Orchid, Lord Vicar, Sigiriya - Hamburg

13.05.2012 | 23:33

13.04.2012, Marx

Doom am schwarzen Freitag

Es ist Freitag, der 13. und es bitten ORCHID, LORD VICAR, sowie SIGIRIYA zum gemächlichen Tanzbeinschwingen. Was kann es an so einem bedeutungsschwangeren Termin Besseres geben? Da fällt mir tatsächlich sehr wenig ein. Und dieser Ansicht sind wohl noch ein paar weitere Damen und Herren aus der Welt der Schlaghosen und Backbärte, denn das Marx zu Hamburg ist rappelvoll. Sehr fein, auch wenn 19 Euronen nicht gerade als Schnäppchenpreis durchgehen. Egal, wenn man die musikalische Klasse der beiden Hauptbands im Ohr hat. Zur dritten Truppe habe ich im Vorfeld noch keine Meinung, da ich noch keinen einzigen Ton von dem Quartett kenne.

Gespannt warte ich auf den Auftritt der ehemaligen ACRIMONY/IRON MONKEY-Truppe namens SIGIRYA. Die Jungs um den ZZ-TOP-Gedenkbart-Gitarristen Stuart O'Hara wirbelt schnell mächtig Staub auf mit ihrem Stoner-Rock, der mir aber zu dröge klingt. Gerade Stuart vermag mich aber mit seiner ekstatischen Gezappel und seiner Gesichtsakrobatik blendend zu unterhalten, so dass die 50 Minuten Spielzeit wie im Fluge vergehen, obwohl ich keinen Song kenne. Man merkt der Band den Spaß an der Sache zu jeder Sekunde an, lediglich die gebotene Stilistik ist nicht so ganz mein Terrain. Shouter Dorian Walters ist ein toller Frontmann, rattert mit seinem wütenden Gesangstil aber haarscharf an meinem Gutfinderohr vorbei. Nichtsdestotrotz ein kurzweiliger Auftritt, der sehr wohlwollend von der Menge aufgenommen wird.

Nach einer kurzen Verschnaufpause entert der finnische LORD VICAR die Bretter und sofort merkt man einen Anstieg des Stimmungsbarometers im Publikum. Die Truppe um den ehemaligen REVEREND-BIZARRE-Gitarristen Kimi Kärki lässt es auch von Beginn an richtig scheppern. Mit einer weitaus metallischer ausgerichteten Doomkeule galoppieren die vier Kauz-Musikanten mit Volldampf in die Herzen der Zuschauer. Es bildet sich schon beim ersten Song ein faustschwingender Pulk vor der Bühne, der bis zum Ende des Gigs immer größere Wellen schlägt. Es ist aber auch ein Vergnügen den Jungs zuzuschauen. Beim epischen 'The Last Of The Templars' gibt in den ersten Reihen überhaupt kein Halten mehr. Völlige Ekstase zeichnet sich auf vielen Gesichtern ab und wie im Rausch werden Luftgitarren geschwungen. Eine magische Atmosphäre liegt in der Luft. Chritus agiert gewohnt staksig und hat dadurch eine faszinierende Ausstrahlung, die fesselt und mitreißt. So wünsche ich mir die optische Umsetzung solcher Musik. Basser Jussi "Iron Hammer" Myllykoski scheint das ähnlich zu sehen, denn seine Mimik, wie auch der liebevoll-rabiate Umgang mit seinem tief getönten Baby sind mehr als sehenswert. Das gibt Preise in der Rubrik "böse gucken für Fortgeschrittene". Geschickt werden Songs beider bisherigen Alben gespielt, wobei man keinen Qualitätsunterschied zwischen den Nummern ausmachen kann. 'Signs Of Osiris Slain' wird abgefeiert wird ein steinalter Klassiker. Melodien für Millionen eben. Drummer Gareth Milsted vergewaltigt mit einer Lässigkeit, die ihresgleichen sucht, seine Fellmaschine und grinst dabei die ganze Zeit wie das so genannte Honigkuchenpferd. Sympathisch. Beim abschließenden Viertelstünder 'The Funeral Pyre' steht die Halle dann noch mal komplett Kopf und man ist noch nach den letzten Klängen wie in Trance. Alle sind sich einig: "Das war großartig".

Nun liegt es an den hoch gelobten Kaliforniern ORCHID dies noch einmal zu toppen. So toll ich die Band auf Konserve finde, so skeptisch bin ich jetzt doch, wie das in die livehaftigen Umsetzung aussehen wird. Aber bereits 'Sons Of Misery' von der EP mach klar, dass die Jungs ihr Handwerk aus dem Eff-Eff beherrschen. Und sofort wird klar, dass man die stilistische Bandbreite des Doom-Genres kaum besser ausmachen kann als nacheinander LORD VICAR und ORCHID zu genießen. Während der Lord fies und grimmig mit der Metalaxt um sich schlägt und dabei garstig drein schaut, fluffen ORCHID mit frisch geduschten Locken, Hippieoutfit und psychedelischen Klängen über die Bretter. Man könnte jetzt meinen, dass das demnach eine völlig andere Musikwelt sein müsste. Ist es aber nicht. Schnell kommen Gedanken an sehr frühe Auftritte der Urväter BLACK SABBATH, von denen wir natürlich etliche Zitate hören dürfen, in den Sinn, ohne dass ich diese in ihren Anfangstagen jemals gesehen habe. Der ORCHID-Gig ist wie eine Zeitreise. Die Truppe versprüht einen unglaublichen Charme, ist extrem selbstbewusst und blind aufeinander eingespielt. Man weiß die ganze Zeit nicht sicher, ob die Jungs sich mehr oder weniger spontan zu einer Jamsession getroffen haben oder ob die Akkordfolgen geplant sind. Natürlich ist Zweiteres der Fall, aber die Leichtfüßigkeit, mit der hier aufgespielt wird, ist schon beeindruckend. Da ist es völlig gleichgültig, ob man mit 'Eastern Woman' zackig nach vorne rockt oder ob man sich im episch-verrauchten 'He Who Walks Alone'  ins Nirwana strudelt. Während Strahlemann Keith Nickel am Bass wie ein Zappelphilipp in Trippelschrittchen über die Bühne zwirbelt, keult sich Mark Thomas Baker Minute für Minute tonnenschwere Riffs aus dem Handgelenk. Baumfäller Carter Kennedy beackert dazu mit eleganter Wucht sein Kit, während Theo Mindell immer wieder an Jim Morrison erinnert. Die beiden neuen Nummern 'Saviours Of The Blind' und 'Mouth Of Madness' werden als knusprige Appetithappen zum nächsten Album in den Set eingebaut und lassen das Wasser in der Ritze köcheln. Das wird wieder ein Gaumenschmaus. Nach gefühlten zehn Minuten, die sich nach einem erstaunten Blick auf das Zeitmesser als 70 Minuten entpuppen, ist leider schon Schluss.

Ein superber Abend. Bitte bald wieder.

Redakteur:
Holger Andrae
2 Mitglieder mögen diesen Konzertbericht.

Login

Neu registrieren