Obituary/Samael - Frankfurt
16.01.2006 | 23:3812.01.2006, Batschkapp
Alle bei OBI? Nicht alle Frankfurter, aber immerhin wurden 400 Karten im Vorverkauf vertickt, was auf einen kuscheligen und rauchigen Abend in der Batschkapp schließen lässt. Über eine Stunde vor dem offiziellen Einlass um 19 Uhr tummeln sich schon einige kurzfristig entschlossene Fans, um sich noch Karten an der Abendkasse zu sichern, die mit immerhin 23 Euro recht hochpreisig für Kapp-Verhältnisse angesiedelt sind. Immerhin wurden sie für 18 Euro im Vorverkauf vertickt, was den einen oder die andere davon abgehalten hat, heute zu erscheinen. Festivals hin, Festivals her: Eine Band wie OBITUARY gehört in einen kleinen Club, um voll und ganz mit ihrem groovebetonten Death Metal die Eingeweide der Anwesenden in einer Daubervibration halten zu können. Das ist dem Florida-Fünfer auch gut gelungen, um schon mal ein bisschen vorzugreifen. Aber vorher muss man sich durch zwei Vorgruppen "quälen":
MAROON
Den Anfang machen MAROON, die um Punkt 20.10 Uhr (von einem düsteren Intro eingeleitet) die Bühne betreten. Der red- und spuckselige Sänger verkündet gleich zu Beginn, dass die sympathische Truppe ihren Backdrop in England vergessen hat. Das hat aber auf die Spielfreude der Jungs keinen Einfluss, und so hauen sie im Drei- bis Vierminutentakt einen Song nach dem anderen den Anwesenden um die Ohren. Die Kapp ist für Vorgruppenverhältnisse sehr gut gefüllt, und wo man sich umschaut ist anerkennendes Koppschütteln angesagt. In den vorderen Reihen bildet sich auch schon der erste Moshpit, aber so richtig zur Sache geht's da noch nicht. Ferner werden Komplimente in Richtung Bühne verteilt, was in der weibliche Teil des Publikums in Form von "Drecksau!" an den Sänger adressiert, der sich zugleich dafür bedankt. Apropos Sänger: Irgendwie scheint Andre eine Vorliebe für Spuckspielchen zu haben. Wie sonst lässt es sich erklären, dass er als seinen Kaugummi in die Luft spuckt und immer wieder auffängt, um ihn sich danach wieder in die Kauleiste zu stopfen? Gegen Ende hin rotzen sich die übrigen Bandmitglieder ebenfalls gegenseitig an, was in eine wahre Spuckorgie ausartet. Zum Glück steh' ich dabei nicht vorne. Sogar eine Zugabe wird den Jungs am Ende noch gewährt, womit sie's immerhin auf stattliche 35 Minuten Spielzeit bringen. Um's auf einen Nenner zu bringen: Rotz-Core im wahrsten und besten Sinne des Wortes! Ein guter Anfang, doch wie schaut's mit SAMAEL aus?
SAMAEL
Keine 20 Minuten später legt das Quartett los, und um es vorneweg zu nehmen: Einen Drummer aus Fleisch und Blut kann das Rhythmusgerät nicht ersetzen. Nach einem dschungelmäßigen Intro legt die Truppe auch schon los. Alle vorherigen Aufwärmübungen sind für die Katz, denn hier ist "nur" leichtes Kopfschütteln angesagt. Klar, der eine oder die andere kann auch prima zu den Songs, die allesamt mit einem Dancebeat unterlegt sind, mittanzen. Nur nimmt niemand die Gelegenheit wahr, und so findet die einzige Action auf der Bühne statt. (Naja, vorne links bangen sich schon ein paar eingefleischte Fans einen ab. - Anmerkung v. Carsten) Zwischen den Songs wird schon der obligatorische Höflichkeitsapplaus spendiert - mehr aber auch nicht! Am besten gefällt mir noch Mas (b.), der die Spielfreude in Person ist. Wie schon auf dem Rock-Hard-Festival letztes Jahr grinst er wie ein Honigkuchenpferd vor sich hin und hüpft in bester Funkmanier auf und ab. Der "Drummer" Xy hüpft wie ein Gummibärchen, wobei er ab zu den Beat 64 oder 78 für den jeweiligen Song rauspickt. Während Makro (g.) sich ebenfalls die Seele aus dem Leib bangt, muss man Vorph (v., g.) zugestehen, dass er schon ein unglaubliches Charisma ausstrahlt. (Wer hatte den doch gleich zum hübschesten Mann der Szene gekürt? Der hat ja größere Geheimratsecken als Tolga und ich zusammen. - Augenzwinkernd, Carsten) Warum die Wirkung jedoch auf dem Weg zum Publikum verpufft, liegt vor allem an der eher schwachen Songauswahl. Bei den zwei bis drei schnellen Songs fallen die Reaktionen auch um einiges enthusiastischer aus, aber leider bilden sie eher die Ausnahme als die Regel. Bleibt am Ende ein solider Gig, der bei diesem Billing eher deplaziert wirkt. Warum aber Xy nach 45 Minuten schweißgebadet die Bühne verlässt, ist nicht nur mir ein Rätsel. (Vielleicht wegen der kurzen Drumeinlage, die er einhändig an der neben seinem Keyboard stehenden kleinen Grundausstattung eines Schlagzeugs vollführt. - Carsten)
