Pro-Pain - München
14.02.2001 | 07:3013.02.2001, Backstage
Was macht man an einem handelsüblichen Dienstagabend, wenn man nichts vorhat? Na klar, man schaut sich ein Konzert an. Insbesondere, wenn solch akuter Handlungsbedarf besteht wie in meinem Fall; mußte ich mir doch nach dem für mich recht... öhmmm... anstrengenden HAMMERFALL/VIRGIN STEELE/FREEDOM CALL-Gig zwei Tage zuvor die Lauschlappen ordentlich durchpusten lassen, um sie von den True Metal-Rückständen zu befreien. Da kam mir das mehr als interessante Package PRO-PAIN/40 GRIT/UNBOUND/CRACK UP gerade recht, zumal der Gig auch noch in meinem erklärten Lieblingsclub, dem Backstage, stattfand. Gute Voraussetzungen für einen gelungenen Konzertabend also.
Und weil es mir gar so gut gefallen hat, kann ich es mir auch nicht verkneifen, ein wenig davon berichten, obwohl ich ja gewissermassen \"privat\" da war. Tja, wenn man sich erst im letzten Moment zum Besuch einer Show entschließt, dann ist der Zug in Sachen Gästeliste schon abgefahren *g*
Genug gelabert! Kurz vor halb neun war´s, CRACK UP stiefelten auf die Bühne und rotzrockten ohne Umschweife drauf los, daß es eine wahre Freude war. Souverän, kompromißlos und mit einer dezenten Metalcore-Schlagseite wuchtete das Quartett Death´n´Roll-Geschosse wie \"Dead End Run\", \"Rock The Coffin\" oder das cool-prollige \"Well Come\" in den bereits gut gefüllten Club und profitierte dabei -gepriesen sei das Backstage mit seiner PA!- von einem exzellenten Sound. Die Teutonen überzeugten mit Spielfreude, einer ehrlichen Ausstrahlung und konsequentem Mattenkreisen und konnten sich dabei auch ordentlicher Publikumsreaktionen erfreuen. Mit dem ohrwurmigen Bandklassiker \"Money Will Roll Right In\" wurde schließlich, nach leider noch nicht mal 30 Minuten, der passende Schlußpunkt unter einen rundum gelungenen Auftritt gesetzt.
Bleibt anzumerken, daß die Band ihre DM-Vergangenheit außen vor liess, was man allerdings in Anbetracht der musikalischen Zielrichtung des Abends nicht zu einem Vorwurf ummünzen sollte. Allerdings frage ich mich, warum die Combo trotz bereits 4 Full Lenght-Veröffentlichungen mit dem tendenziell undankbaren opening slot bedacht wurde, wo doch die beiden nachfolgenden Bands jeweils auf gerade mal ein Album verweisen können. Nun gut, business is business, kann man da wohl nur attestieren.
Kurze Umbaupause, weiter im Programm. UNBOUND aus Stuttgart kamen, sahen und dampfwalzten. Die Schwaben präsentierten das Material ihres grob in der Schnittmenge aus CROWBAR und langsamen PANTERA anzusiedelnden, starken \"... In Infinity\"-Debüts in ausgesprochen überzeugender Manier. Schwerstes Riffing, pumpender Baß und trocken-knallhartes Drumming liessen Doomcore-Granaten wie \"Time Is Gone\", \"Unbound\" oder \"Bleed Out\" sowie das a***coole T.REX-Cover \"Children Of The Revolution\" auch on stage in einem erfrischend hellen Leichenhallenneonlicht erstrahlen. Bemerkenswert war dabei, wie souverän Frontmann Marshl sein machtvolles Geröhre vom Stapel liess, ohne sich dabei in übertriebenen Kommunikationsversuchen mit dem Publikum zu verzetteln.
Der auch bei UNBOUND ausgezeichnete Sound tat sein Übriges, um die ganze Chause bei den Anwesenden recht gut ankommen zu lassen. Da wurde gezappelt, gehüpft und gemosht, wie es sich gehört! Zwar schien die räudige Mucke des Vierers Teilen des Publikums eine Ecke zu groovig zu sein, das tat der insgesamt guten Stimmung aber partout keinen Abbruch. Ergo kann ich nur sagen, daß ich in meiner Vorfreude auf diesen Auftritt absolut nicht enttäuscht wurde. Daumen hoch!
Die darauffolgenden 40 GRIT hatten jede Menge Pluspunkte zu bieten: enorme Spielfreude, eine sehr sympathische Ausstrahlung und fettes Geschrubbe, in Tateinheit mit dem einmal mehr fantastischen Sound. Das Alles verfehlte seine Wirkung beim Publikum nicht, welches dann auch zu großen Teilen energisch mitging, was sich nicht zuletzt in den ersten Crowdsurfing- und Stagediving-Versuchen manifestierte. Naturgemäß konzentrierten sich die Jungs aus der Bay Area auf die Songs ihres \"Heads\"-Erstlings, mit dem ein erstaunlich großer Teil der Anwesenden vertraut zu sein schien. Objektiv betrachtet ein absolut erfolgreicher Gig.
Aber auch nur objektiv, denn bei Eurem demütigen Berichterstatter zeitigte das dargebotene Konglomerat aus neometallifizierten Bay Area-Thrash-Trademarks á la MACHINE HEAD, diversen alternativen Elementen und zahllosen anderen Versatzstücken live on stage die gleiche Wirkung wie auf Konserve: gepflegte Langeweile. So leid es mir tut, aber ich kann den aufkeimenden Hype um diese meines Erachtens alles andere als originelle Truppe beim besten Willen nicht nachvollziehen. Daran konnte auch der optische Nährwert des karottenhaarigen Leadklampfers, welcher bei jedem Pumuckl-Contest zum Favoritenkreis zählen würde, absolut nichts ändern.
