ROCKHARZ Festival - Ballenstedt

16.07.2023 | 14:52

05.07.2023, Flugplatz

30 Jahre "Rockharz"-Festival - wenn das kein Grund zum Feiern ist! Vier Tage lang durften wir bei Gluthitze auf dem Flughafen in Ballenstedt abrocken. Heiß war dabei nicht nur die Sommerluft, sondern vor allem die Bands.

Wir haben tatsächlich den vierten Festivaltag erreicht. Die Verfassung ist noch einigermaßen patent. Haben wir doch vor Aufbruch nach Ballenstedt jeweils ein erquickliches Mittagsschläfchen gehalten. Und so beginnen wir den sonnigen Nachmittag unter dem Banner des Mondes, mit dem die portugiesische Szenegröße MOONSPELL die Bühne schmückt.

[Erika Becker]

Nach PARADISE LOST am Donnerstag ist am Samstag mit MOONSPELL der nächste Gothic-Metal-Act aus den 90ern am Start. Und ähnlich wie PARADISE LOST hat MOONSPELL mit den starken Alben aus der jüngeren Vergangenheit mein (zwischenzeitlich abgekühltes) Interesse wieder belebt. Und weil die Herren von MOONSPELL Profis sind, wissen sie auch sofort, wie man mit dem ersten Song die (Alt-)Fans auf seine Seite zieht. Super, besser als mit 'Opium' hätte man in diesen Set nicht starten können. Jaja, das "Irreligious"-Album mit seinen Hits ist auch nach über 25 Jahren noch so präsent, dass man auch später bei den ersten Tönen von 'Mephisto' sofort verzückt ist und auch noch Tage später weiß, dass dieser Song gespielt wurde. Bei den übrigen Nummern bin ich mir nicht so ganz sicher, meine mich aber zumindest noch erinnern zu können, dass es 'Extinct' vom gleichnamigen Album auf die Setlist geschafft hat. Aber auch ohne nerdgleich die weiteren Songnamen des Sets aufsagen zu können, gefällt mir der Auftritt der Band und die Art wie sie ihren Gothic Metal interpretiert. Sänger Fernando und seine Truppe lassen sich auch nicht aus dem Konzept bringen, als am Ende der Show der Sound aus den Boxen kurzzeitig ausfällt. Die Jungs singen und spielen einfach weiter und werden durch das mitträllernde Publikum über die schweigende Zeit der Boxen gebracht. Daumen hoch für alle!

[Stefan Karst]

Im Anschluss entert die italienische Formation LACUNA COIL die Bühne, von der man behaupten kann, dass sie schon präsenter im Geschäft war als zurzeit. Wir suchen eine chillige Nische auf dem Rasen, um in den folgenden zweieinhalb Stunden Cristina Scabbia und Band, CARCASS und LIFE OF AGONY an uns vorüberziehen zu lassen.

Zu LORD OF THE LOST wechseln wir den Platz, um diese Herren etwas genauer zu beobachten. Deren sonderbarer Auftritt beim Kommerzereignis ESC vor wenigen Wochen hat der Truppe offenbar nicht besonders geschadet. Sie spielt munter auf und vor der Bühne schart sich eine durchaus akzeptable Menge Begeisterungsfähiger, die die Mischung aus poppigen Elementen und Dark Rock abfeiert.

Einer der Höhepunkte des Abends steht sodann mit SALTATIO MORTIS bevor. Die Mittelalter-Rocker um den charismatischen Sänger Alea präsentieren eine wuchtige Show voller Energie. Die eindringlichen Klänge der Dudelsäcke schmettern durch die Nacht und die Band umrahmt ihre Songs durch beeindruckende Pyro-Technik. Alea, der offenbar volle vier Tage auf dem Festival verbracht hat, bedankt sich bei den Fans für die herzliche Aufnahme und animiert immer wieder zum Mitmachen. Die Band präsentiert Songs in deutscher und englischer Sprache und dann kommt es sogar zu einem Duett mit LACUNA COIL-Sängerin Cristina Scabbia. SALTATIO MORTIS gehört zu jenen Bands, die ich in den vergangenen Jahren aus den Augen verloren habe. Wie ich feststelle, könnte es sich lohnen, die Truppe mal wieder genauer unter die Lupe zu nehmen. Vor allem zu Live-Auftritten sollte man ihre Wege kreuzen, denn die Dynamik, die sich auf der Bühne abspielt, ist beeindruckend und ein bemerkenswerter Ausdruck der mitreißenden Freude der Künstler am eigenen Tun.

