Rockharz Open Air 2013 - Ballenstedt
29.07.2013 | 21:3311.07.2013,
20. Rockharz Open Air - ein beeindruckendes Jubiläum!
Der ALPHA TIGER startet am Freitagmorgen einen sirenenhaften Weckruf! Die Band hat ihren US Metal und vor allem Sänger Stephan seinen (jungen) Geoff Tate gelernt. Nicht nur musikalisch, sondern auch beim Outfit und der Performance hat man sich ganz dem klassichen Heavy Metal der 80er-Jahre verschrieben: Leder, Nieten, Spandexhosen und herumwirbelnde Mikrofonständer sind hier die Pflicht und nicht die Kür! Die Kür ist es nämlich, neben so viel ehrlicher Begeisterung für den Heavy Metal auch gute eigene Songs zustande zu bringen, doch auch in der Kür haben ALPHA TIGER mit Bravour bestanden, wie 'We Came From The Gutter' und 'From Outer Space' beweisen.
Ein Großteil des Publikums, das von ALPHA TIGER heiß auf mehr gemacht wurde, wird von FURIOUS ANGER wieder vertrieben. Die präsentieren ihren über Standards nicht hinauskommenden Death Metal nämlich so müde, dass selbst die paar verbliebenen Mörtel-Fans in der ersten Reihe nicht wissen, was sie nun am besten tun sollen. Da bringt es auch nicht viel, sich zwischen englischen und deutschen Texten nicht so ganz entscheiden zu können und sein Songmaterial so variationsarm zu gestalten, dass man als unbedarfter Zuhörer den Eindruck hat, achtmal das gleiche Lied zu hören. Wie man damit im letzten Jahr den Devil's Wall-Contest gewinnen konnte, bleibt unklar.
Rechtzeitig zur Mittagshitze betreten die Melodic Metaller von ORDEN OGAN die Rock Stage. Trotz gefühlter 30 Grad im Schatten sind die vier Herren natürlich in voller Weltuntergangs-Montur erschienen. Auf die Bühne geleitet sie eine Art dunkler Sturmtruppler, der jedem Bandmitglied sein Gewehr an den Kopf hält. Die Arnsberger scheinen also nicht ganz freiwillig vor Ort zu sein. Gut, dass man diesen Umstand den nun folgenden vierzig Minuten nicht anmerkt. Der Auftritt ist wie gewohnt spaßig anzuschauen, die Refrains sind ansteckend und zum Headbangen gibt es genügend Möglichkeiten. Leider hat die Band nach mehreren Besetzungswechseln mittlerweile keinen Keyboarder mehr, weshalb vieles vom Band eingespielt wird. Auch die tollen Chöre, die es auf den letzten Alben zuhauf gibt, sind live eher schwer umzusetzen. Das ist wohl der Preis dafür, so ausgefeilte Kompositionen zu stricken. Umso schöner ist es aber zu sehen, dass die beiden Neuen sich nahtlos in die Band einfügen und live viel Freude zu haben scheinen. Noch sympathischer macht den Auftritt die Tatsache, dass Seeb während 'The Things We Believe In' einmal zu früh den Refrain ansetzt und diesen Fauxpas einfach weggrinst. Leider verzichtet man heute auf den etatmäßigen Rausschmeißer 'Angels War', der seit jeher jedes Konzert von ORDEN OGAN beendet. Ich hoffe, dass dies an dem viel zu frühen Slot liegt und nicht zur Regel wird.
Mit der Titelmelodie des Westernklassikers 'The Good, The Bad and The Ugly' als Intro versucht EMERGENCY GATE Atmosphäre zu erzeugen, doch ihr emotionsloser Melodic Death Metal ohne Flair lässt das Kartenhaus der Stimmung zügig in sich zusammenfallen. Nur ein paar unentwegte Genrefans in den ersten Reihen gehen mit, der Rest verfolgt das Geschehen desinteressiert und wartet auf die EXCREMENTORY GRINDFUCKERS.
