OPETH und GRAND MAGUS - Hamburg

23.02.2025 | 13:28

15.02.2025, Docks

A Lesson In Perfection. OPETH in absoluter Höchstform!

Da führen einen die Konzertwege jahrzehntelang nicht ins mitten auf der Reeperbahn gelegene Docks, und dann auf einmal gleich zweimal in Folge im Abstand von nur wenigen Wochen. Wie bei dem "Groben Fest" mit der Deutschpunk-Legende SLIME als Headliner Ende Dezember ist auch die heutige Veranstaltung mit OPETH als Hauptact und GRAND MAGUS als Support bereits Monate im Voraus ausverkauft und sorgt somit für eine komplett ausverkaufte Hütte. Auch heute beschleicht mich irgendwie das Gefühl, dass hier unterm Strich wieder mehr Tickets verkauft wurden, als die Lokalität eigentlich tatsächlich fassen kann. Denn die Bar- und Fluretage im hintersten Bereich, von der man die Bühne nur noch schemenhaft erkennen kann und die doch eigentlich als Durchgangsbereich gedacht ist, wird hier von allerhand Menschen, die im eigentlich dafür vorgesehenen Infield wohl keinen Quadratdezimeter mehr ergattern konnten, als Stehfläche genutzt. Gut, dass meine Frau mich zuhause nochmal gefragt hat, wann es denn hier und heute losgeht. "So um acht rum, wie immer bei Konzerten halt" wollte ich schon leicht entnervt zurückraunen, als ich online zur Beruhigung der besseren Hälfte lieber doch noch einmal einen Blick auf die Veranstaltungsdaten werfe. Einlass: 17.30 Uhr, Beginn: 18.20 Uhr. Ui, da müssen die geschäftstüchtigen Betreiber wohl noch eine reguläre Tanz- und Hoppel-Veranstaltung im Anschluss geplant haben, anders kann ich mir diese frühe Anstoßzeit am Samstagabend beim allerbesten Willen nicht erklären. Aber davon mal ganz abgesehen: Hört gefälligst mehr auf eure Partnerinnen und Partner!

So schlagen wir zwar nicht punktgenau, aber mit nur zehn Minuten Verspätung in der Venue auf. Der zeitliche Verzug ist für mich allerdings kein Beinbruch, denn die schwedische Kombo GRAND MAGUS gehört leider so überhaupt nicht zu meinen Lieblingsbands. Seltsam eigentlich, da in Doom getunkter und episch angehauchter Heavy Metal etwas ist, mit dem ich doch grundsätzlich eine ganze Menge anzufangen weiß. Aber ich kann mir nicht helfen, die Songs klingen in meinen Ohren schlicht und ergreifend alle sehr ähnlich bis irgendwie identisch. Auch auf der emotionalen Ebene wollen mich die Songs und Riffs partout nicht erreichen und abholen. Kannste machen nix. Und so plätschern blutleere Songs wie 'Skybound', 'Steel Versus Steel' und 'Untamed' doch eher so nebensächlich an uns vorbei und wir sind froh, dass nach dem letzten Song 'Hammer Of The North' inklusive furchtbarem Mitgröl-Refrain in Union mit einigen gut geölten Stimmen im Publikum, der Spuk nach knapp vierzig Minuten vorbei ist. Dass man es mit solch langweiliger Songkost allerdings bereits auf stattliche zehn Alben bringen konnte, nötigt mir sogleich Respekt als auch irritiertes Unverständnis ab. Den Auftritt haben wir uns im Übrigen im bereits erwähnten hinteren Bereich angeschaut, da die unverschämt lange Garderoben-Schlange zufälligerweise gleich neben uns ihr Ende findet. Der Menschenstau dort hat sich während des GRAND MAGUS-Gigs um sage und schreibe ca. 90 cm verkürzt, so dass wir uns entschließen, die Umbaupause lieber für die Suche nach einem halbwegs guten Platz zu nutzen.

Nach ein wenig Gedränge und damit verbundenen unabsichtlichen Körper- und Schuh-Kontakten, nebst daraus resultierendem Retour-Gezeter einiger unentspannter Leute, sichern wir uns einen Platz im hinteren Drittel mit halbwegs ordentlicher Sicht. Im Gegenzug tun wir dafür aber gut daran, uns im Folgenden auch keinen Quadratzentimeter mehr zu bewegen, da man dem Nebenmenschen schon beim Versuch, sich den eigenen Kopf zu kratzen, wohl unweigerlich gleich mit die Nase brechen würde. Aber dass es hier heute sehr bzw. zu voll ist, habe ich eingangs glaube ich schon erwähnt. Nach guten zwanzig Minuten Umbaupause erlischt nun endlich das Licht und APHRODITE'S CHILDs 'Seven Bowls' erklingt als bekanntes Intro vom Band, während auf den Bühnenscreens die zahlreichen Konterfeis abgebildet werden, die in OPETHs aktuellem Album "The Last Will And Testament", beziehungsweise dem darin erzählten düsteren Familiendrama in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg, wesentliche Rollen bekleiden.

