Nocturnal Culture Night 2017 - Deutzen

09.10.2017 | 21:50

09.09.2017, Kulturpark

Zum zwölften Mal NOCTURNAL CULTURE NIGHT im Wald des Kulturparkes Deutzen - Wir werden langsam normal...

Etwas Wehmut ist beim Besuch des NCN-Festivals immer dabei. Die Festivalsaison wird hier beendet und es wird einem schmerzlich bewusst, dass der Sommer vorbei ist. Doch bevor man zu stark in Wehmut verfällt, der Novemberblues langsam um sich schlägt und die Tage kürzer werden, sollte sich jeder Anhänger der düster-schwarzen Szene noch einmal aufraffen, um diese Veranstaltung einfach zu genießen. Gerade das gemütliche Ambiente bietet neben schweißtreibenden Konzerten ein wenig Erholung im Grünen.

Für drei Tage haben Holger Troisch und sein Team wieder eine feine musikalische Mischung aus bekannten Bands und Newcomern gezaubert, die sich (wie immer) sehen lassen kann. Zum zwölften Mal heißt es also: "Hereinspaziert in den Kulturpark Deutzen!". Die Welt und ihre Sorgen da draußen für einen kurzen Augenblick einfach mal Welt sein lassen und abschalten. Und da im Leben nicht immer alles so klappt wie es sollte, können wir nur am Samstag vorbeischauen. Wir treffen am frühen Nachmittag ein und es regnet. Kalt ist es auch noch. Das sind nicht gerade optimale Voraussetzungen für einen guten Start in den zweiten Festivaltag. Doch wie heißt es so schön: "Machen wir das Beste daraus!".

Nach einer kleinen Erkundungstour über das Festivalgelände, um zu sehen was sich wieder ein wenig verändert hat, geht es zur Kulturbühne. Dort spielt bereits DUNE MESSIAH, eine der zahlreichen Newcomerbands des Festivals. Das Trio präsentiert einen erfrischenden Sound aus Neofolk und Post-Punk, der ziemlich düster und melancholisch ist. Der typisch hallende Klang darf auch bei dieser Formation nicht fehlen. Er gibt Songs wie 'We Vanish' oder 'What You've Become' eine besondere, dichte Note. Bis dato mir völlig unbekannt, begeistert die Band nicht nur mich. Auf das Wesentliche reduziert, ziehen die drei das Publikum in ihren Bann. Ein tolles Konzert und super Einstieg in den Festivaltag! Was will man mehr?
OSEWOUDT
Noch mehr Neofolk vielleicht? Denn mit OSEWOUDT geht es im Anschluss auf dieser Bühne weiter. Und wenn sich die Gelegenheit bietet die Herrschaften aus den Niederlanden einmal live erleben zu können, sollte man das auch tun. Vorausgesetzt man mag die Musik. Die Jungs aus Rotterdam haben leichte Platzprobleme auf der kleinen Bühne, doch irgendwie findet jeder sein Plätzchen. Akkordeon trifft auf E-Gitarre und laute Trommeln. Eine schicke Mischung. Die Musiker sind gut gelaunt und freuen sich über die kleine, aber feine Zuschauermenge. "In den letzten Wochen haben wir immer bei Festivals im Wald gespielt. Ich glaube wir werden langsam normal!", meint der Sänger im Verlaufe des Konzertes. Tja, so ist das eben im Leben. Trotz aller Heiterkeit bieten die Musiker ein perfektes Programm. 'Finsternis' oder 'Gelag und Geheimnis' erfreuen die Fans und die danken es mit viel Applaus.

GOLDEN APESDerweil gibt sich eine andere Band weniger heiter auf der Bühne. Das heißt aber nicht, dass der Gig der GOLDEN APES deswegen schlechter ist. Die Gothic-Rock-Band ist bei diesem Festival nicht mehr unbekannt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich vor der Weidenbogenbühne eine große Zahl an Besuchern eingefunden hat, um den Klängen der Berliner zu lauschen. 'Ignorance' erklingt als erstes Stück und Sänger Peer Lebrecht steht gewohnt cool mit Zigarette am Mikrofon. Die Songs landen punktgenau dort, wo sie hin sollen, und die Fans können sich an 'Grinding Mills' oder 'Ferryman' erfreuen und mittanzen. 'Riot' beendet das Set und die Zuschauer sind begeistert vom schnörkellosen Sound. Dass es auch ohne Bühnen-Bespaßung geht, das beweisen die Musiker wieder einmal mehr als eindrucksvoll.

Im Anschluss gönnen wir uns einen Rundgang über das Gelände, um ein wenig an den Verkaufsständen zu stöbern. Durch das vollgepackte Programm sind musikalische Pausen ganz schön rar geworden. In der Nähe der Amphibühne angekommen, hört man, dass das Konzert von BOYTRONIC bereits begonnen hat. Also Beine in die Hand und los geht es! Der Altersdurchschnitt vor der Bühne ist jetzt auf ein Rekordniveau angestiegen, denn schließlich müssen die Helden von einst gebührend gefeiert werden. Wem die Band jetzt so gar nichts sagt, wird spätestens beim Stück 'You' sagen: "Ach, das kenne ich!". 1983 ist dieser Bandhit erschienen. Der heutige Sänger wird zu diesem Zeitpunkt wohl gerade laufen gelernt haben. Dennoch macht er einen tollen Job und weiß die Fans zu begeistern. Obwohl das gar nicht nötig ist, denn das sind sie von allein und tanzen ausgelassen bei 'My Baby Lost It's Way' mit. Wer davon mehr möchte, der kann das ab November bekommen, denn da soll das neue Album "Jewel" veröffentlicht werden.

