ROCKFELS OPEN AIR 2017 - Sankt Goarshausen

20.06.2017 | 18:41

15.06.2017, Loreley - Freilichtbühne

Der Loreley-Felsen bebt zum dritten Mal und Powermetal.de ist wie immer für euch mit dabei:

Schlussspurt auf dem Loreley-Felsen bei erneut angenehmen Temperaturen von knapp 22 Grad und einer leichten Wolkendecke, welche die Zuschauer vor ähnlich tropischen Zuständen wie am Donnerstag schützt. Im Gegensatz zum Wetter ist die alltägliche Eröffnung des Festivals mit Rock'n'Roll-Tönen allerdings eine Konstante, denn nachdem erst TXL und gestern MOTÖRHAZE den Startschuss gegeben haben, dürfen die Hamburger OHRENFEINDT am finalen Festivaltag dem Publikum zur Mittagsstunde einheizen. Der geradlinige Rock des Trios kommt dabei offensichtlich bei den Zuhörern bestens an und so haben sich die Ränge trotz der für Festival-Verhältnisse frühen Uhrzeit schon sehr gut gefüllt. Zu den Teils witzigen Texten und den schmissigen Riffs von Gitarrero Timo Peters lässt sich der Nacken aber auch bestens für den Tag aufwärmen. Gleichzeitig ist Fronter Chris Laut einfach ein total sympathischer Typ, der es versteht, mit seinem teils heiseren Gesang, seinen trockenen Ansagen und Tracks wie 'Rock'n'Roll Sexgöttin' oder 'Auf die Fresse ist umsonst' die Zuhörer auf seine Seite zu ziehen. Da ist es dann auch nur richtig, dass die Nordlichter am Ende sogar vereinzelte Rufe nach einem Nachschlag für sich verbuchen können und auch nachher beim Meet-And-Greet an der Seite der Bühne einige Autogramme geben dürfen. Alles in allem also ein solider Start in den Tag, der auch müde Metaller-Knochen in Fahrt gebracht hat.

Beim Thema "In Fahrt bringen" haben auch die Power-Metaller FIREWIND ein ordentliches Wörtchen mitzureden, die mit der aktuellen Single 'Ode To Leonidas' und dem Hit-verdächtigen 'Head Up High' von "The Premonition" aus dem Jahr 2008 mit Vollgas in ihr Set starten. Aushängeschild der Band ist dabei natürlich Gus G an der Gitarre, der auch heute wieder einmal beweist, dass er nicht umsonst zu den besten Saitenakrobaten der Szene gehört. Mindestens ebenso eindrucksvoll ist aber auch die Leistung von Fronter Henning Basse, der im vergangenen Jahr das Mikrofon bei der ursprünglich aus Griechenland stammenden Truppe übernommen hat. Insbesondere stimmlich hat er gegenüber seinem Vorgänger Apollo Papathanasio die Nase deutlich vorne, was sich vor allem bei seinen Interpretationen von alten FIREWIND-Tracks wie 'World On Fire' oder 'Mercenary Man' zeigt. Das Material vom aktuellen Silberling "Immortals", der mit  'Hands Of Time', 'Back On The Throne' und 'We Defy' den Großteil der Setlist stellt, liegt ihm aber natürlich noch besser. Zusätzlich zu seiner famosen Gesangsleistung punktet der Niedersachse auch mit sympathischen Ansagen, mit denen er es schnell schafft, das Publikum für sich zu gewinnen. Damit aber der eigentliche Star der Band nicht zu sehr in den Hintergrund rückt, gibt es einen ausgedehnten Instrumental-Track, bei dem Gus G noch einmal all sein Können präsentieren kann und seine halsbrecherischen Licks zwischenzeitlich sogar auf der auf seinen Schultern liegenden Gitarre abfeuert. Bei all dem musikalischen Potential auf der Bühne ist die einstündige Spielzeit natürlich viel zu knapp bemessen. Das sehen auch die Zuschauer so und fordern nach dem abschließenden 'Falling To Pieces' lautstark nach mehr, was allein schon dafür spricht, dass die Jungs hier und heute einige neue Fans dazugewonnen haben.

