PRO PAIN, CARNIVORE A.D. - Essen

04.07.2023 | 15:17

21.06.2023, Turock

Ein Wasser, bitte

Heiß, heißer, ein 2023er Juni-Abend im Essener Turock. Hätte ich im Vorfeld gewusst, welch glühend heißer Abend der heutige mit PRO-PAIN und CARNIVORE A.D. werden würde, hätte ich einen Wasserkanister oder die mobile Klimaanlage mitgebracht. Das Turock ist immer gut für sehr denkwürdige, großartige Konzerte und sollte auch heute davon nicht abweichen. Denn trotz dieser Affenhitze geben sich mit PRO-PAIN und CARNIVORE A.D. nebst FLEISCHWOLF als Support an diesem Mittwochabend absolute Szene-Schwergewichte die Ehre.

Zugegeben, ich hatte vor einigen Jahren große Angst um Gary Meskil und PRO-PAIN, als er im Juli 2017 mit einem Eispickel attackiert und ausgeraubt wurde. Die Bilder, die er dann veröffentlichte, sahen schlimm aus und ich befürchtete das Schlimmste um meine Hardcore-Heroen. Doch der PRO-PAIN-Mainman hat sich von dem Angriff gut erholt und obwohl die Band seit 2015 kein neues Album mehr veröffentlicht hat – sehr untypisch für die New Yorker – ist mit PRO-PAIN definitiv wieder zu rechnen. Darum stand es außer Frage, ob ich heute den weiten und warmen Weg in die Essener Innenstadt antreten würde, um die Jungs mit CARNIVORE A.D. im Gepäck zu sehen.

Leider verpasse ich die sympathischen Jungs von FLEISCHWOLF ob meiner doch schwierigen Anreise durch den Feierabendverkehr rund um Essen zum Großteil, sodass ich nur noch die letzten Minuten ihres Arschtritt-Gigs mitbekomme und schon beim Eintreten in das altehrwürdige Turock von einer Hitzewand der ersten Güte begrüßt werde. Wenn schon jetzt der Schweiß von der Decke tropft, dann kann der Abend äußerst spannend werden. FLEISCHWOLF zumindest, das sieht man an den entspannten, vom rotzigen MOTÖRHEAD-Charme entzückten Gesichtern im Publikum, dürfte am heutigen Abend ein paar Fans hinzugewonnen und heute alles richtig gemacht haben. Zumindest beeindruckt mich das, was ich letztendlich doch sehen kann, ziemlich, denn die Band hat Rotz, Groove, Feuer und Eier und genau das macht unheimlich viel Freude. Ich beiße mir noch immer in den Hintern ob der verpassten Minuten, doch umso freudiger ist die recht kurze Umbaupause, ehe CARNIVORE A.D. zur Tat schreitet.

Und wie geschmackvoll man einer großen Band wie CARNIVORE Tribut zollt ohne als bloßer Abklatsch zu gelten, zeigen heute die 60 Minuten, in denen CARNIVORE A.D. ein authentisches Hit-Feuerwerk par excellence vom Stapel lässt. Die Temperaturen gehen zwar noch mehr in die Höhe, was das Essener Publikum jedoch nicht davon abhält, die Herren Marc Piovanetti, Louie Beato sowie Baron Misuraca und Joe Branciforte lautstark abzufeiern. Mit sehr viel Applaus zu würdigen. Die Kehlen schreien mit, die Fäuste werden in die Lüfte gereckt und geballt und als superb auftrumpfender Co-Headliner haben die Jungs heute leichtes Spiel, das Publikum für sich zu gewinnen. Richtig, da steht zwar nicht Lord Petrus Steele himself auf der Bühne, doch die Fleischfresser aus New York City behandeln das Vermächtnis Steeles mit viel Respekt. Dazu kommen ein sehr guter Sound, eine Bühnenpräsenz, die vor Kraft und Energie nur so strotz, sowie Stücke der Marke 'Carnivore', 'Jesus Hitler' und 'World Wars III & IV' oder auch 'God Is Dead' und 'Race War', die – und hier wären wir wieder beim Thema – sehr geschmack- und gehaltvoll zum Besten gegeben werden. Beide Daumen hoch für CARNIVORE A.D. und eine durch und durch tolle Darbietung großer Taten.

Und nun – Spannung und Temperaturen steigen in die Höhe – kehren endlich Meskil und PRO-PAIN auf die heiligen Bretter des Turocks zurück, um ihren Groove, ihre Tightness sowie ihre Machtdemonstration anständig zu vertonen. Ich habe es in den letzten Jahren stets verpasst, die Hardcore-Legende aus den Staaten live mitzubekommen, doch heute ist es soweit und das Quartett zeigt sich in bemerkenswerter, souveräner Form. Es wird gemosht, gepogt, es ist Bewegung in der Bude, obwohl das Turock einem Backofen gleicht. Doch nichtsdestotrotz kann man nicht anders, wenn 'Unrestrained', 'Three Minutes Hate', 'Stand Tall' und 'Sucks To Be You' gleich zu Beginn ins Publikum gepfeffert werden. PRO-PAIN ist eine Maschine und Meskil lässt lieber Mucke anstatt Worte für sich sprechen, obwohl er sichtlich glücklich ist, auch wieder in Essen auf der Matte zu stehen.

Weiter im Hardcore-Text geht es mit 'Neocon', 'No Way Out' und dem Titelstück der 2015er Scheibe "Voice Of Rebellion". PRO-PAIN zockt sich einmal quer durch die eigene Diskografie, hat ein brutales Sammelsurium halsbrecherischer Riffs, mörderischer Grooves und brutaler Nackenbrecher im Gepäck, sodass auch meine liebste PRO-PAIN-Platte "The Final Revolution" zumindest mit 'Deathwish' gewürdigt wird, ehe es mit 'In For The Kill', 'Fuck It' und 'Draw Blood' wieder in den Jahren zurück geht. Und bevor weitere Biester mit 'The Beast Is Back' und 'State Of Mind' den Zugabenteil schmücken, sorgen das MAX FROST & THE TROOPERS-Cover 'The Shape Of Things To Come', sowie der 'Shine'/'Make War (Not Love)'-Doppelkracher für eine ausgelassene Stimmung, komplett durchgeschwitzte T-Shirts und ausgepowerte, zufriedene Gesichter. Davon können auch die vier PRO-PAIN-Jungs ein stolzes Liedchen trällern, merkt man ihnen mit zunehmender Spielzeit trotz immenser Freude auf der Bühne doch die Erschöpfung ob der besonderen Temperaturumstände an.

Nichtsdestotrotz sollte PRO-PAIN abliefern und PRO-PAIN hat abgeliefert. Welch Machtdemonstration trotz brütender Hitze – habe ich schon erwähnt, wie heiß es war? – die New Yorker an den Tag gelegt haben, war schon beeindruckend und hat mir die Heimfahrt auch sehr versüßt, indem ich die eine oder andere ältere PRO-PAIN-Scheibe aufgrund des heutigen Abends nochmal gedanklich entstaubt und dank Streaming im Auto habe laufen lassen. Selbiges gilt selbstverständlich auch für die CARNIVORE A.D.-Jungs, die mir über die gesamte Stunde Spielzeit immer das nostalgische Gefühl damaliger Glanzzeiten gaben, ohne als bloße Kopie selbiger zu gelten. Die Kombination beider Combos inklusive der Band FLEISCHWOLF, die man definitiv im Auge behalten sollte, sorgte für eine kochende Stimmung im sehr gut besuchten Turock. Und heiß war es, meine Güte, war das heiß.

Redakteur:
Marcel Rapp

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