Orphaned Land, Myrath, Arkan, Artweg - München

23.12.2011 | 13:00

04.12.2011, Backstage

Ein orientalischer Abend in München. Erstmals touren drei Metalbands aus exotischen Ländern durch Europa. Da sind als Headliner ORPHANED LAND aus Israel, MYRATH aus Tunesien und ARKAN aus Frankreich, deren Musiker aber orientalische Wurzeln haben.

Doch bevor es losgehen kann, und während ich noch am Eingang warte, dürfen die Franzosen ARTWEG ran. Ob das jetzt notwendig war, lasse ich mal offen, denn drei Bands sind ja schon genug für einen musikalisch angemessen langen Abend. Zumal ARTWEG mit dem Orient grad gar nichts am Hut haben: sie sind wild, hardcorig, haben einen schwarzen Sänger, der ganz schon Kraft in den Lungen hat, passen aber so gar nicht in den fürderhin gepflegten Stil. Crossover Deathcore mit französischen Ansagen vor etwa 40 Leuten. Die Band müht sich redlich, aber sie haben heute keine Chance. Der Sound ist so undifferenziert, dass man aus dem Gitarrenlärm nicht mal mit Mühe ordentliche Strukturen heraushören kann, und das Gebrülle der Frontleute - ja plural, da gibt es noch einen, diesmal einen Weißen - macht jegliche eventuell doch durchschimmernden Nuancen zunichte. Da ich zu der Musik nicht viel sagen kann, außer dass sie sicher besser in die Neunziger gepasst haben, halten wir positiv fest, dass der Enthusiasmus der Musiker beinahe

ansteckend war und sie sich später als offene, freundliche Zeitgenossen entpuppten, auch wenn ihr Ansagen in französischer Sprache ein paar Fragezeichen hinterlassen. Und dass ich ihr Album durchaus mal anhören würde.

Dann aber geht es los. Das Backstage hat sich auch etwas gefüllt, aber Sonntag Abend ist in München wohl nicht gerade der Ausgehtag. ARKAN haben gerade mit "Salam" ihr zweites Album veröffentlicht, und da ich das Debüt "Hilal" sehr schätze, bin ich gespannt. Das Album selbst erwerbe ich erst hier am Merchandise-Stand, wo mit 17 Euro für eine CD auch ein durchaus stolzer Preis verlangt wird. Im Mittelpunkt steht natürlich das neue Album, und "Hilal" wird nur durch die Titel 'Tied Fates' und 'Groans Of The Abyss' vertreten, aber das ist verständlich. Vor allem, da die Spielzeit mit 30 Minuten nicht gerade üppig geraten ist. Die 20 Minuten ARTWEG hätte ich lieber ARKAN zugeschlagen gesehen.

Was schon andeutet, dass die Band trotz eines auch hier recht schwachen Sounds ihr Sache sehr überzeugend macht. Von den Bands des heutigen Abends haben ARKAN die geringsten orientalischen Parts, nur in 'Deus Vult' und 'Beyond Sacred Rules' wird der heimatlichen Musiktradition offen gefrönt, wobei alle Arten von außergewöhnlichen Instrumenten und auch alle Keyboards vom Band kommen. Bei diesen Einsprengseln kommt besonders Frontfrau Sarah Layssac zur Geltung, die neben klarem Gesang auch einige Posen beisteuert, die Eindruck machen und durch das richtige Licht den Fotografen ein paar schöne Motive bieten. Zumal sie auch noch eine wirklich hübsche Frau ist, so dass visuell ARKAN ganz sicher zu den Gewinnern des Abends gehören. Trotzdem würden sie am Ende nur Bronze einfahren, was neben dem nicht optimalen Sound aber eher an der Güte der anderen Bands liegt.

 

Am meisten freue ich mich heute auf MYRATH aus Tunesien. Die Afrikaner, die bei uns auf dem Monatstreppchen des Monats Oktober 2011 gelandet sind, hatten es mir bereits seit ihrem Debüt "Hope" angetan. Dass sie mittlerweile noch zwei Alben nachgeschoben haben, die selbiges locker noch toppen können, macht natürlich neugierig. Übrigens gibt es ein paar Details zur Band bereits hier, so dass ich die

Historie jetzt mal weglasse. Auch bei MYRATHs Setlist liegt das Hauptaugenmerk auf dem aktuellen Album, so dass von acht Stücken gleich sieben dem Drittwerk "Tales Of The Sand" entstammen. Eine Dreiviertelstunde lang dürfen MYRATH den mittlerweile geschätzten 120 Anwesenden eine großartige Progressive Metal Show bieten, die in Sachen Spielfreude alle anderen Bands in den Schatten stellt.