Musikalisch drehen wir uns nun komplett, denn mit CREMATORY werden härtere Töne angeschlagen. Alte Hasen sind auch sie, denn mit über 15 Jahren Bühnenerfahrung läuft es hier rund und routiniert ab. Allerdings nicht an diesem Abend, da kurz nach Beginn des Gigs die Technik versagt. Doch Sänger Felix kann die Zwangspause gut abfedern und unterhält das Publikum. Manchmal frage ich mich aber ernsthaft, ob der Mann mehr Alkoholiker als Sänger ist, denn irgendwie dreht sich alles darum. Mal ein Joke am Rande ist ja okay. Aber irgendwie ist das bei ihm ein Dauerbrenner. 'Tears Of Time' hätte ich mir an diesem Abend eher gewünscht, denn 'Fly' gibt es ja nicht auf die Ohren, was vom ehemaligen Gitarristen Matze vorgetragen wurde. Dafür ist 'Everything' oder 'Ravens Calling' wieder eine kleine Entschädigung. Gemeinsam mit dem BATTLE SCREAM-Sänger Alex Pest wird 'Kommt Näher' vorgetragen. Obwohl ich die Musik mag, ist mir die heutige Show, speziell das Gehabe von Felix, zu obendrüber. Das funktioniert bei einem reinen Konzert sicher besser als bei einem kurzen Festivalauftritt. Und so hört man aus den Zuschauerreihen desöfteren: "Felix, labere nicht so viel, sondern singe lieber!". Dem schließe ich mich an und mache mich auf den Weg zu OSWALD HENKE.

CREMATORYSchließlich gibt es eines der wenigen Konzerte in diesem Jahr von GOETHES EREBEN beim NCN zu erleben. Da ist es geradezu Pflicht, dem Meister die Ehre zu erweisen. Er hat neben seiner Band noch Sonja Kraushofer (L’ÂME IMMORTELLE) mitgebracht. Ein Konzert der Band ist nicht nur ein simples Konzert, sondern eine Performance. Gekonnt weiß der Sänger sein Publikum zu bannen und verliert jedoch trotz der Schwere der Kost nie die Hoffnung. 'Lebend lohnt es' spricht dafür Bände. Der 'Glasgarten' wird gemeinsam mit Sonja Kraushofer wunderschön vorgetragen. Als sich die Musiker in weiße Overalls kleiden, der Sänger eine Kiste mit Neonstäben hervorholt, wissen die Fans, dass mit 'Zimmer 34' nun eine sehr heftige Nummer folgt. Wer sich hier nur freut, dass ein Oswald Henke mit freiem Oberkörper den Besen schwingt und die Gitarre vermöbelt, der hat leider gar nichts begriffen! Kurz nach der Premiere des Videos zu 'Lazarus' GOETHES ERBENwird dieser Song dem Publikum live vorgestellt und erhält viel Beifall und Zustimmung. Kerzen werden natürlich heute auch wieder an die Zuschauer verteilt und diese wandern quer durch die Menge und lassen es erhellen. Für den 'Zinnsoldaten' schmeißt sich der Sänger in seine schicke Uniformjacke und lässt die Fanherzen höher schlagen und die Augen leuchten. Das Publikum ist begeistert und genießt gemeinsam mit den Musikern diese Darbietung, ehe 'Sitz der Gnade' den Auftritt beim NCN 2017 beendet.
Setliste: Angespuckt, Vermisster Traum, Lebend lohnt es, Glasgarten, Helden, Mensch sein, Die Form, Zimmer 34, Denn es ist immer so, Lazarus, Nichts bleibt wie es war, Himmelgrau, Zinnsoldaten, Sitz der Gnade

Leider hat sich dieser Auftritt komplett mit dem von ROME überschnitten. Als das Konzert von GOETHES ERBEN zu Ende ist, ist auf der anderen Bühne ebenfalls schon Ruhe eingekehrt. Dagegen wird es auf der benachbarten Parkbühne eisig kalt und laut, denn LEBANON HANOVER ist bereits zu Gange. Das Duo um Sängerin Larissa Iceglass und William Maybelline hat wie gewohnt den tiefen Bass herausgeholt und haut den Zuschauern die minimalistisch gestrickten Songs um die Ohren. Dazu noch die tiefe und kühle Stimme der Sängerin und fertig ist der perfekte Sound. Die Fans können sich beispielsweise an 'Gallowdance' oder 'Totally Tot' erfreuen. Doch die teilweise chaotische Überfüllung des Platzes vor der Bühne trübt die Stimmung bei zahlreichen Besuchern. Da dieser Bereich auch von den Gästen als genereller Weg genutzt wird, ist es sehr mühsam, das Konzert in den hinteren Reihen wirklich genießen zu können. So setzen wir uns einfach nebenan bei der Kulturbühne hin, denn da kann man das Ganze akustisch genauso gut verfolgen, ohne herum geschubst zu werden.

