RAGE - Siegburg

19.12.2016 | 21:34

16.12.2016, Kubana

Der Teufel schlägt in neuer Besetzung wieder zu!

Wenn mir jemand vor guten fünf Jahren gesagt hätte, dass ich mich mal so sehr auf eine Headliner-Tour von RAGE freuen würde, den hätte ich wahrscheinlich für verrückt erklärt. Damals hatte ich das Trio gerade auf dem Summer Breeze Open Air gesehen und war wenig angetan von der Performance, sowie den damaligen Veröffentlichungen der deutschen Metal-Urgesteine. Natürlich war Peavy Wagner auch damals schon einer der sympathischsten Frontmänner der hiesigen Szene, doch irgendwie waren das nicht mehr die RAGE, die mir insbesondere mit ihren famosen Alben aus den frühen Neunzigern ans Herz gewachsen waren, und auch die Chemie zwischen Viktor Smolski, Peavy und dem damaligen Drummer André Hilgers stimmte für den Betrachter nicht mehr so recht. Das sah auch der Fronter so und tauschte 2015 kurzerhand die gesamte Besetzung aus. Mit seinen beiden neuen Mitstreitern Marcos Rodriguez an der Gitarre und Vassilios "Lucky" Maniatopoulus am Schlagzeug hielt aber glücklicherweise wieder frischer Wind Einzug und das Trio meldete sich mit dem bärenstarken "The Devil Strikes Again" in diesem Jahr eindrucksvoll zurück. Mit ihrem perfekten Auftritt auf dem Rockfels in diesem Jahr spielten sich die Drei dann schlussendlich auch auf der Bühne aus dem Stand wieder auf mein musikalisches Radar, sodass wir uns natürlich die Show im Siegburger Kubana der aktuellen "The Devil Tours Again"-Konzertreise auf keinen Fall entgehen lassen konnten.

Doch bevor es mit den deutschen Metal-Legenden losgeht, dürfen sich erst einmal zwei Support-Acts dem Publikum im schon zur frühen Stunde ansehnlich gefüllten Liveclub präsentieren. Den Anfang machen dabei die Heavy-Metaller MESSIAH'S KISS, die mit ihrer Scheibe "Get Your Balls Out" vor guten zwei Jahren ein Comeback nach einer fast siebenjährigen Pause hingelegt haben. Angesichts der heutigen Show muss aber die Frage erlaubt sein, ob es nicht vielleicht die bessere Idee gewesen wäre, das eigene musikalische Erbe in Frieden ruhen zu lassen. So wirklich überzeugen kann der Fünfer nämlich weder mit dem recht farblosen Songmaterial, das wie eine Mischung aus schwachen IRON MAIDEN-B-Seiten und RONNIE JAMES DIOs musikalischer Resterampe klingt, noch mit der unaufgeräumten Performance der einzelnen Musiker. Da nützen auch alle Animationsversuche von Fronter Mike Tirelli nichts, der zwar den großen Rockstar aus New York markiert, gleichzeitig aber auch nur mit einer eher mittelprächtigen Gesangsleistung aufwartet und damit maximal einen freundlichen Schlussapplaus des Publikums erntet. Einziger Lichtblick in einem ansonsten durchwachsenen Set bleibt damit das gelungenen DEPECHE MODE-Cover 'It's No Good', das wenigstens mal mit einer Hookline daherkommt und damit den Eigenkompositionen einiges voraus hat.

Nach diesem mäßigen Beginn ist es damit an den nachfolgenden Jungs von DARKER HALF, die extra für die Tour aus dem sonnigen Sydney angereist sind, das Publikum im Kubana auf Betriebstemperatur zu bringen. Doch auch der junge Vierer tut sich damit anfangs recht schwer, wahrscheinlich weil Fronter Vo Simpson vom Start weg mit dem Kabel seiner Gitarre zu kämpfen hat. An den technischer Fertigkeiten der Australier kann es jedenfalls nicht liegen, denn insbesondere wenn Vo und Gitarrist Jimmy Lardner-Brown gemeinsam ihre pfeilschnellen Gitarrenlicks abfeuern, sieht man schon fast das infernalische DRAGONFORCE-Gitarrenduo aus Hermann Li und Sam Totman vor dem geistigen Auge. Auch musikalisch hat das Quartett dabei durchaus einiges mit den britischen High-Speed-Power-Metallern gemeinsam, während die sonstigen Einflüsse vor allem aus den frühen Jahren von IRON MAIDEN stammen. Da ist es kein Wunder, dass die eisernen Jungfrauen im Laufe des Sets mit einer durchaus soliden Coverversion von 'Aces High' gewürdigt werden. Im Gegensatz zu den eigenen Vorbildern fehlt es DARKER HALF aber oftmals leider noch am Gespür für die richtige Ballance im Songwriting, sodass zwar einzelnen Passagen die Zuhörer immer wieder in Staunen versetzen, während gleichzeitig jedoch die wirklich prägnanten Hooklines fehlen. Dass die Jungs das eigentlich besser können, beweisen sie im letzten Drittel ihres Sets mit dem starken 'The Stranger' und 'Aliens Exist' von der aktuellen EP "Classified", die beide das Potential zu echten Hits haben. Alles in allem schimmert damit heute Abend das gigantische Potential der Truppe aus Sydney immer wieder durch, nur müssen Vo und seine Mitstreiter noch lernen, dass weniger eben manchmal auch mehr sein kann. Schade, da wäre mehr drin gewesen.