Die EXCREMENTORY GRINDFUCKERS drehen Klassiker aus Rock, Pop und Schlager durch den Grindwolf. Das bringt ihnen um 14 Uhr immerhin den größten Publikumszuspruch des bisherigen Tages ein. Auch die ersten Crowdsurfer werden schon gesichtet! Man stolpert mit viel Wortwitz über die Bühne, greift in Modefragen zielsicher daneben, wie Hawaihemden und Leopardenanzüge beweisen, und nimmt alles, nur sich selbst nicht ernst. So antworten auch die Fans auf die ironische Frage, ob Sie Späß hätten, wie vereinbart mit "Vielleicht!". Spaß hat einer mit Sicherheit: Mike, der neue Mann am Keyboard, scheint den ganzen Auftritt über unter Strom zu stehen und hüpft in Passagen ohne Keyboard wie ein Flummi über die Bühne. Neben dem schon erwähnten Wortwitz ist die Kommunikation mit dem Publikum die große Stärke dieser Band, denn sie lockert die unumstößliche Grindwand hörbar auf.
Für Black Metal ist es einfach noch zu früh und zu hell am Tag. Anders kann man nicht erklären, warum sich zu MELECHESH nur wenige Schwarzheimer eingefunden haben. Die feiern den melodisch-komplexen Black Metal aus Fernost aber gebührend ab und so vergrößert sich der Zuschauerkreis verdientermaßen nach und nach.
Den Überraschungsauftritt schlechthin zeigt für mich eindeutig ARKONA aus Russland. In Erwartung eingängigen Folk Metals mit viel Gekreische dazwischen geselle ich mich unter die zahlreich erschienenen Fans, die Frauenquote ist hierbei überdurchschnittlich hoch. Doch was dann passiert überzeugt nicht nur mich von den Qualitäten dieser Band. Das russische Songmaterial, in meinen Augen ist das alleine schon ein Pluspunkt, wird mit viel Herz und Seele vorgestellt. Trotz der Hitze trägt die Band Fell und Sängerin Masha läuft, im Gegensatz zum Bassisten, der sich tatsächlich während des gesamten Auftritts kein Stück bewegt, von einer Bühnenseite zur anderen. Generell muss der Gesang hier lobend erwähnt werden. Dass man so nahtlos zwischen Growling, Shouting und dramatischem Gesang wechseln kann, ist für meine Ohren eine ganz neue Erfahrung. Auch der Einsatz traditioneller Instrumente ist spannend. Dass die große Handpauke dann mehr zur Show als zum Sound beiträgt, fällt nicht weiter ins Gewicht. Während die ersten Songs des Sets noch tiefgründiger und progressiver sind, gibt es zum Ende eher stimmungsvollen Feier-Metal. Aber das ist ja auch nicht verkehrt, denn dazu ist so ein Festival schließlich da. Die Entdeckung des ROCKHARZ 2013!
Die holländischen Gothic Metaller DELAIN erweisen sich nun mit vielen netten Ohrwurmmelodien und der guten Publikumskommunikation von Frontfrau Charlotte Wessels, als beste NIGHTWISH-Kopie [Na ja. Jakob] Leider sind aber viele Leute vor allem zum “Sängerin gucken“ da...
Bei der nächsten Band ist der Ansturm schon mal groß. Ist ja auch logisch. Denn was will man auf einem Festival? "Rum and Wenches", ist doch klar! Leider fällt direkt zu Sekunde eins etwas auf: Der Sound ist viel zu leise. Schon das MIDI-Intro zur ALESTORM-Show ist durch das Gegröle der versammelten Piraten kaum zu hören. Auch während der Show gibt es hier kaum Verbesserungen, das drückt ganz schön auf die Stimmung. Ansonsten kann die Band heute natürlich nicht viel falsch machen. Das Wetter ist super und alle sind bester Laune, da tut der eingängige Folk Metal der Schotten sein Übriges. Frontmann-Weirdo Chris Bowes hüpft wie gestochen über die Bühne und trinkt ein Bier nach dem anderen, Gitarrist Dani Evans tut es ihm gleich. Der Rest der Band bleibt etwas blass, und seit wann hat man noch einen weiteren Keyboarder dabei? Und warum? Jetzt gibt es neben dem tragbaren Gerät des Sängers noch ein weiteres. Ein soundtechnischer Unterschied ist nicht zu vernehmen. Auch die Ansage "Haseroder ist der beste Bier der Welt" möchte man nur ansatzweise unterschreiben. Ansonsten ein Auftritt wie immer: Man möchte trinken und feiern! Ziel erreicht, ALESTORM!
