PARKWAY DRIVE, THY ART IS MURDER und THE AMITY AFFLICTION - Stuttgart

08.10.2025 | 13:31

04.10.2025, Hanns-Martin-Schleyer-Halle

Down under!

Ein australisches Metalcore-Trio der Extraklasse in der Stuttgarter Schleyerhalle – die Vorzeichen für diesen Abend stehen ganz klar auf Superlativ. Mit THE AMITY AFFLICTION, THY ART IS MURDER und PARKWAY DRIVE haben sich drei Schwergewichte des Kontinents zusammengetan, um Europas Arenen zu erobern.

Doch mit der Größe der Hallen wächst auch die zentrale Frage des Abends: Kann eine perfekt durchchoreografierte Show mit massivem technischen Aufwand noch die rohe, ungestüme Energie transportieren, die das Genre eigentlich auszeichnet?

Schon zu Beginn des Abends fällt auf, dass die Stuttgarter Schleyerhalle heute nicht ganz ausverkauft ist. Besonders auf den Rängen klaffen einige Lücken, was der Vorfreude im gut gefüllten Innenraum jedoch keinen Abbruch tut. Den Reigen des australischen Tour-Packages eröffnet THE AMITY AFFLICTION mit einer akademischen Verspätung von etwa zehn Minuten. 

Nachdem ich die Band bereits mit einem ähnlich soliden Auftritt auf dem Summer Breeze 2024 erlebt habe, ist meine Freude groß, sie hier wiederzusehen. Auch heute liefert die Gruppe einen melodisch überzeugenden Auftritt ab, bei dem vor allem der stimmlich starke Klargesang der beiden Gitarristen heraussticht. Bei der Songauswahl beweist die Band ein gutes Händchen und präsentiert eine bunte Mischung aus ihrer gesamten Diskografie, die bei den Fans sichtlich gut ankommt. Mit einem erwartbaren Standard-Set macht THE AMITY AFFLICTION nichts falsch, agiert auf der Bühne allerdings auch recht statisch. Ein gelungener Auftakt, von dem ich gerne noch mehr gehört hätte.

Setliste: Pittsburgh; Like Love; Drag The Lake; All That I Remember; All My Friends Are Dead; Death's Hand; I See Dead People; It's Hell Down Here; Soak Me In Bleach

Auch THY ART IS MURDER lässt das Publikum im Anschluss zehn Minuten länger warten. Musikalisch verkommt der Auftritt für meinen Geschmack leider schnell zu einem undifferenzierten Brei aus Gegröle und Gedresche. Überraschende Spuren von Melodie blitzen nur dann kurz auf, wenn Screamer Tyler Miller seinem Organ eine seltene Pause gönnt. Die Setliste konzentriert sich dabei merklich auf das neuere Material der Band, insbesondere vom Album "Godlike". 

Die Bühnenshow gestaltet sich ähnlich minimalistisch wie bei den Vorgängern, wobei der Frontmann sich auf Posen beschränkt und senkrechte Lichtstreifen für die visuelle Untermalung sorgen. Einziges kurioses Detail: der Jägerhut auf dem Kopf des Schlagzeugers ab dem dritten Song. Man muss der Band jedoch zugestehen: Auch wenn die Musik bei mir nicht zündet, gelingt es ihr mühelos, das Publikum zu begeistern und zu mehreren Circle Pits zu animieren.

Setliste: Blood Throne; Fur And Claw; Death Squad Anthem; Join Me In Armageddon; Slaves Beyond Death; Holy War; The Purest Strain Of Hate; Keres; Puppet Master

Nach einer Umbaupause, die eine massive Bühnenkonstruktion enthüllt, wird klar: PARKWAY DRIVE, der Headliner des Abends setzt auf ein Spektakel für die Augen. Die Bühne wird von einem riesigen Metallrahmen eingefasst, in dem auch der massive Schlagzeug-Käfig untergebracht ist. Zu Beginn der Show wird diese Konstruktion in eine dominante weiße Lichtshow getaucht. Der erwähnte Käfig sorgt später für einen der spektakulärsten Momente, als er sich mitsamt dem Schlagzeuger um die eigene Achse dreht. 

Dieser ist dabei in einem etwa 45-Grad-Winkel nach vorne ausgerichtet, was zur Folge hat, dass zwar der Großteil des Publikums eine gute Sicht hat, die komplette linke Seite der Halle – inklusive der Pressetribüne – aber praktisch leer ausgeht. Eine fragwürdige Designentscheidung. Neben diesem umstrittenen Highlight wird die Show von einem zentralen, beweglichen Steg dominiert, der immer wieder von der Decke herabgelassen wird. Passend dazu fährt die Band von Beginn an das volle Programm aus massivem Pyro-, Funkenregen- und CO2-Einsatz auf und lässt keine Zweifel daran, wer hier das Sagen hat.