Im Anschluss ist es nun aber endlich Zeit für die Band, auf die das Publikum im bestens gefüllten Liveclub seit mittlerweile zwei Stunden wartet. Peavy und seine neue Truppe lassen sich dann auch nicht lange bitten und legen nach einem stimmungsvollen Intro direkt mit dem Titeltrack der aktuellen Scheibe "The Devil Strikes Again" eindrucksvoll los. Dabei profitiert das Trio wie auch bereits die Vorbands von den hervorragenden Technikern des Kubana, die allen Bands am heutigen Abend einen amtlichen Sound verpassen und damit dafür sorgen, dass auch die folgenden beiden RAGE-Klassiker 'Shadow Out Of Time' und 'Until I Die' voll ins Schwarze treffen. Das stampfenden 'From The Cradle To The Grave' vom Orchester-Album "XII", das seiner Zeit mit dem Lingua Mortis Orchester aufgenommen wurde, bildet schließlich den Abschluss einer rundum gelungenen Eröffnung, wodurch direkt die etwas durchwachsene Leistung der beiden Vorbands ausgeglichen wird.

In der Atmosphäre eines so kleinen Clubs wird dann auch schnell deutlich, was sich bereits im Sommer auf dem Rockfels Open Air angedeutet hat, nämlich dass die Chemie in der neuen Besetzung von RAGE einfach auf ganzer Linie passt. Ganz besonders Gitarrist Marcos entpuppt sich als echter Spaßvogel, der immer wieder mit den Zuhörern in den ersten Reihen oder auch Bandboss Peavy seine Späße treibt, was zur ausgelassenen Stimmung auf und auch vor der Bühne beiträgt. Da glaubt man es Herrn Wagner gerne, wenn er angesichts der begeisterten Reaktionen im Publikum schon nach gut zwanzig Minuten verkündet, wie viel Spaß es dem Trio macht, hier heute Abend erstmalig im Kubana zu Gast zu sein. Natürlich ist die deutsche Metal-Institution anno 2016 aber nicht zu einer reinen Spaßtruppe verkommen, sondern punktet auch mit einer technisch nahezu perfekten Darbietung. Besonders in Sachen Gesang hat die neue Besetzung dabei gegenüber der letzten RAGE-Inkarnation mit Viktor und André ganz deutlich die Nase vorn, denn immerhin hat Peavy mit Lucky und Marcos zwei weitere gelernte Sänger dabei, die in ihren Bands TRI STATE CORNER und SOUNDCHASER jeweils sogar als Frontmänner agieren. Dadurch kann das Trio nun auch auf der Bühne dreistimmig agieren, wovon vor allem die selten gespielte "Soundchaser"-Perle 'Great Old Ones' mit ihrem ausladenden Refrain und das hitverdächtige 'The Final Courtain' vom aktuellen Silberling ganz besonders profitieren.

Abgesehen von den Tracks von "The Devil Strikes Again" bleiben Ausflüge in die RAGE-Ära nach dem Jahr 2000 allerdings eher eine Seltenheit. Stattdessen liegt der Fokus vor allem auf den Klassikern der frühen Neunziger, was beim Publikum in Siegburg sehr gut ankommt. Da ist es dann auch kein Wunder, dass nicht nur ich leicht enttäuscht bin, als die Show nach gut 75 Minuten mit dem unvermeindlichen 'Don't Fear The Winter' vom Langspieler "Perfect Man" ein viel zu frühes Ende findet. Ohne Zugaben wird RAGE aber natürlich nicht ziehen gelassen und so kommen Peavy und seine Mitstreiter nach einer kurzen Pause zurück, um mit dem neuen Track 'My Way' noch einmal nachzulegen. Doch der Zeitplan drängt, immerhin ist das Tour-Package bereits am folgenden Abend für eine Show in Goslar gebucht, sodass schließlich das grandiose 'Higher Than The Sky' kurz vor Mitternacht einen würdigen Schlusspunkt hinter diesen rundum gelungenen Auftritt setzt. Garniert wird der Song dabei wie auch bereits auf den Sommer-Festivals von dem eingeschobenen DIO-Cover 'Holy Diver', bei dem Gitarrist Marcos dann zum Abschluss noch einmal zeigen darf, dass er auch stimmlich einiges auf dem Kasten hat.

Setlist RAGE: The Devil Strikes Again, Shadow Out Of Time, Until I Die, From The Cradle To The Grave, The Final Curtain, The Pit And The Pendulum, End Of All Days, Back In Time, Medicine, Deep In The Blackest Hole, Great Old Ones, Spirit In The Night, Down By Law, Don't Fear The Winter, My Way, Higher Than The Sky / Holy Diver (DIO-Cover)

Insgesamt haben die Jungs damit meinen eingangs geschilderten Eindruck vom Rockfels Open Air heute Abend eindrucksvoll bestätigt. Der Besetzungswechsel im vergangenen Jahr war die einzig richtige Entscheidung, von der sowohl die Arbeit im Studio, als auch die Live-Performance des Trios unheimlich stark profitiert hat. Fans der Band dürfen sich daher schon auf das kommende Jahr freuen, denn neben weiteren Konzerten kündigte Bandboss Peavy kurz vor Verlassen der Bühne auch noch eine neue RAGE-Scheibe an, die sich wohl bereits in Arbeit befindet. Einziger Wehmutstropfen bleibt damit die wenig überzeugende Leistung der beiden Supports, doch die haben die meisten Anwesenden beim Verlassen der Location angesichts des bärenstarken Konzerts des Headliners sicher sowieso längst vergessen.

Redakteur:
Tobias Dahs

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