Es ist daher also keine Überraschung, dass die Band gleich mit '§1' in die Vollen geht. Während die ersten Takte erklingen, sinniere ich kurz darüber, wie es die Band nur schaffen konnte, seit über dreißig Jahren mit ihrem komplexen und so gegen den Mainstream-Strich gebürsteten Songmaterial allerorten solch gewaltige Fanscharen hinter sich zu versammeln. Viel vorwerfen kann man der Band nun wirklich nicht, am allerwenigsten aber, sich irgendwie dem Zeitgeist anzubiedern oder Musik für die schnelle Mark zu komponieren (obwohl sie songschreiberisch wohl durchaus dazu in der Lage wäre). Es folgt mit 'Master's Apprentices' eine kleine Zeitreise in das Jahr 2002 und das seinerzeit veröffentlichte "Deliverance"-Album, was erste Haarprachten um uns herum in der stickigen Luft tanzen lässt. Sänger, Gitarrist und Mastermind Mikael Åkerfeldt und seine Mannen verfügen über ausreichend Humor, um danach einfach mal einen der kürzesten Songs des ganzen Universums ever zu covern. Die Rede ist natürlich von NAPALM DEATH' 'You Suffer'. Kann man mal machen, wieso denn auch nicht?

Im Anschluss an jenes heitere Intermezzo wird auch das 2001er-Album "Blackwater Park" mit einem Song bedacht, das ist heute der Album-Opener 'The Leper Affinity'. Der Sound ist, das muss man hier an dieser Stelle jetzt einfach mal erwähnen, sowas von grandios und ohrenprächtig, dass es eine wahre Wonne ist. Gerade das filigrane Bassspiel von Martín Méndez (heute mit Ohrenklappenmütze) sowie das druckvolle und präzise Drumming der finnischen Neuverpflichtung Waltteri Väyrynen (ganz starke Performance!) gewinnt dadurch ungemein. Weiter geht’s in der Setlist mit '$7' vom neuen Opus. Als ob man es nicht schon seit Dekaden wüsste, aber auch hier stehen wir ob der technischen Perfektion aller anwesenden Musiker wieder mit offenen Mündern im großen Rund und fragen uns insgeheim wohl alle: "Warum zur Hölle sind die denn bloß alle so unverschämt gut an ihren Instrumenten"? Åkerfeldt macht in der Songpause indes darauf aufmerksam, dass es wahrlich schlimmer kommen könnte, als an einem Samstagabend eine Venue komplett auszuverkaufen. Überhaupt: Der Mann ist nachweislich niemand, der sich durchgekauter und typisch plumper Ansagen bedient, denn dafür ist er bekanntermaßen viel zu eloquent und schlagfertig unterwegs und trumpft immer wieder mit humorvollen und geistreichen Kommentaren zwischen den Songs auf. Davon dürfen wir uns hier im Laufe des Abends noch das eine oder andere Mal überzeugen. Ich habe OPETH, von ihrem 2017er Auftritt beim Rock Hard Festival mal abgesehen, eine ganze Weile schon nicht mehr live erleben dürfen, meine aber, dass 'Häxprocess' vom famosen "Heritage"-Album nicht gerade eine Nummer ist, die es besonders oft ins Konzert-Set geschafft hat. Das finde zumindest ich hier mal so richtig gut!

Eine immer sichere Bank hingegen ist auch heute wieder das grandiose 'In My Time Of Need' vom wundervoll ruhigen "Damnation"-Album, denn spätestens, wenn gefühlt der halbe Saal inbrünstig die folgenden Textzeilen mitsingt: "And I should contemplate this change / To ease the pain / And I should step out of the rain / And turn away", weiß man: Es gibt im Moment weit und breit keinen besseren Platz, als genau hier zu sein!Das Einzige, was meine Laune derzeit trübt, ist der genau vor mir stehende wohl um die 20 Jahre alte Jungspund, der es für eine ganz tolle Idee hält, jeden Song für ca. eine Minute mitzufilmen, dabei sein vermaledeites Handy aber fast unter die Deckenlichter hält. Smartphone-Verbot bei Konzerten? Ich bin definitiv dabei und würde hier jede entsprechende Petition sofort unterschreiben. Im Folgenden entwickelt sich ein lockerer, seltsam freundschaftlicher Dialog zwischen Åkerfeldt und einem Herrn mittleren Alters mit längeren, blonden Haaren im Publikum. Erst später soll ich erfahren, dass es sich hierbei um keinen Geringeren als Dan Swanö handelt, der seinerzeit das zweite Album "Morningrise" abgemischt und produziert hat. Sachen gibt's. Åkerfeldt gibt noch einige nette Anekdoten aus jener Zeit preis, bevor man folgerichtig das geniale 'The Night And The Silent Water' von eben dieser Platte zum Besten gibt.

Es bleiben heute aber auch wirklich fast keinerlei Wünsche offen. Ein Zuschauer wünscht sich danach aber lauthals 'Black Rose Immortal'. "Haben wir doch schon so oft gespielt", entgegnet der Sänger furztrocken. Außerdem "macht es viel mehr Spaß, den Song zu spielen als ihn zu hören." Ich liebe seinen trockenen Humor einfach. Mit einem weiteren Paragraphen, 'A Story Never Told' vom aktuellen Album sowie 'Ghost Of Perdition' wird das reguläre Set nach guten anderthalb Stunden beendet. Anlass für mich, auch den Mann am Lichtpult und seine Arbeit hier einmal in aller Deutlichkeit zu würdigen. Der Mann versteht sein Handwerk und fabriziert die exakt richtigen Farbkegel zur genau richtigen Zeit. Keyboarder Joakim Svalberg lässt er während einer kleinen solistischen Einlage eindrucksvoll, wie einen Fluchtpunkt im spektralen Gemälde erscheinen. Ganz großes Kino!

Die Luft lässt sich hier mittlerweile in kleine Scheibchen schneiden, was zur Folge hat, dass eine Dame im rechts liegenden Zuschauerbereich kurzerhand mal einfach in Ohnmacht fällt. Glücklicherweise ist medizinisches Fachpersonal aber schnell zur Stelle und nimmt sich der Patientin an. Schon einige Zeit später soll die Frau, Berichten zufolge, aber schon wieder wohlauf und quietschfidel sein, so soll es sein. Die fünf Herren lassen sich dementgegen nicht lange lumpen, und als nach einiger Zeit bunte Pfauenfedern auf der Leinwand erscheinen, ist klar: Es wird noch mal richtig schön proggy im Docks, denn 'Sorceress' vom gleichnamigen Album wird nun in seiner ganzen musikalischen Schönheit dargeboten.Danach wird einfach mal kurz ein Song von EXCITER angespielt. Warum sich daraus dann ein munteres Publikumsgespräch über Teutonen-Metal, die SCORPIONS und Krautrock entspinnt, man weiß es einfach nicht mehr genau. Und als ob das alles noch nicht genug wäre, gibt es als absolutes Sahnehäubchen noch die Göttergabe 'Deliverance' obendrauf. Für viele der Anwesenden (mich eingeschlossen) wohl einer der besten Songs, den die Band je auf Tonträger gebannt hat.

Ein wenig enttäuscht darüber, dass das Konzert jetzt wirklich und unwiderruflich zu Ende sein soll, überwiegt letzten Endes dann doch die Erleichterung darüber, dass ich nun endlich wieder frische Luft schnappen und der drohenden Thrombose mit ein wenig Bein- und Fußgymnastik entgegenwirken kann. Davon abgesehen: OPETH muss unbedingt ganz bald wiederkommen, aber dann bitte: Nicht im Docks!

Die Bildcredits teilen sich dieses Mal die professionellen Knipser Jürgen F. von Time For Metal (GRAND MAGUS) und Wanja Wiese (OPETH), der im Auftrag von Sounds & Books unterwegs gewesen ist. Vielen herzlichen Dank, ihr Lieben, für das Bereitstellen eurer grandiosen Fotos!

Setliste: §1; Master's Apprentices; You Suffer (Napalm Death Cover); The Leper Affinity; §7; Häxprocess; In My Time Of Need; The Night And The Silent Water; §3; Ghost Of Perdition; A Story Never Told; Zugaben: Sorceress; Deliverance


Fotocredits: Jürgen F. und Wanja Wiese

Redakteur:
Stephan Lenze

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