Nach diesem starken Start tut man sich als groovende Prog-Rock-Kapelle mit eher entspannten Tracks dann natürlich schwer. Das müssen leider auch die Amerikaner KING'S X feststellen, die als nächstes die Freilichbühne bespielen. An der reinen musikalischen Leistung von Ty Tabor, Doug Pinnick und Jerry Gaskill kann das allerdings nicht liegen, denn diese ist über jeden Zweifel erhaben. Wie die drei sich mit fast schon träumerischer Sicherheit durch ihre bluesigen Kompositionen manövrieren, ist wirklich beeindruckend und zeugt von den mehr als dreißig Jahren Erfahrung, die hier auf der Bühne vereint werden. Für ein feierwütiges Festival-Publikum ist die Musik des Trios aber eher wenig geeignet und so nutzen viele die musikalische Verschnaufpause dazu, um sich im oberen Bereich des Amphitheaters auf dem Rasen niederzulassen und den Grooves von der Bühne in eher entspannter Atmosphäre zu lauschen. Dass die Herren aber trotzdem bei vielen Anwesenden einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, beweisen die vielen KING'S X-Shirts, die nach der gut einstündigen Show der Band am Merchandise-Stand abgesetzt werden und sich auch im Laufe des Tages getragen vom jeweiligen Käufer in der Menschenmenge wiederfinden. Trotz eher gemäßigter Stimmung können die Amerikaner die Show also durchaus als Erfolg verbuchen und machen schließlich Platz für das wohl verrückteste Kontrastprogramm, das man sich an dieser Stelle vorstellen kann.

[Tobias Dahs]

Denn als die Briten ALESTORM beginnen, ihr Bühnenbild aufzubauen, macht sich im Publikum zwischen Stirnrunzeln und ungläubiger Belustigung so ziemlich jede Form des Erstaunens bei den Unwissenden breit. Doch wer die Band, die ihren Stil selbst als "True Scottish Pirate Metal" beschreibt, kennt, der weiß: Wenn ALESTORM die Bühne betritt, wird es schrill. Da ist das regenbogenfarbene Backdrop mit Hotdog und der Banana Duck erst der Anfang. Mit einer wilden Mischung aus punkig-corigen Scream-Elementen und Folk-Metal-typischen Keytar-Riffs von Sänger Christopher Bowes, der stilecht im Kilt und Badelatschen mit seiner Crew an der Loreley anlegt, machen die Metal-Piraten nach den gediegeneren Klängen von KING’S X mir persönlich richtig Laune. Eine beeindruckende Rasanz an den Instrumenten und die spaßigen Texte mit Mittrink-Garantie ("So come take a drink and drown your sorrows / And all of our fears will be gone till tomorrow") – ALESTORM holt für mich am letzten Samstag noch einmal alles aus dem etwas müden Publikum und schmeißt auf dem Loreley-Felsen zwischen heroischen Power-Metal- und altgedienten Hard-Rock-Karätern eine erfrischend selbstironische Piraten-Party inklusive einer Lehrstunde im kollektiven Piratenfluchen ('Fucked With An Anchor'). In diesem Sinne: We Are Here To Drink Your Beer! Gerne mehr davon im nächsten Jahr auf dem Rockfels Open Air.

