Rage, Nightwish - Ludwigsburg
28.10.2000 | 08:2812.12.1999, Rockfabrik
Die mir bis dato völlig unbekannten Basken von SOZIEDAD ALKOHOLIKA müssen in ihrer Heimat eine große Nummer sein. Hier kennt den Fünfer bisher nur ein kleiner Teil der schmuddeligen Bevölkerung. Und dann singen die auch noch spanisch. Bisher ist dieses Spanien im Gitarristischen Bereich eher durch lächerliche MANOWAR- oder HELLOWEEN-Kopien in Erscheinung getreten, von denen sich das Normalohr innig wünschte, dass sie flugs und pronto wieder in die Sierra zurückverschwinden.
Ist natürlich auch völlig doof, hier so eine Pauschale herauszukehren, kehren wir lieber zur nahen Vergangenheit zurück. Neben dem Vorzeigepowerpoppunkgeschwader von DOVER gibt es natürlich eine ganze Reihe iberischer Combos, welche zumindest sehr gute Kopierarbeit leisten oder idealerweise wirklich gut Ballet machen.
So wie SA. Denen merkt der aufmerksame Behörer und Betrachter sofort die professionelle Ausrichtung und Bildung an. Drei wahrhaft bemühte Roadies halten Türen offen, kontrollieren Türen, Getränke und Kabel, reichen Gitarren, blocken Blicke und wuseln auf und ab, als liefe da eine Eieruhr im Hintergrund. Insgesamt scheint das heutige ORGASMATRON in Leipzig etwas unglücklich gewählt: Es handelt sich um eine ehemalige Bowlingbahn, welche liebevoll, aber etwas hektisch umgestaltet zu sein scheint, es liegt etwas abseits und ist ziemlich neu, wünschen wir der Lokation hiermit alles Gute für die kommende Zeit.
Das Publikumsubstrat heute besteht aus einigen Urpunks, neugierigen Jungspunden mit HC-Attitüde und ist eindeutig männlich dominiert. Bier ist Flasche, der Eintritt für Punks recht abschreckend und wir lassen nun die Umstände links liegen. Wobei der Abend insgesamt sich an dieser Lokalität messen lassen muß. Etwas mehr Werbung, etwas mehr innerstädtisch, ein oder zwei neckische Vorbands – also insgesamt mehr Flair hätte dem ganzen Aufzug gut und besser getan. So spielt hier aus meiner Sicht eine unbekannte baskische Hardcore-Metal-Band mit einem Wechsel an kastillianischen und englischen Texten. Aber versiert, das sei mal vorausgeschickt!
Nach den eigentlich erschröcklichen Erkenntnissen meiner ersten Stunde im ORGASMATRON, welche mit Flaschenbier und Geplauder und der Flucht vor punkigen Dönerfürzen vergeht, spielt der Troß den ersten Beitrag. Einer dieser für Musiker widerlichen Halbkreise vor der Bühne entsteht – nennen wir es Respektkonkave – und wird bis zum Ende des Auftritts nicht viel eingedrückt werden. Schnell wird klar: Profis! - hier schält sich Erfahrung aus zwanzig Bühnenjahren heraus. Das Set wird durchgängig und fast schüchtern durchgebellt, auffällig unaufgeregt und behände alle Griffe und Schläge, der charismatische Frontglatz kann die Zwischenstücke ohne seine direkte Beteiligung mit Sängertänzeln und Rhythmusmitboxen überbrücken. Wir werden zunehmend eingenommen von diesem Gemisch aus Metal und wirklich mitreissenden Hardcore-Elementen, wobei mir die knappen betonigen Zweiminüter am besten zusagen, da hier auch im Doppel –und Dreifachchor gemannt wird.
Ich bin's zufrieden und beschliesse, diesen insgesamt seltsamen Sonntagabend im Lernergebnis als "zufriedenstellend" einzuordnen. Auch als Enttäuschung, da die Leipziger Szene mal wieder in Teilen laute Töne gespuckt, der unbekannten "aber geilen" Untergrundgröße Vorschusslorbeeren attestierten, um dann die eigene Intoleranz und Faulheit zu beweisen. Schäm' Dich! Trotz des Überangebots frisst du auch nur, was Du kennst, Szene!
SOZIEDAD ALKOHOLIKA zumindest fahren noch in dieser Nacht mit meinem erhobenen Daumen im Gepäck weiter in das schöne Prag.
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben