Oceansize/Verdena - Karlsruhe
13.06.2006 | 10:3019.05.2006, Substage
Fast hätte ich das Konzerthighlight von OCEANSIZE im Karlsruher Substage verpasst, aber fangen wir von vorne an:
Am Dienstag abend klingelt bei mir das Telefon, und mein Kumpel Fuki fragt mich, ob's mit OCEANSIZE am Freitag klar geht. Ich das Ganze natürlich total verdrängt, weshalb ich bei mir im Studio angerufen habe, um für den Tag noch frei zu bekommen. Schneller als erwartet kommt das Okay, dann heißt es nur noch eine Akkreditierung bekommen, was ebenfalls relativ problemlos abläuft.
Mit Fuki verbleibe ich so, dass er am Freitag gegen fünf Uhr nachmittags von zu Hause los fährt. Da er verschlafen hat (was nach einem sehr stressigen Frühdienst absolut in Ordnung geht) denke ich mir: "Machst dich mal nützlich und bringst den Müll raus." Das mit dem Müll ist auch kein Problem, nur der Sturm, der zu der Zeit in Frankfurt und anderen Teilen der Republik tobt, schon eher. So kommt es, wie es kommen musste: Da ich die Tür bei mir zum Hinterhof geöffnet habe und die Eingangstür auch offen ist, kommt es zu einem ordentlichen Durchzug. Der ist allerdings so heftig, dass die Eingangstür, an der sich drei eher undurchsichtige Glasscheiben befinden, so dermaßen zufällt, dass es zwei der drei Scheiben zerlegt. Zum Glück läuft gerade niemand daran vorbei und die vor der Tür parkenden Autos sind ebenfalls unbeschädigt.
Kaum bin ich mit dem Scherben einsammeln fertig, ist Fuki auch schon da. Nach einer etwas längeren Fahrt nach Karlsruhe kommen wir kurz vor acht am Substage an. Nachdem die Tickets gekauft bzw. die Akkreditierung eingetütet ist, verschlägt es uns zum benachbarten Marktplatz, wo gerade das "Brigande-Feschd" stattfindet. Das rockige Rahmenprogramm ist dort schon im vollen Gange, denn schon in Sichtweite zum Fest erklingt eine mehr als akzeptable Version des FOREIGNER-Klassikers 'Urgent'. Die Coverband ist dabei mehr als wandelbar, was sie durch sehr gelungene Versionen von 'Knockin' On Heaven's Door' (GUNS'N'ROSES {Na, na, das hat immer noch Meister Dylan geschrieben! - d. grinsende Lektor}), 'Sweet Home Alabama' (LYNYRD SKYNYRD) und diversen DEEP PURPLE-Songs ('Black Night', 'Highway Star' und 'Smoke On The Water') hörbar unter Beweis stellt. Da schmeckt das Fischbrötchen, respektive die Wurst, um einiges besser. Ab dem heutigen Tag hab ich aus dem Grund für die "Badenser" einen neuen Namen: "Karlsruhe Rock City"!
So, genug von unseren Es(s)kapaden erzählt, kommen wir zum eigentlichen Grund unseres Besuchs. Bevor ich aber mit dem Bericht loslege, würde ich euch gerne etwas über das Substage erzählen. Der Eingang ist dabei sehr abgefahren und erinnert an eine U-Bahn-Station {Ist auch eine solche ehemalige - wieder der Lektor}. Nachdem man am Eingang vorbei geschlendert ist, geht man direkt auf die Garderobe zu. Links geht es zu den Klos und gleich zu Beginn fällt auf, dass das Substage relativ groß ist. Auf der rechten Seite befindet sich der Merch-Stand und die Location erinnert an einen langen Schlauch. Des Weiteren befinden sich dort Sitzmöglichkeiten und natürlich eine Bar. Der eigentliche Konzertbereich ist durch schwarze, lange Vorhänge abgetrennt. Unmittelbar danach befindet sich das Mischpult und keinen Steinwurf weiter ist die Bühne.