[Leoni Dowidat]

Nach dieser Lektion in verrücktem Piraten-Metal vollführt das musikalische Programm des Tages anschließend wieder einen radikalen Wechsel hin zum Prog-Sektor, denn als drittletzte Band des Festivals dürfen die Genre-Legenden QUEENSRYCHE dem Rockfelsen einheizen. Im Gegensatz zu ihren Landsleuten KING'S X gelingt dem Fünfer dieses Unterfangen aus Seattle allerdings vom Start weg, wofür vor allem Fronter Todd La Torre verantwortlich ist, der wie immer mit seiner unheimlich sympathischen Art überzeugen kann. Gleichzeitig ist der Amerikaner auch stimmlich eine absolute Wucht, sodass hoffentlich bald auch die letzten Anhänger der Prog-Metaller einsehen werden, dass es keinen Grund mehr gibt, Ex-Sänger Geoff Tate nachzuweinen. Eine rein technische Glanzleistung reicht aber nicht immer aus, um ein Publikum auf einem Open Air zu begeistern. Das weiß auch der Fünfer und setzt folgerichtig heute auf eine mit Klassikern gespickte Setlist. Im Fokus steht dabei natürlich das Überalbum "Operation: Mindcrime", das mit dem Titeltrack, 'Eyes Of A Stranger', 'The Mission' und dem grandiosen 'I Don't Believe In Love' heute ganz besonders prominent vertreten ist. Natürlich darf aber auch das erfolgreiche "Empire" nicht ausgelassen werden und so sorgen vor allem 'Best I Can', 'Empire' und die Singalong-Hymne 'Jet City Woman' für ganz besonders frenetische Publikumsreaktionen. Doch nicht nur die Stimmbänder werden gefordert, denn zum Ende hin gräbt der Fünfer für 'Screaming In Digital', 'Queen Of The Reich' und 'Take Hold Of The Flame' noch einmal tief im eigenen Backkatalog und liefert ein überraschend hartes Finale ab, das ganz besonders in den vorderen Reihen noch einmal die Nackenmuskulatur in Bewegung versetzt. Als sich die Seattler schließlich nach etwas mehr als einer Stunde von der Loreley verabschieden, bleibt die Erkenntnis zurück, dass QUEENSRYCHE aktuell zu den eindrucksvollsten Livebands im Prog-Sektor gehört und hier durchaus auch einen späteren Slot hätte bekleiden können.

[Tobias Dahs]

TARJA, oh TARJA: Nach dem eher erschreckenden als begeisternden Auftritt der Königin des Symphonic Metal auf dem Wacken Open Air habe ich die Heldin meiner Kindheit eigentlich schon vor ihrem Auftritt auf dem Rockfels längst begraben. Kein Grund jedoch, der Finnin am Samstag nicht eine zweite Chance zu geben: So ist TARJA bei ihrem Slot als vorletzter Act des Loreley-Festivals zumindest zuzugestehen, dass sie gesanglich wieder auf einem hochprofessionellen Level ist. Abgesehen von ein paar Gieksern und überflüssigen Trillertönchen ist die Ex-NIGHTWISH-Frontfrau wieder die Sängerin, die mit ihrer Wahnsinn-Stimme für mich den Titel Metal-Queen verdient hat. Umso krasser ist der Kontrast jedoch zu ihrer Bühnenpräsenz: Neben ihrer fantastischen Showband, bei der vor allem ihr Gitarrist und Bassist nicht nur musikalisch die ganzen siebzig Minuten hervorstechen, wirkt die Sängerin bisweilen unbeholfen und ein wenig fehl am Platz. Ihre Einheiz-Versuche mit der Pommesgabel oder ihre Headbang-Versuche wirken eher gekünstelt und geziert, der Diven-Status haftet TARJA selbst auf der Bühne an. Mit ihren Songs bleibt sie dabei über die ganze Zeit hinweg ihrer neuen Leitlinie treu. So finden sich auf der Setliste mit 'Demons' oder 'No Bitter End' fast ausschließlich Lieder ihrer beiden neuen Alben, die im vergangenen Jahr erschienen sind. Schade, besonders solche Live-Brecher wie 'I Walk Alone' hätten der eher verhaltenen Stimmung im Publikum vermutlich gut getan.