Der Auftritt von SALTATIO MORTIS leitet dann auch über in einen besonderen Moment des Abends. Denn die Crew des "Rockharz"-Festivals kommt gesammelt auf die Bühne und bedankt sich bei den Fans für 30 Jahre Treue. Auch hier kommt noch einmal der Tod von Dirk Lehberger zur Sprache, der nun zusätzlich noch überschattet wird durch den tödlichen Unfall eines weiteren Crew-Mitgliedes. Als Zeichen der Anteilnahme halten die Fans während der Dankesrede der Veranstalter ihre Handys und Feuerzeuge in die Luft – ein emotionaler Moment, der das Wechselbad der Gefühle spiegelt, in dessen Spannungsfeld die 30. Jubiläumsausgabe dieses Festivals stattfindet.

Aber ein Metal-Festival geht nicht mit leisen Tönen zu Ende. Den Abschluss geben für uns die schwedischen Melodic-Death-Metaller von AMON AMARTH.

[Erika Becker]

Nachdem AMON AMARTH in den vergangenen Jahren vor immer größerem Publikum aufgetreten ist, war nicht unbedingt zwingend zu erwarten, dass diese Band noch "Rockharz"-kompatibel ist. Umso schöner, dass sie es offensichtlich ist. Die Bühne scheint auch so geräumig zu sein, dass die Showelemente wie das in einem Wikingerhelm thronende Drumkit und die aufblasbaren Wikinger-Insignien (Wikingerstatue, Drachenbootkopf, Ungeheuer) ihren Platz finden. Auf die mittlerweile bei den Shows etablierten Kämpfe mit Schild und Schwert muss auch nicht verzichtet werden. Bei der Setlist hat AMON AMARTH inzwischen das Problem, dass bei dem umfassenden Backkatalog bisher eigentlich unverzichtbare Songs dem Rotstift zum Opfer fallen. So trifft es zu meinem Bedauern 'Runes To My Memory'. Aber gut, damit muss ich leben. 'Guardians Of Asgaard', 'Death In Fire', 'The Pursuit Of Vikings', 'The Way Of Vikings' und das abschließende 'Twilight Of The Thunder God' sind Abräumer erster Klasse. Fetter Sound und aus vollen Rohren schießende Pyro-Fontänen machen aus dem Auftritt wahrlich eine würdige Headlinershow zum Abschluss des Festivals. Bleibt zum Ende der Show wie immer die offene Frage: Welcher Inhalt befindet sich in den Trinkhörnern, die bei 'Raise Your Horns' so demonstrativ in die Höhe gereckt und dann auf Ex ausgetrunken werden? Unbestätigten Gerüchten zufolge soll sich darin alkoholfreies Bier befinden. Aber nichts Genaues weiß man!

[Stefan Karst]

Mit dem Auftritt der schwedischen Wikinger geht das "Rockharz"-Festival für uns zu Ende. Hinter uns liegen vier großartige Tage, die wir auf einem für uns neuen Festival erlebt haben, das wir zu seinem 30. Jubiläum erstmals besuchen durften. Und es dürfte schon jetzt gewiss sein, dass Herr K. aus M. und ich nicht zum letzten Mal hier gewesen sind. Nicht nur musikalisch, sondern auch organisatorisch hat das "Rockharz" uns überzeugt. Besonders die überschaubare Größe von rund 24.000 Teilnehmenden macht das Festival zu einem fast gemütlichen Erlebnis. Es ist genügend Platz für alle da, an den Essen- und Getränkeständen muss man meist ebenso wenig lange warten wie an den Toiletten und bei den Wasserstellen. Diese Umstände machen den Besuch zu einem stressfreien Aufenthalt. Hier ist außerdem zu spüren, dass die Gäste wirklich noch wegen der Musik zum Festival kommen und sich als Teil der Metal-Community fühlen, statt nur anzureisen, weil man mal dabei gewesen sein muss. Atmosphärisch ist das ein deutlicher Pluspunkt.

[Erika Becker]

Redakteur:
Erika Becker

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