VERDENA
Das italienische Trio VERDENA entert um genau 21.02 eben jene Bühne. Der Name erinnert mich persönlich an eine Gartenmöbelfirma. Optisch passt die Gruppe überhaupt nicht zusammen. Während Roberta (b.) an eine Punkerin erinnert, wirkt Luca (dr.) mit seinem MEGADETH-Shirt wie ein junger Dave Grohl (Ex-NIRVANA, FOO FIGHTERS). Absolutes Highlight ist jedoch Alberto (v.,g.), der mit einem Schlafanzug (!) auf die Bühne wackelt und dabei auch noch so wirkt, als ob er fünf Minuten vor Beginn des Gigs aus seinem Tiefschlaf geweckt worden ist. Umso überraschender ist die Tatsache, dass das Trio musikalisch sehr gut harmoniert. Stilistisch erinnern VERDENA an eine sehr chaotische Mischung aus NIRVANA und SONIC YOUTH, wohingegen in den langsamen Parts PEAR JAM durchschimmert. Obwohl die Wenigsten von der italienischen Gruppe was gehört haben, lassen sie niemanden im Substage kalt. Eher im Gegenteil: Musikalisch ist die Truppe sehr emotional und mitreißend. Allen voran der Bass-Sound hat eine ordentliche KYUSS-Schlagseite und lässt die inneren Organe mitvibrieren. Spätestens ab der Mitte des Sets befindet sich die Besucher in den vorderen Reihen in einer anderen Galaxie. Allen voran der Sänger leidet wie ein Großer, was sich in Form von plötzlichen Kreischattacken und wilden Riffs wiederspiegelt. Irgendwie wirkt das Schauspiel auf der Bühne wie eine Katharsis, das seinen Ursprung in schmerzvollen Leidensphasen hat, die der Sänger bisher durchlebt hat. Gegen Ende des Sets wird PINK FLOYD und LED ZEPPELIN gehuldigt, woran die 'No Quarter'-mäßigen Songstrukturen nicht ganz unschuldig sind. Trotz weniger Ansagen haben VERDENA bei den meisten Besuchern einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sollte man sich auf jeden Fall vormerken.
OCEANSIZE
Keine zwanzig Minuten später kommt der Hauptact dieses Abends auf die Bühne, und wahre Jubelstürme schallen den Protagonisten entgegen. Mikes (v.,g.) Antwort auf diese Jubelarien ist lediglich ein trockenes "Hello", und schon legt das Quintett los. Der Jubel nimmt – allen voran in den ruhigen Parts – keineswegs ab, was aber auch nicht allzu großartig verwundert, drückt einen die geballte Kraft der drei Gitarren förmlich an die Wand. Allen voran Mike ist bestens gelaunt und unterhält in den Pausen mit lustigen Späßen die Menge, die ihm förmlich alles aus der Hand frisst. Während man die Performance VERDENAs mit "Chaos" in einem Wort umschreiben kann, bin ich geneigt, bei OCEANSIZE von "kontrolliertem Chaos" zu sprechen. Klar, auch das Quintett geht recht noisig zu Werke, aber es verläuft dennoch alles in (fast) wohlgeordneten Bahnen. Einen sehr großen Anteil an dieser Tatsache haben die Mantra-artigen Riffs und Beats, die, wie z.B. PINK FLOYD zu Sid Barrett-Zeiten, eine fast schon hypnotische Wirkung ausüben. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer wird, ähnlich wie bei einem schwarzen Loch, automatisch auf die Bühne gelenkt. Und wer sich einmal auf diesen Sogeffekt einlässt, strauchelt schon fast hilflos in fernen Galaxien. Was die Stageperformance der Jungs angeht, so ist der Bassist eher der Ruhepol in der Band, wohingegen sich der Leadgitarrist förmlich ins Nirvana spielt. In den vorderen Reihen gehen die meisten Zuschauer in bester Wackeldackel-Manier bei den harten Parts ab, wohingegen die ruhigen Momente ideal als Soundtrack für einen Sonnenaufgang am Meer geeignet sind.
Im Laufe des Gigs wird's immer mehr schweißtreibend, weshalb die Bandmitglieder nach Handtüchern aus dem Publikum fragen, was natürlich für einige Lacher sorgt. Des Weiteren umweht ein orientalisches Flair das Konzert, was definitiv nichts mit irgendwelchen Wundertüten im Publikum zu tun hat, sondern einzig und allein an der Stimmung liegt, die in die Menge versprüht wird. Hierzu benötigen die Jungs einzig und allein ein paar Sounds und die Stimme von Mike. Des Weiteren verleiht er der Menge den "Most cigarettes smoked in one set"-Award, woran mein Kumpel Fuki mitsamt Freundin und Maggi auch ihren Anteil haben. Aber das ist letzenendes auch egal, denn zum Schweiß gesellt sich eine meterdicke Gänsehaut, welche die dicke Luft mehr als wett macht.
Gegen Ende des Sets geht Mike einzig und allein mit dem Mikro bewaffnet komplett ab. Nach der ultimativen Lobhudelei an die Vorgruppe ist noch Zeit genug für eine Zugabe, was bei den "We want more"-Rufen auch kein Wunder ist. Und so hat die geduldige Menge ein letztes Mal die Möglichkeit, die "Wall of Sound" zu genießen.
Als Resümee kann man sagen, dass OCEANSIZE in ihren ruhigen Momenten an Morgentau erinnern, wohingegen in den harten Parts Erinnerungen an einen Tornado aufkommen, der jeden in seinen Bann zieht. Zwar war der Sound nicht unbedingt der Beste, aber spieltechnisch sind die Jungs an diesem Abend über jeden Zweifel erhaben.
Setlist:
One Day
Homage
Amp
Charm
No Zmaro
Women
Catalyst
Bad Man
Nurse
I/O
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Ornament
- Redakteur:
- Tolga Karabagli