liegt das auch daran dass hier der Ex-JACK-SLATER-Saitenhexer Robert am Werk ist. Immerhin war dieser nach Aussage seiner alten Bandkollegen für mehr als die Hälfte der Songs vom letzten sehr starken Album "Extinction Aftermath" zuständig gewesen. Diese abwechslungsreiche deutsche Band sollte man im Auge behalten. Grindcore, Brutal Death Metal und Slam. Wie man merkt, wiederholen sich diese Vokabeln in diesem Bericht gebetsmühlenartig und wie kann man sich da noch als kleinere Metal-Truppe abheben?

Richtig, durch Schwimmreifen! Zumindest wenn man ENNOS IRPAC heißt. Denn dann kann man damit sogar tatsächlich Fans zum Starten eines Circle Pits animieren und bringt richtig Bewegung in die Bude. Die Texte und Songtitel sind allerdings etwas seltsam (allen voran die inoffizielle Hymne von Nordrhein-Westfalen 'Mir Tut Der NRWeh'), aber auch das gehört wohl zum Gesamtkunstwerk. Wenn man dann auch noch die Führung des 1. FC Kölns im Lokalderby gegen Bayer Leverkusen abfeiert, kann man nicht mehr verlieren und wird zum Headliner der rheinischen Herzen.

Genauso viel Strandfeeling wollen im weiteren Verlauf auch STILLBIRTH verbreiten und haben sich dafür extra in ihre Bermudashorts geworfen. Jedoch macht das ihren mehr oder weniger interessanten Mix aus Slam Death und Hardcore auch nicht besser. Natürlich haben auch diese Jungs aus der Region eine gewisse Anhängerschaft mitgebracht, die ordentlich Party macht. Aber jemand, der die Bilsteiner zum ersten Mal sieht, findet nur wenig Attraktives. Das einzige was wenigstens etwas Anlass zum Schmunzeln gibt, sind Songtitel wie 'Schmand an der Hand' oder 'Halb 4 ist Anstoß'.

Wesentlich vielschichtiger wird es im Anschluss jedoch  mit OBSCURE INFINITY aus dem Westerwald. Denn hier geht es  ausschließlich um Old-School Death Metal. Kein Grind, kein Slam und keine schweinischen Squeals. Einfach nur guter alter  Todesstahl wie er Anfang der Neunziger gespielt wurde. Das ist  nicht nur herrlich traditionsbewusst, sondern auch eine mehr als  notwendige Abwechselung zum sonstigen Speiseplan. Bekannte Nummern wie 'Sacrifical Ritual' oder ganz neue Tracks wie  'Clandestine' hauen ordentlich auf die Zwölf und  angenehmerweise hält sich das Moshen diesmal angenehm in  Grenzen (zumindest ich habe keinen Pit entdeckt). Stattdessen  sieht man einige Zuschauer mit der Rübe wackeln und das abschließende DEATH-Cover 'Evil Dead' aus voller Kehle mitsingen. Mit wunderbaren Gitarrensoli und einer energiegeladenen  Performance, die besonders durch die Bühnenpräsenz von  Sänger Jules getragen wird, machen sich die Traditionalisten  heute eine Menge Freunde.

Direkt danach kommt die "wohl weichste Band des Festivals".  Zumindest beschreiben sich JACK SLATER selbst auf diese  Weise.  Jedoch fügen sich die Gladbacher mit ihrem technischen  Death  Metal gut ins Line-Up ein und auch das Interesse an der  Kapelle  ist nicht gerade gering. Immerhin ist dies der drittletzte  Auftritt  der Jungs, die bereits Anfang des Jahres ihren Abschied  angekündigt haben. Aber Zeit für Melancholie gibt es keine. Mit  aktuellen Nummern wie 'Dysthymia', 'Martyr' oder Klassikern wie  'Eisenwichser' und 'Metzgore' erzeugt man eine gute Stimmung und  heizt die Menge hervorragend an. Als Dank gibt es neben Live-Musik auch CDs, die von Fronter Horn ans Publikum verteilt werden. Keine Promos oder so, sondern etliche Jewel-Case-Versionen vom letzten Album "Extinction Aftermath". Soviel Großzügigkeit und Sympathie wird man in der Metalszene bestimmt schmerzlich vermissen. Nach den beiden Titeltracks 'Metzgore' und ' Extinction Aftermath' ist dann auch die Messe endgültig gelesen und der Bahndamm verabschiedet sich von einem äußerst gern gesehenen Gast.

Wer nun eine Pause braucht, für den kommen KRYPTS gerade recht. Denn die Musik der Finnen bietet nicht viel Anlass für Bewegung. Der ganze Sound ist irgendwie eintönig und auch etwas stupide. Für solchen Todesblei gibt es natürlich auch eine Klientel, aber mehr als einen guten Track hört hier kaum einer raus. Die ganze Darbietung ist doch sehr, sehr schleppend.