OBITUARY
Genug Vorspiel gehabt: Jetzt kommen die einzig wahren Death-Metal-Götter! Die Umbaupause von knapp dreißig Minuten geht relativ zackig über die Bühne, und um kurz nach halb elf wird's endlich dunkel. Wahre Begeisterungsstürme gehen vom Publikum aus, und das Regen-Intro lässt auf 'Find The Arise' vom Klassiker "Cause Of Death" hoffen. "Leider" kommt der Opener des aktuellen "Frozen In Time"-Outputs, 'Redneck Stomp', aus den Boxen gewummert. Während die Band sich warmspielt, wird sie regelrecht vom Publikum angefeuert. Nahtlos geht die Truppe in 'On The Floor' über, und ab da gibt es wahrlich kein Halten mehr! Arschtight und ohne große Pausen zwischen den Songs wird der Set runtergerotzt. Eine so geniale Röchelstimme wie John Tardy besitzt kein zweiter auf diesem Planeten. Aber auch seine Bandmates stehen ihm in nichts nach. Allen voran Donald Tardy treibt mit seinem Drumspiel galeerenmäßig die Songs nach vorne. Was für ein Hammergroove! Das sieht das Publikum ähnlich, das nach Tastendrumming von SAMAEL einen Felldrescher aus Fleisch und Blut vorzieht. Einmal pro Minute steigt ein Stagediver auf die Bühne, um sich ekstatisch wieder in die Menge fallen zu lassen. (Einmal pro Minute? Phasenweise herrscht regelrecht Stau auf der Bühne. - Carsten) Was die übrigen Bandmitglieder angeht, so erinnert mich Frank Watkins mit seiner Kurzhaarfrisur an Krist Novoselic (NIRVANA). Nur mit dem Unterschied, dass er einen mördermäßigen Groove draufhat, aber das Stageacting kommt dem von Krist verdammt nahe. Während Trevor "Rübezahl" Peres einen Wettstreit im Böse Gucken veranstaltet, ist Allen West die Ruhe selbst. In stoischer Ruhe haut er seine Soli raus, die in dem arg basslastigen Sound leider ein bisschen untergehen. Und über John "Rottweiler" Tardy noch große Wort zu verlieren, hieße den Death Metal an sich in Frage zu stellen. Der "Sänger" ist Death Metal pur! Wenn sein Gesicht mal zu sehen ist (immerhin verfügt er über eine beneidenswerte Lockenpracht), dann spiegelt sich darin die unsagbare Wut auf alles und jeden.
Mittlerweile hat sich der Innenraum in ein wahres Schlachtfeld verwandelt, aber kaum hat sich das Publikum warmgepogt, da verlassen die Jungs nach 45 Minuten die Bühne. Keine kurze Zeit später kommt Donald zurück, und das Tribal-Intro 'Kill For Me' leitet einen der Highlights von "World Demise" ('Solid State') ein. Leider bleibt es beim einzigen Song aus dem genialen Album und das folgende 'Stand Alone' von "Frozen In Time" beendet nach noch nicht Mal zehn Minuten die zweite Halbzeit. Das lässt aber das Publikum nicht auf sich sitzen und "quittiert" dies mit "Zugabe"-Rufen, muss aber erstmal mit einem Drumsolo von Donald vorlieb nehmen. Das fällt zum Glück recht kurzweilig aus, und in bester Rockstar-Manier steht er immer wieder vom Drumhocker auf, um sich gebührend feiern zu lassen. Danach steht der Tod im Mittelpunkt, denn unmittelbar nach dem Drum-Solo geht's mit 'Lockjaw' weiter, woraufhin'´Till Death' vom "Slowly We Rot"-Album folgt. Und wo wir schon dabei sind, wird das aktuelle 'Slow Death' nachgeschoben um danach mit dem Klassiker 'Slowly We Rot' den Gig gebührend zu beenden. Nach 70 Minuten ist Schicht im Schacht, und spätestens nachdem die Hallenlichter angehen, wird auch den Fans bewusst, dass der O(h)rgasmus sein jähes Ende gefunden hat.
Alles in allem ein guter Gig! Für meinen Geschmack sind zu viele "Frozen In Time"-Songs berücksichtigt worden, aber das Publikum ist einfach nur heilfroh, dass es die Band wieder gibt. Oder um es mit den Worten eines Besuchers nach dem Konzert auszudrücken: "Alter, das ist wie die Kippe nach dem Sex!"
Setlist:
Redneck Stomp
On The Floor
Insane
Chopped In Half
Turned Inside Out
Back Inside
Threatening Skies
By The Light
Dying
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Intro
Kill For Me
Solid State
Stand Alone
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Drum Solo
Lockjaw
'Til Death
Slow Death
Slowly We Rot
- Redakteur:
- Tolga Karabagli