DARK TRANQUILLITY hat gerade mit "Construct" ein starkes Album abgeliefert und steuert auf das 25-jährige Bandjubiläum zu. Entsprechend groß ist der Andrang und die Band um den charismatischen Sänger Mikael Stanne startet gleich mit 'Terminus (Where Death Is Most Alive)'. Leider fällt der matschige Sound negativ ins Gewicht, gerade eine Band wie DARK TRANQUILLITY braucht meines Erachtens einen ausgewogenen transparenten Sound. Gespielt wird vor allem älteres Material, vom neuen Album gibt es 'Endtime Hearts' und natürlich die Auskoppelung 'Uniformity'. So richtig begeistert bin ich von dem Gig leider nicht, was ein Stück weit auch am Sound gelegen haben mag, aber irgendwie ist der Funke heute nicht übergesprungen. Solide war das jedoch allemal.
Mehr als ein müdes Lächeln hatte ich bisher für die Extreme Power Metaller von DRAGONFORCE nicht übrig. Die ewig gleichklingenden und unnötig in die Länge gezogenen Songs mit den nervigen, endlosen Nintendo-Sound-Soli fand ich bisher eher albern und habe die Band daher live gemieden. Doch dieser Auftritt heute auf dem ROCKHARZ ist richtig gut. Das neue Goldkelchen Marc Hudson macht seine Rolle richtig gut und trifft jeden noch so hohen Ton, die Gitarrenduelle zwischen Hermann Li und Sam Totman sind dermaßen inszeniert, dass es eine Freude ist, sie anzusehen. 'Through Fire And Flames' darf ebenso wenig fehlen wie das neuere 'Cry Thunder'. Zugegeben, das hat Laune gemacht.
[Jakob Ehmke]
ICED EARTH erteilt uns eine absolute Lehrstunde, was echten Power Metal betrifft. Das Sängerkarussell muss nun einfach stillstehen, damit es mit der einstigen US Metal-Institution wieder aufwärts gehen kann. Noch einen Sänger, der sowohl die großen gefühlvollen Halbballaden als auch die halsbrecherischen schnellen Songs mit Leben füllen kann, wird Jon Schaffer nämlich nicht mehr auftreiben können. Long live Stu Block! Die zahlreich vor der Dark Stage erschienenen Fans sehen das kein Stück anders, fressen den US-Amerikanern buchstäblich aus der Hand und feiern in der zu knapp bemessenen Stunde Spielzeit die großen Klassiker und Songs des aktuellen Werks "Dystopia" gleichermaßen ab, wobei natürlich besonders bei 'I Died For You' und 'Watching Over Me' die Gänshaut allgegenwärtig ist.
Auch ohne Udo Dirkschneider funktioniert ACCEPT ganz hervorragend. Das ist nach mehreren großen Tourneen und den beiden Superalben "Blood of the Nations" und "Stalingrad" keine neue Erkenntnis mehr, aber im Harz kam diese Wahrheit im Vorfeld des Konzerts eher brockenweise an. Doch Mark Tornillo kann auch hier und heute die allermeisten Zweifler auf seine Seite ziehen, denn er ist mittlerweile sehr gut in die großen Fußstapfen, die der German Tank hinterlassen hat, hineingewachsen. ACCEPT tritt als echte Einheit auf und zelebriert das Fundament, auf dem der deutsche Heavy Metal gebaut ist, dass es eine Art hat. Erst mischt man neue Hits mit Geheimtipps aus den goldenen Achzigern und packt auf der Zielgerade die ganz großen Klassiker aus, sodass es spätestens jetzt kein Halten mehr gibt. Da nun vermutlich jeder seinen Fehler, diese fantastsischen Musiker auf "einen" Sänger zu reduzieren, eingesehen hat, erweist sich ACCEPT mit diesem überragenden Auftriit als perfekter Headliner.
SOULFLY, mit dem deutlich in die Jahre gekommenen Max Cavalera, spielt heute den "Late Night Slot" und bringt trotz später Stunde ordentlich Bewegung in die ermüdete Menge. 'Prophecy' macht den Anfang und sofort gibt es keinen Halt mehr. Auch wenn Herr Cavalera sich nicht mehr allzuviel bewegen mag, hat das offenbar keinen Einfluss auf den Bewegungsdrang des Publikums. Zudem wirbelt hinter dem Schlagzeug sein 20-jähriger Sohn, was das Zeug hält, sogar die Snare muss ausgestauscht werden. Weiter geht es mit 'Back To The Primitive', aber auch 'Refuse/Resist' darf natürlich ebenso wenig fehlen wie 'Territory'. Einige Circle Pits und etliche "Jump da fuck ups" später ist die Puste raus. Das war ganz schön cool.
[Jakob Ehmke]
- Redakteur:
- Jakob Ehmke