Etwas flotter und interessanter wird es aber dann wieder mit DESECRATION. Die Oldschool-Deather kommen aus Wales (ja, dort gibt es nicht nur BULLET FOR MY VALENTINE) und reißen eine mega-fette Show runter. Dreckige, böse Angriffe wie 'Bacterial Breakdown' oder 'Overdose' zünden sofort und machen extrem viel Laune. Da muss man nicht mal betrunken sein, um abzugehen. Außerdem hat man mit Drummer Pete Aplin (unter anderem IRONY OF CHRIST) einen guten temporären Ersatz für den fehlenden Michael Hourihan gefunden. Insgesamt ein wirklich starker Auftritt von einer Band, die bisher unter meinem Radar geflogen ist.

Dasselbe gilt übrigens auch für die Schweden ENTRAILS. Die gibt es auch schon seit 1990 jedoch erschien ihr Debüt-Album "Tales from the Morgue" erst 20 (!) Jahre später, weswegen man keine weitere Zeit verschwenden will und mit "The Tomb Awaits" aktuell einen neuen Longplayer nachgereicht hat. Diese Elchtod-Combo klingt exakt wie die Stockholmer-Szene Anfang der Neunziger und transportiert den gleichen Spirit. Da kann auch der Ausfall der Bass-Axt den Siegeszug nicht stoppen und Fronter Joakim macht erst ohne Viersaiter weiter und spielt etwas später auf dem Bass von OBSCURE INFINITY. Darüber hinaus darf auch mal Leimy von RECKLESS MANSLAUGHTER kurz das Mikrofon übernehmen und beweist sein bestialisches Organ. Im Großen und Ganzen ein wirklich rundum gelungener Auftritt.

Aber es geht noch besser. Denn nun kommen die  mächtigen ASPHYX auf die Bühne und füllen den  Bahndamm  so extrem, dass man nach Verlassen der  Halle (zum Beispiel  zwecks Pinkeln) den Wiedereintritt  vergessen kann. Also  Zähne zusammenbeißen und Platz  verteidigen. Denn es lohnt  sich. Sänger Martin Van  Drunnen ist bestens aufgelegt und  beweist ein Herz für  den Untergrund, indem er mit einem T-Shirt von  OBSCURE INFINITY vor die Menge tritt. Eine wirklich    sympathische Geste des Death-Metal-Urgesteins, der im  weiteren Verlauf mit schlagfertigen Kommentaren  besticht. So  wird der dämliche Hohngesang ('Ohne  Holland fahren wir zur WM') eines Zuschauers aus Reihe  eins mit einem coolen "Wir kommen aus den  Niederlanden und nicht aus Holland, du Idiot" gekontert.  Auch das Statement, dass er nicht Justin  Bieber sei und  keine 13 Groupies auf ihn warten, mit denen er  in  seinem Alter nicht mehr fertig werden würde, amüsiert  das  Publikum. Des Weiteren frischt der Holl... äh:  Niederländer  seine Geographiekenntnisse auf und fragt,  wo man sich hier  eigentlich befinde: "Wo sind wir hier?  Im Ruhrgebiet?" Empört  ruft ihm die Menge aus der  Region entgegen, dass Wermelskirchen Teil des  Bergischen Landes ist. Wieder was  gelernt.

Musikalisch ist man jedoch sicherer und überrollt die  Anwesenden mit jeder Menge Hits. Da dürfen Stücke wie  'Vermin' und 'Scorbutics' ebenso wenig fehlen wie der  unsterbliche Klassiker 'MS Bismarck'. Sogar 'We Doom  You To  Death' von der diesjährigen Split mit HOODED  MENACE wird  gespielt und Van Drunnen scheint etwas  enttäuscht, dass auf  seine Frage, wer diese Split besitzt,  nur wenig Rückmeldung  kommt. Dafür sind alle wieder  mit dabei als 'Wasteland Of Terror' und 'Death... The Brutal Way' angestimmt werden. Der letzte offizielle Song ist dann noch 'The Rack', was keinen wirklich überrascht. Diese überlange Death-Doom-Overtüre ist wie immer der perfekte Abschluss und obwohl es noch eine Zugabe gibt, ist das doch schon der eigentliche Höhepunkt, nachdem man erschöpft aber zufrieden die Halle verlassen darf.

Denn nun ist das NRW Deathfest 2011 definitiv Geschichte und die Vorfreude auf eine Neuauflage 2012 schon jetzt Riesengroß. Es ist nur ein wenig schade, dass man so Mitten im Stadtgebiet kaum Platz zum Zelten hat und der Konzertsaal im AJZ doch ein wenig sehr klein ist. Aber das macht wohl den Charme solcher Veranstaltungen aus, die von Fans für Fans organisiert werden.

 

Redakteur:
Adrian Wagner

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