So ertappte ich mich bereits nach kurzer Zeit dabei, daß ich das Ende des Sets herbeisehnte. Offen gestanden wäre es mir lieber gewesen, wenn 40 GRIT anstelle der ihnen zugestandenen Spielzeit von 40 Minuten ebenso wie die beiden vorangegangenen Bands nur eine halbe Stunde gewerkelt hätten. Zur Ehrenrettung des Quartetts sei aber nochmals explizit darauf verwiesen, daß sich die Herren ausgesprochen schwungvoller Publikumsreaktionen erfreuden durften.
Dennoch, irgendwann war dann (endlich!) Schluß, die Mucker liessen sich noch ein bischen abfeiern und dann begann das gespannte Warten auf den uneingeschränkten Höhepunkt des Abends.
Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich es in meiner langen Karriere als Metaller fertiggebracht habe, mir PRO-PAIN bisher noch kein einziges mal anzusehen. Daß das in gewisser Weise ein Bildungslücke ist, war mir sonnenklar, gelten die New Yorker doch als ausgezeichnete Liveband. Nachdem ich etwa eine Woche mit dem Besuch des Konzerts geliebäugelt hatte, gab letztendlich das Urteil einer allseits geschätzten \"Redaktionsfreundin\" (Gruß an Tatze!) den Ausschlag, die geradezu enthusiastisch vom Frankfurter Auftritt der harten Burschen berichtet hatte. So war ich denn mehr als gespannt und erwartete einen erstklassigen Gig. Aber mit dem, was nun folgen sollte, hatte ich dann doch nicht zu rechnen gewagt.
Ein originelles Intro in Form der PAT BOONE-Bigband-Version des DIO-Klassikers \"Holy Diver\"; 4 kleiderschrankartige Gestalten latschen gemütlich auf die Bühne, schnappen sich ihre Instrumente, legen ohne Vertun los; und -schwupp- bricht im mittlerweile bis nahe an die Kapazitätsgrenze von etwa 600 Nasen gefüllten Backstage ein wahres Inferno los!
Front-Bomber Gary Meskill und seine Spießgesellen knüppelten sich mit erbarmungsloser Intensität (und einer deutlich erhöhten Lautstärke, aua!) durch eine setlist, die einen gelungenen Querschnitt durch alle Phasen der Bandgeschichte darstellte. Keine langen Ansagen, nur selten Pausen zwischen den einzelnen Songs, stattdessen Power satt. Wut, Aggression, Haß, bis die Decke wackelte. PRO-PAIN schlugen eine Schneise der Zerstörung durch die triste Industriegegend und die völlig entfesselten Zuschauer honorierten es auf die euphorischste Weise. Über die gesamte Dauer des Gigs sah man keinen einzigen Besucher ruhig stehen; die letzten Reihen zuckten, bangten, klatschten; der Rest der Halle pogte wie verrückt, slammte, moshte, divte, surfte. Ein derart entfesseltes Publikum habe ich bisher allenfalls bei den glorreichen \"godz of grind\" NAPALM DEATH erlebt.
Souverän, knallhart und mit einem Bombensound intonierten die taffen Jungs aus dem Großraum New York eine tödliche Mischung aus Klassikern und neueren Songs, verwandelten das Auditorium mit jedem Song neuerlich in ein Tollhaus. \"Foul Taste Of Freedom\", \"Desensitize\", \"Time Will Tell\" und \"Real\", \"Fu** It\", \"Life´s Hard\" oder \"Fed Up\"; \"Stand Tall\", \"Act Of God\" und das legendäre \"Make War Not Love\" waren nur einige der Sprengsätze, welche die begeisternd asozial grölende Metalcore-Legende Gary und seine Mitstreiter mit nähmaschinenartiger Präzision zündeten. Hammer!
Wie ungeheuer beeindruckend die Darbietung der Amis war, kann man auch daran erkennen, daß ein Großteil der Musikerkollegen von den anderen Bands den kompletten Auftritt im Hintergrund der Bühne verfolgte und dort ekstatisch mitzappelte. Selten habe ich erlebt, daß Mucker der Vorgruppen und sogar Roadies (!) über die Bühne hüpfen und ins Publikum hechten. Wobei sich insbesondere 40 GRITs Mr.Karottenzottel hervortat, der sich mehrfach mit wahrer Inbrunst in die Meute vor der Bühne stürzte und dort energisch mitpogte.
Nach knapp 55 Minuten hatte der Spuk dann zunächst ein Ende, aber so leicht wollte die Truppe ihre Anhänger natürlich nicht davonkommen lassen. Stattdessen gab es eine vernichtende Version von \"Switchblade Knife\", wie alle Nummern einen Tick schneller gespielt als auf Konserve. Nach einem weiteren Song dankte der bodenständig wirkende Frontmann Meskill dem Publikum mit ungekünstelter Ehrlichkeit und ließ die Anwesenden nochmals kräftigst für die Vorbands grölen, ehe \"Pound For Pound\" nach knapp 70 Minuten den krachenden Abschluß bildete.
Junge, Junge... das war klasse, das war ein Konzert für echte Kerle, das war NYC Hard-/Metalcore. Das musikalische Äquivalent zu einem Kopfschuß.
- Redakteur:
- Rainer Raithel