[Leoni Dowidat]

Dem Eindruck meiner Kollegin habe ich eigentlich wenig hinzuzufügen, denn auch wenn die Die-Hard-Anhänger in den vorderen Reihen das finnische Stimmwunder frenetisch bejubeln, ist die Stimmung auf den Rängen weiter oben eher verhalten. Mir persönlich fällt besonders negativ auf, dass die Finnin auf der Bühne immer wieder betont, wie wichtig ihr doch die Fans sind. Da frage ich mich unweigerlich, wie es denn da ins Bild passt, dass sie vor der Show kurzfristig ihre Autogrammstunde absagt und damit all die Anhänger enttäuscht, die zum Teil bereits eine Stunde lang für ein Foto mit ihrer Heldin angestanden haben. Die Erklärung des Managements, dass TARJA heute besonders nervös wäre und daher keine Zeit hätte, klingt angesichts der bombastischen Karriere der ehemaligen NIGHTWISH-Sängerin allerdings sehr fadenscheinig. Das aber nur als kleiner Einwurf, denn das letzte Wort des Festivals ist noch nicht gesprochen, schließlich steht dem Publikum noch eine geradezu sakrale Erfahrung bevor.

[Tobias Dahs]

Willkommen zur Metal-Messe! Trotz des bedauerlicherweise eher mickrig ausgefallenen Anhangs von POWERWOLF, den Nonnen, braucht es nicht viel Federlesens, um die Handschrift der Wölfe um Sänger Attila Dorn zu erkennen. Die schwarz verhängte Bühne mit dem Emblem der Power-Metal-Band, welches punktgenau auf die ersten theatralischen Orgel-Klänge zu Boden fällt verspricht Dramatik pur und genau dort setzt POWERWOLF auch als letzter Act des Rockfels an. Mit dem Titel-Track des neuen Albums „Blessed And Possessed“ starten Attila und Co mit ihrer "einzig wahren Metal-Messe" in den Endspurt und brennen noch einmal alles an Pyro ab, was die Bühne zu bieten hat. Musikalisch macht die Klanggewalt der Saarbrückener auch ordentlichen Eindruck, einzig das groß aufgezogene Bühnen-Theater um die einzig wahre Religion wirkt an manchen Stellen ein wenig dick aufgetragen. So sorgt die Aufforderung von Attila Dorn, an diesem Abend die "Heavy Metal Army" von POWERWOLF zu sein, nicht ganz für die gewünschte Begeisterung, die starke Live-Performance der Wölfe entschädigt jedoch für jegliche Übertreibung. In diesem Sinne: Ein wenig mehr zurück zur ursprünglichen Ausrichtung und ein bisschen weniger "Amen" und "Hallelujah" – und am Auftritt von POWERWOLF wäre rein gar nichts auszusetzen.

[Leoni Dowidat]

"Amen" und "Hallelujah" ist das richtig Stichwort, denn abschließend muss ich noch eine Lobpreisung auf diese wunderbare Veranstaltung loswerden. Wie immer überzeugte das Rockfels an diesem Wochenede mit einem ausgewogenen Lineup, einer wunderschönen Konzertlocation inklusive gemütlichem Biergarten und einer einmaligen Atmosphäre. Einzig die weiterhin etwas chaotische Situation am Einlass am ersten Tag, die etwas schwache Auswahl an Festivalshirts und die aufdringliche Positionierung von TXL im Billing bleiben damit als Kritikpunkte der diesjährigen Auflage zurück. In den wichtigen Punkten überzeugt das Rockfels aber auf ganzer Linie, wobei ich erneut die Soundtechniker nicht hoch genug loben kann, die jede Band mit einem differenzierten Klangbild ausgestattet und gleichzeitig den engen Zeitplan minutiös eingehalten haben. Angesichts dieser Tatsachen kann ich jedem Festival-Freund nur dazu raten, sich das Rockfels für das kommende Jahr auf den Zettel zu schreiben. Wir von Powermetal.de werden in jedem Fall wieder für euch vor Ort sein, um über eines der schönsten Festivals in Deutschland zu berichten.

Hier geht es zur Fotogalerie mit mehr als 400 Eindrücken unserer Fotografinnen Leoni Dowidat und Jule Dahs.

Redakteur:
Tobias Dahs

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