Frontmann Zaher Zorgati ist dafür hauptsächlich verantwortlich. Seine Stimmt ist live in der Tat um keinen Deut schwächer als auf den Alben. Kraftvoll, melodisch und völlig ohne sichtbare Anstrengung kommen die Gesangslinien und reißen den ganzen Saal mit. Eine einfache Lichtshow unterstützt die Tunesier, aber die Begeisterung beruht einzig und allein auf den Musikern und den eingängigen Kompositionen, eingängig zumindest für eine Prog-Band. Jeder Song wird gefeiert, Gitarrist Malek Ben Arbia stellt sich ein ums andere Mal ins Rampenlicht und wird mit frenetischem Applaus belohnt, aber auch Bassist Anis Jouini soll nicht unerwähnt bleiben. Virtuos macht er mehr, als nur zuunterstützen. Leider bleiben auch bei dem jetzt sehr guten Sound - ein Vorteil, der den beiden letzten Bands des Abend einen uneinholbaren Vorsprung vor den beiden Openern beschert - solche Details oft ungehört. Aber wenn ich mal mein Augenmerk gezielt auf Z.Z. lege, bleibt mir der Mund offen stehen.

Großartige Musiker mit klarem Sound, echten Keyboards, was natürlich den Sound auch etwas einfacher macht, tolle Backgroundchöre, bei denen sich Keyboarder Elyes Bouchoucha hervortut, und ein sehr sympathisches, offenes Auftreten: MYRATH haben heute ganz sicher viele Fans gewonnen. Bleibt nur eine Frage: Wer hat versucht, ihnen ein paar Worte deutsch beizubringen und dabei solchen Blödsinn verzapft, dass Zaher zum besten gibt: "Deine Mutter heißt Helmut und zieht LKWs auf"? Er hat natürlich die Lacher auf seiner Seite.

ORPHANED LAND sind für mich die Zugabe, nachdem die Band, auf die ich am meisten gespannt gewesen war, für hemmungslose Begeisterung gesorgt hatte. Ich mag die Israelis sehr gerne, habe bislang aber über ihre Auftritte eher gemischte Äußerungen vernommen, so dass ich mich auf alles gefasst mache. Immerhin, bald kann ich es selbst beurteilen. Die Band betritt die Bühne und Sänger Kobi Fahri scheint vergessen zu haben, sein Nachthemd gegen Bühnenkleidung zu tauschen. Das kenne ich schon von Fotos, aber hübscher wird es dadurch auch nicht. Zur Aufklärung derjenigen, die die Band zum ersten Mal sehen, stellt er klar: "I am not Jesus!" Ach so, dann ist es ja gut. Mit einem Trio von den letzten beiden Alben eröffnet ORPHANED LAND das Set und erntet mehr als höflichen Applaus. Das ordentlich vorgewärmte Publikum ist gut aufgelegt und macht trotz des recht schwachen Besuchs anerkennend Lärm. Nur ist der Headliner weniger Musik zum Mitgehen, sondern oft bewusst nachdenklicher und vertrackter, und dass sich die Show häufig auf Videoeinspielungen stützt, bildet eine weitere Hürde zwischen Band und Publikum.

Aus der siebzigminütigen Setlist ragt neben dem ruhigen, wunderschönen 'Ocean Land’ vom Album "Mabool" der Opener des letzten Werkes "The Neverending Way Of The OrWarrior" 'Sapari' heraus. Das liegt natürlich an dem eingängigen Mitsingchorus und dem tanzbaren Rhythmus, aber auch an dem Auftritt einer libanesischen Bauchtänzerin, die beim männlichen Teil des Publikums für Begeisterung sorgt. Bauchtanz goes Metal, Headbang-Einlagen neben ästhtischem Hüftschwung. Eine sehr gelungene Einlage! Zu dem Song 'The Path, Part 1: Treading Through Darkness' kommt noch einmal MYRATH-Sänger Zaher Zorgati auf die Bühne und schmettert den Song im Duett mit Kobi. Ich muss es leider erwähnen, der Tunesier ist in der Tat der bessere Sänger. Hier wird es deutlich. Dieses Duett bildet den Hintergrund für eine Ansage, die den Geist dieser Tour verdeutlicht. Es sind nämlich Juden, Moslems und Christen auf dieser Tour, Menschen aus Israel, Tunesien, Marokko, dem Libanon und den Niederlanden. Aber Kobi stellt klar: "We share the best religion in the world: Music!"

Noch ein paar Songs, drunter auch der eine oder andere Song von den frühen Alben "El Norra Alila" und "Saharra" inklusiver zweier Zugaben, und die Band beendet den Abend gegen 23.30 Uhr. Ich durfte einen tollen Abend voller außergewöhnlicher Musik erleben, mit drei Bands, die sich ausgezeichnet schlugen. Es ist schade, dass heutzutage betont werden muss, dass Menschen verschiedenen Glaubens auch friedlich zusammen unterwegs sein können, aber das Statement, dass diese Tour neben der musikalischen Qualität darstellt, ist trotzdem oder gerade deswegen ein willkommenes. Es ist schade, dass sich nur so wenige haben blicken lassen, auch wenn nebenan gerade MONSTER MAGNET spielten, was vielleicht den einen oder anderen eher in die größere Halle gezogen hat. Aber so bleibt als Fazit: ARKAN würde ich gerne nochmal mit besserem Sound sehen und hören, ORPHANED LAND waren sehr unterhaltsam und MYRATH waren phantastisch. Ein echter Tipp, denn geheim sind sie hoffentlich jetzt nicht mehr!

 

Redakteur:
Frank Jaeger

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