Oceansize - Aschaffenburg

11.11.2007 | 15:17

06.11.2007, Colos-Saal

OCEANSIZE in Aschebersch (liegt zwar in Bayern, aber bei uns in Hessen kennen wir Aschaffenburg nur unter diesem Namen). Fuki, seine Freundin Camille und ich freuen uns schon seit Wochen auf die Jungs aus dem englischen Sheffield. Über ein Jahr ist es her, dass mir die Ehre zuteil wurde, die charismatische Truppe livehaftig zu erleben. Letztes Jahr kannte ich keine einzige Scheibe der Jungs, und trotzdem haben sie mich förmlich umgeblasen. Ob sie's auch dieses Jahr schaffen, die ohnehin schon hochgesteckten Erwartungen zu erfüllen, bleibt abzuwarten.

Vor dem Konzert ziehen wir uns im Subway schräg gegenüber vom "Colos-Saal" jeder einen Dreißiger-Sub mitsamt riesigem Pappbecher Zuckerplöre rein. Bezeichnend, dass ich mein Essen am schnellsten in mich reinmampfe, obwohl ich der Einzige bin, der vorgibt, keinen Hunger zu haben. Wohlgestärkt geht's dann zur Location, um fast eine Stunde auf die Vorband zu warten.

Ich weiß nicht, ob in Berlin HOPESFALL als Vorgruppe zugegen waren, doch hier in Aschaffenburg stehen um Punkt neun SION aus England auf der Matte. Warum sich mein Redaktions-Kollege Kubi die Vorband partout nicht reinziehen wollte, bleibt mir ein Rätsel, denn die Bubis haben's mächtig drauf. Vom Alter her könnten sie glatt die englische Antwort auf STURM UND DRANG respektive TOKIO HOTEL sein. Doch das Quintett rockt! Zwar sind die DREDG- und COHEED AND CAMBRIA-Anleihen nicht von der Hand zu weisen, aber die intensive Darbietung macht die offensichtlichen Parallelen zu den beiden Ausnahmegruppen mehr als wett. Dabei musiziert jeder entrückt in einer anderen Welt, doch alle haben gemeinsam, dass sie wie von der Tarantel gestochen abgehen. Fast könnte man meinen, jeder von ihnen hätte einen Zitteraal in der Hose. Wie ein Blitzableiter wandeln sie elektrische Energie in abgehackte Bewegungen um [ihr habt aber geile Blitzableiter in Hessen! - d. Red.]. Nach dreißig kurzweiligen Minuten bin ich um eine EP (Rezi folgt in absehbarer Zeit) und eine positive musikalische Erfahrung reicher.

Knapp 25 Minuten später kündigt sich die Ankunft des Sheffielder Quintetts an. Dabei weckt das Intro Erinnerungen an die Landung Außerirdischer, was bei so einer Ausnahmecombo wie OCEANSIZE auch kein Wunder ist. Wenn Musikjournalisten bei RUSH der Meinung sind, dass diese überirdischen Musiker von einem anderen Planeten stammen und nicht menschlichen Ursprungs sein können, so trifft dasselbe Attribut auch auf das englische Quintett zu, die von Tyrok 7 direkt auf die Bühne gebeamt werden. Zwar funktioniert das Mikro von Sänger und Gitarrist Mike Vennart zu Beginn nicht, aber nach ungefähr einer Minute hat der Livemischer das richtige Kabel gefunden und die Mikros eingestöpselt (warum zwei Stück davon in der Mitte stehen, bleibt mir ein Rätsel). Tja, und danach herrscht für 100 Minuten pure Magie im "Colos-Saal". Das Geschehen auf der Bühne weckt Erinnerungen an ein Theaterstück oder ein Klassik-Konzert, denn voller Ehrfurcht schweben die Zuschauer in ihrer eigenen Welt und lassen sich von der "Wall Of Sound" gefangen nehmen. In den Songpausen wird höflich applaudiert und während der Songs Bauklötze gestaunt. Eine solche Tightness bekommen die Zuschauer in Aschebersch selten geboten, und so genießen sie diese Musik gewordene Perfektion umso mehr. So spröde die Ansagen und abgespacet die Songtitel, so intensiv die Show. Es ist schwer, die Highlights hervorzuheben, denn das ganze Konzert ist ein einziges Highlight und ein Ohrgasmus im sprichwörtlichen Sinne.

Hinzu kommt die dezente Lightshow, die das eigentliche Ereignis in einem zwar dezimierten, aber dafür umso deutlicheren Licht erscheinen lässt. Dabei wird eines unterstrichen: Die Musik steht im Lichtkegel und nicht die Künstler. Diese spielen sich in einen Rausch und wirken wie aktive Vulkane, die immer wieder ausbrechen, um den Anwesenden harte Gitarrensalven wie Lava um die Lauschlappen zu knallen. Aber auch die Ohrläppchen werden zart gestreichelt, und man weiß in dem Moment nicht, ob das Ganze ein Traum ist oder wirklich über die Bühne geht.

Sehr bezeichnend ist der abschließende Track 'Ornament/The Last Wrongs', denn wenn eine Band es sich erlauben kann, die ersten fünf Minuten ausschließlich "Ahhh" ins Mikro zu singen und trotzdem den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten, dann hat sie's richtig drauf. Der Hammond-Part am Ende des Songs läutet auch schon den Schwanengesang ein, und jedes einzelne Mitglied verlässt nach und nach die Bühne. Natürlich lassen sie es sich dabei nicht nehmen, den Zuschauern zuzuwinken. Mit einer Träne im Knopfloch wird das Ende des Konzerts zur Kenntnis genommen. Als dann das Hallenlicht angeht, kommt es einem so vor, als würde man gewaltsam aus einem wunderschönen Traum gerissen.

Jungs, lasst uns nicht lange warten. Haut wieder eine mindestens so geile Scheibe wie "Frames" raus und kommt zurück auf Tour. Denn auf der Bühne seid ihr wirklich zu Hause. Und wer die Jungs auf dieser Tour verpasst hat, sollte sie sich unbedingt auf der nächsten Gastspielreise geben - egal, welche Form des gitarrenorientierten Rock er oder sie persönlich mag. So was Intensives wie OCEANSIZE bekommt man heutzutage selten geboten.

Setlist:
9/11 Commemorative T-Shirt
Unfamiliar
Remember Where You Are
Trail Of Fire
Savant
Catalyst
Sleeping Dogs And Dead Lions
Women Who Love Men Who Love Drugs
An Homage To A Shame
Long Forgotten
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Paper Champion
Ornament/The Last Wrongs

Redakteur:
Tolga Karabagli

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