Rock Hard Festival 2014 - Gelsenkirchen
24.07.2014 | 22:0306.06.2014, Amphitheater
Wie auch in den vergangenen Jahren war ein fleißiges, glückliches und schwitzendes Team der Redaktion in Gelsenkirchen beim Rock Hard Festival 2014 vor Ort.
ROCK HARD FESTIVAL - TAG 1
Auch in diesem Jahr blieben kaum Wünsche unserer Seite aus offen, denn Rüdiger Steele, Julian Rohrer, Nils Macher, Thomas Becker und Marcel Rapp hat es sehr viel Spaß gemacht. Doch lest einfach selbst, warum, wieso und weshalb sich auch diese Ausgabe vom Rock Hard Festival wieder einmal vollends gelohnt hat.
NOCTURNAL (15:00 - 15:40 Uhr)
Wie üblich wird das Festival von einer Band des extremeren Sektors eröffnet, in diesem Jahr darf das Mainzer Quartett NOCTURNAL ran. Das neue Album "Storming Evil" tritt gewaltig Arsch und die Vorfreude auf den Gig ist im noch relativ leeren Amphitheater trotz Mittagshitze vorhanden.
Der bereits auf Platte energische Sound geht live noch mehr ab, was vor allem an der kompromisslosen Darbietung von Sängerin Tyrannizer liegt. Fieser und souveräner als viele ihrer männlichen Kollegen beherrscht die zarte Dame im VENOM-Shirt das gesamte Spektrum am Mikro. Kreischend und manisch trohnt sie auf dem Rumpelteppich, der beweist, wie aktuell der Old-School-Teutonensound immer noch ist. Das Rock Hard Festival beginnt mit einet Thrash-Keule oberster Güte, der Nacken ist aufgewärmt und schiefgehen kann nach so einem Opener eigentlich gar nichts mehr.
ZODIAC (16:00 - 16:40 Uhr)
Die dringend benötigte Verschnaufpause besorgt ZODIAC, denn der entspannte Retro Rock passt super ins Klima, auch wenn das Wort Entspannung hier für meinen Geschmack zu groß geschrieben wird. Spieltechnisch kann man dem Münsteraner Vierer nichts vorwerfen, aber wie auf Platte springt auch auf der Bühne des Amphitheaters der Funke einfach nicht über. Gutes Handwerk, nette Songs - auch das NEIL YOUNG-Cover 'Cortez The Killer' passt gut ins Programm - alleine durch Feeling wurde noch kein Festivalgig zum Siegeszug. Fans der Band scheinen aber sichtlich ihren Spaß am Auftritt der Blues-Rocker zu haben, denn nach einigen Songs folgt mehr als Achtungsapplaus.
DECAPITATED (17.05 - 17:50 Uhr)
Wie jetzt, niemand aus unserem Team möchte freiwillig den Auftritt der Tech-Deather besprechen? Ok, das kann ja nur schiefgehen. So zumindest meine Gedanken vor der Show der Polen, die sich aber ziemlich fix ins Gegenteil umkehren.
Leichte Kost sind die Songs zwar nicht, dank des guten Sounds und fähiger Musiker läuft vor allem das Material des letzten Langdrehers "Carnival Is Forever" aber echt gut rein. So gut, dass immer wieder kleine Moshpits angezetellt werden, obwohl man sich bereits beim Headbangen die Nackenwirbel im Quadrat bricht. Die Band um Gitarrist Vogg präsentiert sich als echte Macht, die auf ihrem Streifzug durch die Bandgeschichte den Schwerpunkt vor allem auf das neuere Material legt. Tut der Sache aber keinen Abbruch, denn auch ohne mit dem Backkatalog bestens vertraut zu sein, lässt sich diese Hirnschlägerei genießen.
MIDNIGHT (18:15 - 19:15 Uhr)
Wie immer war die Anfahrt lang, doch in Sachen Verkehrsfluß hatten wir Glück, so dass wir pünktlich zu meiner ersten Rezensentenaufgabe MIDNIGHT im Amphitheater eintreffen. Da die Kapuziner aus Ohio bei vergangenen Events, insbesondere bei KIT des Vorjahres, für durchaus gespaltene Reaktionen zwischen Euphorie und Ablehnung gesorgt hatten, bin ich nun sehr gespannt auf das, was uns erwarten würde.
Doch schon nach wenigen Takten ist klar, dass meine nicht gerade ganz niedrigen Erwartungen durchaus erfüllt, wenn nicht gar übertroffen werden. Angeschwärzter Speed Metal mit Punk 'n' Roll-Schlagseite ist ja seit jeher eine feine Sache, und so treffen die Henkersknechte auch in Gelsenkirchen ins Schwarze. Die Maskerade ist ebenso wenig aufdringlich wie die agile, energiegeladene Bühnenshow, und das Songmaterial, mag es auch ein wenig gleichförmig sein, macht einfach Laune. Das Publikum hat sich am Spätnachmittag zum stark an VENOM angelehnten und mit feinen Fast-Eddie-Gedächtnis-Quietsche-Leads verfeinerten Opener 'Vomit Queens' zwar noch nicht ganz so zahlreich vor der Bühne eingefunden, doch mit zunehmender Spielzeit füllt sich das Forum dann ganz ordentlich. Stilistisch irgendwo im Dreieck zwischen MOTÖRHEAD, VENOM und EXCITER, oder auch in der Nähe der Japaner von SABBAT oder der alten Schweden-Kaputtniks von GEHENNAH beheimatet, fetzt uns das Trio aus Cleveland seine eingängigen Speed-Hymnen um die Ohren, dass es eine wahre Freude ist. Die Saitenmannen flitzen und fegen dazu über die Bretter, klettern auf die Boxentürme oder rutschen sich die Knie wund, bis am Ende die Gitarren stilecht zertrümmert werden. Ja, für den nötigen Kick ist also gesorgt, auch wenn der Feingeist sicher bemäkeln wird, dass hier weder originell noch facettenreich musiziert wird. Dafür stimmt der Spaßfaktor, dafür kreist die Matte, und dafür gehen die Hörnchen in die Höhe. Also ist's der richtige Gig zur richtigen Zeit gewesen.
