OTTONE PESANTE und OBEY COBRA - HAMBURG
07.12.2024 | 12:2627.11.2024, MS Stubnitz
Zweimal ungewöhnlicher Lärm aufm Schiff.
Ein grauer Mittwoch im Spätherbst in Hamburg. Nur für wenige Menschen führt an diesem Abend der Weg auf das Kulturschiff MS Stubnitz, zweifellos eine der außergewöhnlichsten Konzertlocations, die die Republik zu bieten hat, change my mind. Am Fußweg von der S-Bahn-Station durch eine städebauliche Fehlplanung namens HafenCity und dem typischen Hamburger Schietwetter kann es eigentlich nicht liegen, denn dahingehend sollten die Stadtbewohner und Stadtbewohnerinnen eigentlich Kummer gewohnt sein. Was soll ich da erst sagen, bin ich doch anlässlich des heutigen Auftritts der Italiener OTTONE PESANTE extra aus Berlin angereist.
Eigentlich wollte ich ja auf die erwartbaren Schiffsmetaphern verzichten. Vermutlich ist es aber auch nur Suggestion in Anbetracht des Ambientes, dass der heulende Beginn des Sets von OBEY COBRA wie ein Nebelhorn anmutet. Das Quartett war mir bislang nicht mal namentlich ein Begriff, doch die Waliser Band spielt sich sehr schnell in mindenstens mein Herz, aber bestimmt auch in einige der circa 30 anderen Anwesenden, die trotz ihrer überschaubaren Anzahl Lärm wie einhundert machen. Dass die Musik nicht sofort greifbar und keiner Schublade so richtig zuzuordnen ist, erweist sich bei mir meistens als Pluspunkt. So auch hier und jetzt: Als musikalische Basis identifiziere ich ein Wabern irgendwo zwischen Space- und Post-Rock, verfeinert durch unbequem-heimelige, metallen-industrielle Klänge und noisige Störfrequenzen. Letztere werden von Sängerin Kate, deren leicht schnoddriger Gesang für zusätzliche Kanten sorgt, mittels zweier Synth-Panels durch den Raum gejagt. Und inmitten des ganzen Krachs wird es für einige Augenblicke beinahe post-punkig tanzbar. Die kurze Pause zum gleich aufspielenden Headliner gerät zur Schleudertrauma-Verarbeitung, nur eben in gut.
Frisch sortiert und um circa fünf weitere Nasen angewachen findet sich die (euphemistisch gesprochen) Crowd eine Viertelstunde später wieder vor der Bühne ein. Nach einem kurzen Intro legen die drei wilden Italiener OTTONE PESANTE mit 'Late Bronze Age Collapse', dem rhythmisch-proggigen Opener des jüngsten Werkes "Scrolls Of War" los, dem ersten Konzeptalbum einer geplanten Trilogie über die Geschichte der Blechblas-Musik. Die Besetzung des aufspielenden Trios: Trompete, Posaune, Schlagzeug. Moment mal, Blechbläserei? Ist das noch Metal? Na, aber sowas von! Trotz der kompletten Absenz von Gitarren und Bass beschwört das Trio ein Inferno herauf, bei dem sich so einige Black-Metal-Rumpeltruppen einnässen und wieder in ihren Kellern einsperren würden.
Posaunist Francesco Bucci führt dabei die meiste Zeit sein Instrument als wäre es eine WAFFE – wenn er sich gerade mal nicht um seine eigene Achse dreht oder sonstwie körperlich eskaliert. Wohingegen Trompeter Paolo Raineri für das Fundament sorgt, indem er seiner Tröte regelrechte "Riffs" entlockt. Drummer Beppe Mondini peitscht seine beiden Vordermänner mittels stoisch marschierenden wie gleichermaßen verspielten Grooves bis hin zu Blastbeats voran, versteht es aber auch, sein Instrument gefühlvoll zu streicheln. So wie kurz vor Schluss, als es für ein paar Minuten ruhig wird und in einer Improvisationspassage fast schon verrauchte Jazzkneipe-nach-Mitternacht-Stimmung aufkommt, bevor mit der finalen Gewaltorgie 'Slaughter Of The Slains' noch einmal alles niedergemäht wird.
Text: Markus Eisenbeiner
Fotocredit: Thomas Ertmer
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