Rush - Stuttgart
20.09.2004 | 12:1519.09.2004, Schleyerhalle
RUSH haben sich in deutschen Landen rar gemacht. 12 Jahre musste man hier auf die drei Kanadier verzichten, ehe man bei RUSHens ein Einsehen hatte, und sich entschied, unser krautenes Volk mit einigen Terminen der Tour anlässlich des 30. Jubiläums unserer Helden zu beglücken.
Die zu Dreivierteln durch einen Vorhang abgeteilte Schleyerhalle füllte sich zu unserer großen Verwunderung zunächst recht schleppend, dann aber stetig mit einem recht gut gemischten Publikum bestehend aus Altrockern, Neoproggies, Metallern, etc. sodass die Halle zwar nicht brechend voll, dennoch aber gut besucht war.
Ich nehme stark an, dass die ersten Reihen überwiegend von Musikern bevölkert waren, die artig Aufstellung bezogen hatten, links die Gitarristen, rechts die Bassisten, und in der Mitte die Schlagzeuger.
Diese sollten dann später bei Neal Pearts Solo entweder jeglicher Illusionen beraubt oder aber zu Höchstleistungen inspiriert werden. Aber der Reihe nach.
Nachdem eine Ansprache des Veranstalters bezüglich der Ablehnung der Haftung für Hörschäden, die ein Großteil des Publikums allerdings als Gag aufnahm, gehalten wurde, erschienen relativ pünktlich gegen 19:30 Geddy Lee, Alex Lifeson und Neil Peart auf der Bühne, und ließen ohne Umschweife ein Medley auf das frenetisch jubelnde Publikum los.
Überhaupt wurden RUSH während der ganzen Zeit permanent abgefeiert, sodass die Menge zuweilen fast lauter war als der von der Bühne herüberwehende Wohlklang.
Apropos Wohlklang, sehr richtig, der Sound ließ wenig zu wünschen übrig, was in der Schleyerhalle auch schon eine Leistung ist.
Während der bunten Mischung aus dem 30jährigen Schaffen der Band war es immer wieder ein Genuss, mit anzusehen, wie fit und agil die drei mit ihren inzwischen über 50 Lenzen sind (rechnet man das Alter der einzelnen Musiker zusammen, und zieht dann die Quadratwurzel, kommen beeindruckende 12.409674 heraus!).
Der schmächtige Geddy Lee wirkte hinter seinen mächtigen Fender-Bässen fast verloren, ansonsten aber meinte man, einen Mitte 20-jährigen auf der Bühne zu sehen. Nur in Großaufnahme auf der Videoleinwand waren einzelne Runzeln zu erkennen, die ihm eine charmante Ähnlichkeit mit der Sorte Oma verliehen, die man gelegentlich Tauben fütternd im Park beobachten kann.
Nach dem THE WHO-Cover "The Seeker" und "One Little Victory" endete das erste Set nach 90 Minuten, und RUSH entließen die Menge in eine kurze Pause.
Nach der Pause kamen RUSH nicht etwa sofort wieder auf die Bühne, vielmehr lief auf der Videoleinwand, die übrigens während des gesamten Konzerts Animationen, Videoclips und Kameraeinstellungen von Livegeschehen zeigte, der Zeichentrickfilm "Darn that Dragon",
der als Mischung aus "Thunderbirds" und der Augsburger Puppenkiste unsere Helden von RUSH in Form von Puppen in Form der am Merchandising-Stand erhältlichen Wackelfiguren zeigte, wie sie die Welt, und viel wichtiger, einen Stand mit RUSH-Merchandising vor einem feuerspeienden Marionettendrachen verteidigen.
Danach ging man mit "Tom Sawyer" wieder in den offizellen Teil über.
Höhepunkt des 2. Sets jedoch war Neil Pearts Drumsolo. Und das behauptet an dieser Stelle jemand, der keine Drumsoli mag.
Nach getaner Arbeit verschwand der völlig verschwitze Neil erst einmal backstage, was Geddy Lee und Alex Lifeson zum Anlass nahmen, die beiden Songs "Resist" und "Heart Full Of Soul" akustisch vorzutragen.
Inmitten von "Heart Full Of Soul" stieg dann auch ein deutlich erfrischt aussehender Neil Peart wieder dazu, und so war das Trio bereit, mit einer aufs Wesentliche reduzierten Fassung von "2112", gefolgt vom Instrumental "La Villa Strangiato" nochmal richtig Stoff
zu geben.
Das anschliessend dargebotene "By Tor & The Snow Dog" enthielt eine Art Jam-Part, in dem Alex plötzlich anfing, völlig schräg ins Mikro zu jaulen, und einen Blues-Sänger karikierend irgendwelche schmachtenden Laute von sich zu geben, während er auf der Gitarre einige ebenso schmachtende Licks spielte, um dann etwas zu tun, was sich nur als
"rückwärts singen" bezeichnen ließe. Zu guter letzt benutzte er noch einen Gartenzwerg, den ihm wohl ein Fan auf die Bühne gestellt hatte, als Plektrum. Geddy, der dicht am Schlagzeug stand, und mit Neil für ein groovendes Fundament für Alex Eskapaden sorgte, grinste über beide Ohren, und selbst anschliessend hatte Geddy Lee offensichtliche Schwierigkeiten, sich einzukriegen.
Für "Xanadu" holte Alex Lifeson seine zweihälsige Gibson SG hervor, und für "Working Man" am Ende des Sets bemühte er seine Semiakustik. Danach verschwand man von der Bühne, hinein in den vermeintlichen Feierabend.
Dieser sollte nicht lange währen, das jubelnde Publikum verlangte nach mehr.
So kam es dann, daß dieser großartige Gig nach 3 Zugaben und knapp dreieinhalb Stunden Spielzeit zu Ende war, und man selbst um die Erkenntnis reicher, daß sich progressive Rockmusik und ein gewaltiger Arschtrittfaktor keineswegs ausschliessen müssen.
Ich habe keinerlei Zweifel, daß RUSH auf ihrer Tour zum 40. Geburtstag genauso rocken werden.
Setliste:
Medley: Finding My Way / Anthem / Bastille / Bangkok / Cygnus / Prelude
The Spirit of Radio
Force Ten
Animate
Subdivisions
Earthshine
Red Barchetta
Roll The Bones
Bravado
YYZ
The Trees
The Seeker
One Little Victory
Pause
Tom Sawyer
Dreamline
Secret Touch
Between the Wheels
Mystic Rhythms
Red Sector A
Drum Solo
Resist (akustisch)
Heart Full of Soul (akustisch)
2112 (gekürzt)
La Villa Strangiato
ByTor & the Snow Dog
Xanadu
Working Man
Zugaben:
Summertime Blues
Crossroads
Limelight
- Redakteur:
- Thomas Woinke