Setlist: Vomit Queens, Evil Like A Knife, Lust Filth And Sleaze, All Hail Hell, White Hot Fire, I Am Violator, You Can't Stop Steel, Endless Slut, Shock Til Blood, Satanic Royalty, Unholy And Rotten, Violence On Violence
[Rüdiger Stehle]
DIE APOKALYPTISCHEN REITER (19:45 - 21:00 Uhr)
Reitermaniacs, wohin das Auge blickt. Es ist Freitagabend, es ist warm, es ist Co-Headliner-Zeit – der perfekte Moment für einen launigen Auftritt der APOKALYPTISCHEN REITER. Zunächst etwas verhaltene REITER-Rufe tragen die Mannen um Sänger Fuchs auf die Bühne. Dort nehmen unsere ostdeutschen Freunde Aufstellung und skandieren: "Habt Ihr Angst vor der Freiheit?"
Natürlich hat niemand Angst vor der Freiheit. Führer Fuchs hat die großen Posen im Griff. Arme ausgebreitet, hinter dem Rücken verschränkt, hier mal eine wohlgeführte Geste, dort mal ein Zeigen in das Publikum: Zu den Klängen von 'Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit' vom neuen Album "Tief.Tiefer" werden zwei Dinge klar. Der Sound im RockHard-Rund ist dominiert von den verstärkten Bässen und der Stimme des Sängers. Und: Die REITER haben sich verändert. Wo früher eine amüsierte Anarchie ausgerufen wurde, herrscht heute eine distanzierte Professionalität. Die hintergründige, aber humorvolle moralgeschwängerte Leichtigkeit, mit der zumindest ich die APOKALYPTISCHEN REITER verbunden habe, die der Band Tiefe verliehen hat, ist hinter den satten Bässen, den uninspirierten Ansagen und dem Klick-Zwang verborgen - oder sogar vollständig verloren? Alles in allem wirkt der Auftritt viel zu perfekt. Und doch: Wenn auch nicht auf den Rängen – im Pulk vor der Bühne ist das egal. Natürlich zünden die stampfenden Rhythmen und das junge Publikum hat Spaß mit der 'Revolution'. Der Rest genießt die letzten Sonnenstrahlen des Tages, hofft auf mehr Songs vom Über-Album "Samurai" und lässt sich auch durch die REITER nicht den perfekten Moment vermiesen – bevor es nicht nur dunkel wird, sondern Tom Gabriel höchstpersönlich die Sonne in ihre Schranken verweist.
TRIPTYKON (21:30 - 23:00 Uhr)
Die Sonne nervt zwar noch immer, aber es gibt in Gelsenkirchen einen Mann, der sie zu bekämpfen weiß. Die Rede ist natürlich von Tom G. Warrior, der bereits zum zweiten Mal mit TRIPTYKON das Festival Lineup anführt. 'Black Snow' eröffnet den schwarzen Reigen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit das musikalisch unverdaulichste Programm des ganzen Wochenendes darstellt.
Mit nahezu stoischer Gelassenheit beherrscht der Schweizer die Bühne, mit gekrächzten Beschwörungsformeln zieht er das Publikum in seinen Bann und mit markerschütternden Akkorden donnert die P.A. ein tiefes Unwohlsein ins Gemüt. Beklemmend, aber trotzdem mächtig und erhaben rollt die wortwörtliche Tonwalze über das Publikum hinweg, das zu Teilen nicht weiß, wie ihm geschieht. Selten ist eine Band näher an der Essenz extremer Musik als TRIPTYKON heute Abend, wo nicht spektakuläre Spielkunst oder provozierendes Getue im Vordergrund stehen, sondern eine tief empfundene Abneigung gegenüber allen Sonnenblümchen und Einhörnern in der Welt. Mit 'Circle Of The Tyrants' und 'Messiah' reihen sich zwei alte Klassiker aus der Feder Warriors in ein famoses Set ein, das monolithischer und morbider tatsächlich nicht sein könnte. Wenn Musik Eskapismus und Kunst in einer Form sein will, dann ist sie es heute Abend. In jedem Akkord steckt Authentizität, von Show zu sprechen hätte beinahe etwas frevlerisches. Der Mann ist ein integres Szene-Schwergewicht und setzt seine musikalische Vision ohne Kompromisse auch live um. Dass der heutige Auftritt dem gegangenen beziehungsweise gegangen gewordenen Götz Kühnemund gewidmet wird, ist sicherlich eine interessante Randnotiz. Um aber bei der Musik zu bleiben: TRIPTYKON markiert den würdigen Abschluss eines fantastischen Festivalauftaktes. Mehr Black/Death Metal geht nicht.
- Redakteur:
- Nils Macher