ROCK HARD FESTIVAL 2019 - Gelsenkirchen
01.09.2019 | 23:5307.06.2019, Amphitheater
Das Rock Hard Festival geht in die nächste Runde!
TYLER LEADS (12:30 Uhr - 13:10 Uhr)
Zweiter Tag, die Sonne scheint und es steht Kontrastprogramm zum gestrigen Headliner auf dem Programm. Denn die Lokalmatadore TYLER LEADS zocken entspannten Hard Rock mit überschaubarem Härtegrad, der aber stets positiv und mit einer Portion Blues daherkommt. Das ist wenig innovativ, aber die perfekte Musik, um auf den Rängen des Amphitheaters Platz zu nehmen, das tolle Wetter zu genießen und ein erstes Bier zu trinken. Es gibt einfach Musik, die für die Open-Air-Situation gemacht ist und das, was hier geboten wird, gehört genau dazu. Die Band, die im Ruhrgebiet bereits eine gewaltige Menge an Gigs abgerissen hat, kann sich zudem der Unterstützung der lokalen Fans gewiss sein, und so ist es auch direkt vor der Bühne bereits ziemlich voll und die Stimmung mehr als ordentlich für einen Opener. So fühle ich mich, auch ohne die Band vorher zu kennen, sehr gut unterhalten und lasse mich von der guten Laune auf und vor der Bühne anstecken. Doch, so kann man einen Festivaltag wirklich gut beginnen.
[Raphael Päbst]
THE VINTAGE CARAVAN (13:30 Uhr - 14:10 Uhr)
Sommer, Sonne, Hard Rock - Was eben schon bei TYLER LEADS geklappt hat, funktioniert natürlich erst Recht bei dem isländischen Trio von THE VINTAGE CARAVAN. Die Band, die bereits als Teenager die ersten Alben veröffentlichte, hat mittlerweile einiges an Erfahrung auf den Bühnen dieser Welt gesammelt und bringt live einiges mehr an Druck und Härte aufs Parkett als auf Platte. Das merkt man auch heute, wo die Songs des letzten Albums sich perfekt in die Show einfügen, nachdem sie mich auf Platte nicht so überzeugen konnten. Was soll's, hier sind drei absolute Könner am Werk, denen man die Lust an der Mucke zu jeder Sekunde anhört und die das gut gefüllte Amphitheater nach wenigen Minuten fest im Griff haben. Hit reiht sich an Hit, ausladendes Solo an ausladendes Solo und jeder der drei darf mal im Mittelpunkt stehen. Höhepunkt ist wenig unerwartet 'Babylon', aber auch der Rest ist einmal mehr äußerst unterhaltsam. Sympathische Menschen spielen sympathische Musik für ein sympathisches Publikum und das Wetter spielt mit, so lässt sich dieser Auftritt zusammenfassen und das ist mit eines der höchsten Komplimente, die man der Band heute machen kann. Es passt alles, das Trio ist perfekt eingespielt und man kann sich dem Groove kaum entziehen, so dass die Spielzeit wie im Fluge vergeht und ich verwundert bin, dass das Konzert schon zu Ende ist. Doch, in dieser Verfassung schaue ich mir THE VINTAGE CARAVAN gern wieder an.
[Raphael Päbst]
CARNIVORE A.D. (14:30 Uhr - 15:15 Uhr)
CARNIVORE ohne Pete Steele...irgendwie fehlt da was. Und vor allem, wie soll man diesen Mann ersetzen? Irgendwie fühlt es sich an wie MOTÖRHEAD ohne Lemmy, also eigentlich unreal. So also darf man gespannt sein, was da nun die nächste Dreiviertelstunde passieren wird und richtet erst einmal skeptisch den Blick Richtung Bühne. Als dann aber das New Yorker Gespann mit "Neusänger" Baron Misuraca die Bretter stürmt und das Amphitheater von der ersten Sekunde an in Schutt und Asche verwandelt, ist jegliche Skepsis sofort verflogen. Auch wenn die Zerstörungskraft nicht ganz an die Gigs von 2007 in kleinen verranzten Clubs heranreicht, schafft es die Band aber durchgängig, das Aggressionspotential hochzuhalten und mit Klassikern der Marke 'Carnivore' (gleich zu Beginn!), 'Sex And Violence' und 'Jesus Hitler' das Publikum zu verzücken. Baron Misuraca hat sich verdammt gut in die Band eingegliedert, kann aber natürlich einen Pete Steele nicht vergessen machen. Einziger Wehrmutstropfen einer richtig coolen Show ist eigentlich nur das Fehlen der Hymne gegen die Emanzipation: 'Male Supremacy'!
[Michael Meyer]
HEIR APPARENT (15:40 Uhr - 16:30 Uhr)
Als nächstes ist der Thronfolger aus den Staaten am Start, den sich zwar viele Interessierte anschauen, der jedoch nur von einem wirklich harten Kern gefeiert wird. Das ist durchaus schade, denn HEIR APPARENT liefert eine rundum solide und gute Show bei bestem Wetter und knackigem Sound ab. So werden nicht nur Songs des noch aktuellen "The View From Below"-Album wie 'The Door' oder 'The Road To Palestine' dem Ende hin gespielt, sondern natürlich auch die ureigenen 80er-Klassiker der Marke 'Crossing The Border' oder 'The Servant' gespielt. Im Ergebnis erkämpfen sich Terry Gorle und seine Mannen dank ihrer Spielfreude und des tighten Auftritts sicherlich heute den einen oder anderen Neu-Fan, und Freunde des Kraftmetalls amerikanischer Prägung kommen auch auf ihre Kosten. Warum dennoch der Funke nicht so ganz überspringen mag, kann ich mir nicht erklären. Mir gefällt die Show und ich summe auch noch später fröhlich die Melodie von 'Tear Down The Walls' umher.
[Marcel Rapp]
SYMPHONY X (16.55 Uhr - 17:50 Uhr)
Nachdem HEIR APPARENT leider einem ausgiebigen Gespräch mit Freunden zum Opfer fiel, stehe ich pünktlich zu SYMPHONY X mit einem kühlen Bier in den vorderen Reihen des Amphitheaters, denn mindestens eine Progband am Tag muss dann schon sein. Und die Amerikaner haben nicht nur eine Menge starker Songs, sondern mit Russell Allen auch einen der besten Sänger in diesem Genre in ihren Reihen. Was der Mann live abliefert, ist mehr als beeindruckend und das zeigt er auch heute wieder. Natürlich ist auch der Rest der Band, allen voran Michael Romeo an der Gitarre in der instrumentalen Champions League unterwegs, weshalb von vornherein klar ist, dass hier sicher kein schlechtes Konzert gespielt werden wird. Und das ist dann auch so. Russell fungiert als Zeremonienmeister, Rampensau und Fokus einer kurzweiligen Show, in der sich Hit an Hit reiht und die aufgrund des hohen Härtegrads und der Eingängigkeit von Songs wie 'Set The World On Fire' auch für weniger progaffine Metalfans einiges bereithält. Und das Amphitheater ist entsprechend voll, die Stimmung prächtig und hier und da wird sogar mitgesungen. Ich verrenke mir ein wenig den Nacken und verlasse nach der Show glücklich die vorderen Reihen, um dringend nötige Erfrischung in Form neuer Getränke zu suchen.
[Raphael Päbst]
SKID ROW (18:15 Uhr - 19:15 Uhr)
Nun nun kommen wir im Vorbeigehen zu einem der besten Gigs an diesem Wochenende. Die Glam-Rocker von SKID ROW haben mit dem selbstbetitelten Debüt und "Slave To The Grind" nicht nur unsterbliche Szene-Klassiker veröffentlicht, sondern spielen sich an diesem späten Samstagnachmittag spielend leicht in die Herzen des Amphitheaters. Ein geiles Intro, ein ordentlicher Sound und eine Band, die es versteht, wie sie die Massen zu mobilisieren hat. Songs wie der '18 And Life'-Muntermacher, 'Psycho Therapy' oder das aktuelle 'We Are The Damned' gehen runter wie Öl und sorgen für prächtige Laune auf den Rängen. Dieser Auftritt der New-Jersey-Rocker um den ehemaligen DRAGONFORCE-Shouter ZP Theart sorgt zwischen progressiveren und tödlicheren Tönen für eine mit Kusshand aufnehmende Erfrischung und für einen immensen Nostalgiefaktor. So kommen nicht nur Rock-Hard-Jens sondern alle Anwesenden, die auch nur ansatzweise etwas mit Sleaze und Stimmung am Hut haben, voll auf ihre Kosten. Und wenn man einen Gig und 'Youth Gone Wild' so bockstark abschließt, dann sollte man sich auch nicht wundern, warum man vor lauter Applaus sein eigenes Wort nicht mehr versteht.
[Marcel Rapp]
CANNIBAL CORPSE (19:45 Uhr - 21:00 Uhr)
Seit den frühen Neunzigern hat CANNIBAL CORPSE in Deutschland eine Begleitperson an der Seite, die immer hübsch auf die Band Acht gibt. Die ihr sagt, was man so auf einer Bühne spielen darf und was nicht. An dieser Stelle möchte ich einfach mal eine alte Lehrerin aus dem Saarland grüßen, die mit ihrer freien Zeit irgendwie nicht wirklich viel anfangen kann und nebenbei wohl einiges dazu beigetragen hat, dass jeder Mensch (sogar meine Eltern, 73 und 75 Jahre alt) den Namen CANNIBAL CORPSE kennt. Aber auch, wenn die Band mit Blick auf ihr Bankkonto dieser seltsamen Frau danken sollte, ist es einfach nur nervig, dass im Jahr 2019 immer noch die Zensur um sich greift und man bestimmte Songs nicht spielen darf. Und den Ärger über diesen Umstand merkt man den Death-Metal-Veteranen auch irgendwie an. Es gibt während der gesamten Spielzeit keinerlei Interaktion mit dem Publikum, die Pausen zwischen den Songs werden mit dem Stimmen der Instrumente verbracht, und irgendwie ist die Atmosphäre eine andere als gewohnt. Das Publikum lässt sich aber nicht die Laune verderben und geht während des Gigs, der nun eben ohne die Klassiker auskommen muss, komplett steil. Man darf aber auch zugeben, dass die letzten Alben der Kannibalen Songs an Bord haben, die irgendwann zu ebensolchen Klassikern avancieren dürften; vor allem der letzte Longplayer "Red Before Black" prügelt auch live jedem Todesmetaller die Gedärme durch den Anus. Und dass am Schluss ein Song eben nur in instrumentalem Gewand (der mit dem Hammer) durch die Boxen dröhnt, darf man schon als kleines "Fuck You" ins Saarland werten.
[Michael Meyer]
GAMMA RAY (21:30 Uhr - 23:00 Uhr)
Nun sind sie also zu fünft, die Jungs von GAMMA RAY und heimsen mit ihrem ersten NRW-Auftritt nach vier Jahren Abstinenz den Headliner-Posten am heutigen Samstag ein. Zugegeben, nach der HELLOWEEN-Reunion musste Mastermind Kai Hansen seine Hauptkapelle ein wenig liegen lassen, doch dass dann mit Frank Beck gleich ein neuer Sänger präsentiert wurde, überraschte dann doch die Metal-Gemeinde (Echt, da war jemand überrascht? ... Anm. d. Lektors). Doch sei's drum, Hansen-Kai ist ja immer noch hinter der Klampfe zu finden und teilt sich mit dem neuen GAMMA RAY-Sänger die Gesangspassagen im passenden Duett. Das klappt auch heute einigermaßen gut und die Band selbst feuert ein buntes Allerlei aus fast dreißig Jahren Bandhistorie ab. Der Zuschauerraum sowie die Ränge sind mehr als gut gefüllt für diese Power-Metal-Druckbetankung und die Vorfreude auf die kommenden knapp neunzig Minuten ist immens. Dann stürmen die Hamburger endlich die Bühne, als seien sie nie weg gewesen. Und die Befürchtung, dass Beck selbst ein wenig in den Hintergrund geraten könnte, bewahrheitet sich Gott sei Dank auch nicht. Die eine oder andere Ansage hier, die hohen Hansen-Töne fest im Griff, und sehr viel Bühnenagilität dort sorgen für einen stimmigen Auftritt. Natürlich hätte der Sound ein klein wenig drückender, GAMMA RAY selbst noch ein wenig konsequenter spielen können, doch in Anbetracht der Voraussetzungen dieses Auftritts dürfte eigentlich kein Anwesender unzufrieden in die Zelte verschwinden. Altbekannte Mitsing-Hits wie 'Land Of The Free' und 'Man On A Mission' gleich zu Beginn, oder 'Rebellion In Dreamland' ein wenig später wechseln sich mit Liedgut neuerer Alben wie 'To The Metal' und 'Master Of Confusion' gut ab, im Mittelteil sorgen vor allem 'Heavy Metal Universe' und 'Heaven Can Wait' für klatschende Hände und grölende Kehlen und wenn jeder Abschluss so gut gewählt wird wie mit 'Send Me A Sign' und 'Avalon', dann hat die Hansen'sche Spielmannstruppe alles richtig gemacht.
[Marcel Rapp]
- Redakteur:
- Marcel Rapp