Bevor PHILLIP BOA AND THE VOODOOCLUB den Auftritt absolviert, geht es zu einer Stippvisite an die Weidenbogenbühne, um den Klängen von POUPPÈE FABRIK zu lauschen. Die schwedische EMB-Legende heizt ihren Fans ordentlich ein. Die tanzen ausgelassen vor der Bühne und feiern gemeinsam mit Henrik Björkk eine tolle Party. Vor und auf der Bühne sieht man begeisterte Gesichter, die sich einfach an diesem tollen Gig erfreuen und sich noch lange daran erinnern werden.

Langsam aber sicher neigt sich der zweite Festivaltag dem Ende entgegen. Aber bevor es auf den Bühnen im Kulturpark Deutzen ruhig wird, lädt PHILLIP BOA AND THE VOODOOCLUB die Fans zu einem Konzert auf der Amphibühne ein. Vor der Bühne ist es richtig voll geworden und die Fans klatschen die Band herbei. So nach und nach erscheinen die Musiker. Als Letzter dann der Meister selbst. Die Besucher sind begeistert und machen von Beginn an ordentlich Stimmung. Die aktuelle Sängerin Vanessa Anne Redd hämmert auf die Trommeln ein, als gäbe es keinen nächsten Tag. Und das bei ihrer kleinen und zierlichen Gestalt. Respekt! Mit 'Fine Art In Silver' geht es mit dem zweiten Song gleich richtig toll weiter. Herr BOA fuchtelt wie gewohnt mit seinen Armen herum und ist auch sonst gut gelaunt. So ist das ein sehr energiegeladener Auftritt, den die Anhänger der Formation mit sehr viel Applaus bedenken. Jetzt gibt es kaum noch jemanden, der nun noch ruhig dastehen kann. Kurze und knackige Ansagen und - zack - kommt der nächste Song. So wie sich das gehört. Einziger Minuspunkt an der ganzen Sache ist, dass die Sängerin Vanessa Anne Redd stimmlich gesehen für die Stücke eher gewöhnungsbedürftig ist. Sprich: Es klingt mit ihr einfach ganz anders, wenn man beispielsweise 'Annie Flies The Love Bomber' oder And Then She Kissed Her' hört. Man kann mir jetzt musikalische Intoleranz vorwerfen, aber so begeistern mich diese Lieder nicht mehr wirklich. Dafür ist 'Albert Is A Headbanger' wie immer toll. Im Publikum wird fleißig mitgemacht und mitgesungen. 'Container Love' beschließt das reguläre Set und die Besucher applaudieren euphorisch. Natürlich gibt es eine Zugabe. 'Kill Your Ideals' avanviert wie gewohnt zur Mitsing-Nummer. PHILLIP BOA kommt vor bis zu den ersten Reihen und klatscht ab. Ein tolles Ende für ein tolles Konzert. Die Fans sind alle zufrieden und natürlich wird noch mehr gefordert, doch dies verhallt leider ohne Erfolg.
Setliste: Bells Of Sweetness, Fine Art In Silver, Speed, Standing Blinded On The Rooftops, Annie Flies The Love Bomber, Deep In Velvet, Death Is A Woman, Love On Sale, Till The Day We Are Both Forgotten, Atlantic Claire, Albert Is A Headbanger, And Then She Kissed Her, Diana, Container Love; Zugaben: This Is Michael, Kill Your Ideals

PHILLIP BOA AND THE VOODOOCLUBWer danach noch nicht müde ist, der kann vor der Parkbühne ein wenig das Tanzbein zur After-Show-Party schwingen. Wir bleiben noch ein wenig, ehe wir den Heimweg antreten, und lassen den Tag Revue passieren. Wie man es mittlerweile bei diesem Festival gewohnt ist, ist die musikalische Qualität der Bands recht hoch. Einen wirklichen "Reinfall" kann man an diesem Tag nicht verzeichnen. Das Wetter hat sich es im Laufe des Tages auch noch überlegt besser zu werden. Von daher war alles gut. Einzig die bereits angesprochene Fülle des Programmes bei den vielen sehenswerten Acts lässt den Besucher ab und an in Hektik verfallen. Ich persönlich würde mir hier ruhig mal längere Pausen wünschen und dafür bei einigen Bands längere Spielzeiten, als den Tag mit zu vielen Kapellen vollzupacken.

Bei der Menge an Menschen ist es für die Musiker auf der Parkbühne und den Zuschauern davor gerade in den Abendstunden nicht mehr wirklich schön. Vielleicht lässt sich hier etwas machen, um für ein wenig Entspannung zu sorgen. Aber alles in allem ist und bleibt es in Deutzen beim NCN einfach nur schick!

Redakteur:
Swen Reuter

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