Sänger Winston McCall ist dabei der unumstrittene Zeremonienmeister. Er agiert extrem energiegeladen, ist ständig in Bewegung und nutzt den vorderen Steg für eine intensive Interaktion mit den Fans. Zwischen fast jedem Song sucht er den Kontakt zum Publikum, betont die Bedeutung der gemeinsamen australischen Herkunft aller Bands und heizt die Menge unermüdlich an. Bei manchen Liedern wird er dabei noch von einer Horde Tänzerinnen unterstützt. 

Der Rest der Band agiert im Vergleich dazu deutlich zurückhaltender, die Gitarristen beschränken sich meist auf Posen, während der Bassist erhöht im Hintergrund platziert ist. Ein frühes Highlight ist 'Idols & Anchors', bei dem McCall kurzerhand in die Mitte des Publikums wechselt, um den Song umgeben von einem Circle Pit zu performen, bevor er sich von der Menge zurück zur Bühne tragen lässt.

Für 'Boneyards' erhält PARKWAY DRIVE prominente Unterstützung von Joel Birch und Ahren Stringer von THE AMITY AFFLICTION, die für zusätzliche Härte sorgen. Als weiteren Höhepunkt spielt die Band ein ausgedehntes Mashup der härtesten Songs ihres Debüt-Albums "Killing With A Smile", was die Moshpits noch einmal ordentlich fordert. Allerdings scheint die schiere Länge und die hohe Dichte an Breakdowns die Energie im Publikum gegen Ende etwas zu dämpfen. 

Gegen Ende des Sets wird es bei 'Chronos' dann noch einmal atmosphärisch, wenn ein Streicher-Ensemble (Violinen und Cello) mit dem Steg auf die Bühne gelassen wird und den Song mit einem ausgedehnten Instrumental veredelt.

Visuell eindrucksvoll wird es bei 'Darker Still', als das Bandlogo in Flammen über der Band erstrahlt, bevor das Set mit 'Bottom Feeder' nach einer klassischen Publikumsanimation und den finalen Krachern 'Crushed' und 'Wild Eyes' zum Ende kommt.

Trotz der grandiosen Produktion und der guten Stimmung bleibt die ganz große, rohe Eskalation, die man von der Band hätte erwarten können, an diesem Abend aus. Auch stimmlich zeigt Winston McCall gegen Ende des langen Sets nachvollziehbare Schwächen. So bleibt der Eindruck einer perfekt durchchoreografierten, visuell überwältigenden Show, die aber vielleicht ein wenig auf Kosten der ungestümen Energie früherer Tage geht.

Setliste: Glitch; Prey; Carrion; The Void; Soul Bleach; Vice Grip; Dedicated; Idols And Anchors; Boneyards; Darker Still; Bottom Feeder; Chronos; Crushed; Wild Eyes

Ein Abend mit drei australischen Bands, der von musikalischer Finesse bis zur bombastischen Arena-Show eine enorme Bandbreite bietet, aber auch deutliche Schattenseiten aufzeigt. Der klare musikalische Sieger des Abends ist für mich THE AMITY AFFLICTION. Die Band liefert einen grundsoliden und melodisch überzeugenden Auftritt ab, bei dem man die gewohnt zurückhaltende Bühnenshow als Opener gerne verzeiht.

Ganz anders das Bild bei THY ART IS MURDER, die für mich einen persönlichen Totalausfall darstellt. Weder die Musik noch die minimalistische Show kann bei mir zünden, auch wenn man der Band zugestehen muss, dass sie einen beachtlichen Teil des Publikums für sich gewinnen kann.

Und dann ist da noch PARKWAY DRIVE. Man kann es nicht anders sagen: Was die Australier hier an visueller Produktion auffahren, setzt in der Szene Maßstäbe. Die Show ist von vorne bis hinten perfekt durchgeplant und überwältigt mit ihrer schieren Größe, dem massiven Pyro-Einsatz und den technischen Spielereien. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Die Kehrseite ist eine Atmosphäre, bei der die rohe Energie von der riesigen Halle und der perfekten Choreografie beinahe verschluckt wird. Wenn dann noch enttäuschende stimmliche Schwächen bei Winston McCall und eine – zumindest von meinem ungünstigen Platz auf der Pressetribüne aus – wirklich mangelhafte Soundqualität hinzukommen, trübt das den Gesamteindruck erheblich.

Unter optimalen Bedingungen hätte dies eine absolute Top-Show sein können: mit einem erholten Sänger, einem besseren Sound und einem Platz unten im Moshpit, mit vermutlich beträchtlich intensiverer Stimmung. Daher gibt es trotz der deutlichen Kritik eine Empfehlung für diese Tour, verbunden mit der Hoffnung, dass die Rahmenbedingungen bei den nächsten Stopps vielleicht besser sind – und die Hallendecke hoch genug für jene Pyro-Effekte von der Brücke, die in den Promovideos so prominent gezeigt werden, für die die Schleyerhalle jedoch zu niedrig ist.

Text und Photo-Credit: Noah-Manuel Heim

Redakteur:
Noah-Manuel Heim

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