SABATON, BABYMETAL und LORDI - Leipzig

23.05.2023 | 14:46

06.05.2023, QUARTERBACK Immobilien ARENA

All Noisy on the Western Front.

Gleich drei Bands dürfen wir an mehreren Orten sehen - während Stefan in Leipzig vor Ort ist, bin ich in München. Leider ist der Auftritt von LORDI schon gestartet, obwohl es um 19:00 Uhr losgehen sollte. So was finde ich ärgerlich! Übrigens ist das ein totales Deja Vu für mich: Mein allererstes Metal-Konzert 2005 ging auch zu früh los, und Opener damals war: LORDI!

Heute gibt es eine großartige Bühnenshow mit wunderbaren Kostümen und vielen wirklich starken Songs. Ich glaube, dass viele Leute LORDI zu Unrecht auf den ESC-Hit reduzieren. Denn die Jungs haben viel mehr zu bieten als "nur" 'Hard Rock Hallelujah' - wobei auch dieser Song vorzüglich funktioniert. Die oberen Ränge der Olympiahalle sind noch nicht allzu gut gefüllt, auf dem Parkett ist die Stimmung aber bereits klasse. Für mich ein wirklich schöner Einstieg in einen guten Abend.

[Jonathan Walzer]

 

Auch in Leipzig wird überpünktlich angefangen, was aber für mich und unseren Fotografen kein großes Thema darstellt, da wir aufgrund des Interviews mit SABATON-Sänger Joakim eh pünktlich vor Ort sind. Und tatsächlich ist die Immobilien-Quarterback-Arena auch schon extrem gut gefüllt und auch bereits beim Opener in Feierlaune. Ich selbst habe LORDI zwar schon ein Dutzend Mal auf Festivals erlebt, aber der heutige Auftritt gefällt mir außergewöhnlich gut. Das ist durchaus überraschend, da sich der Masken- oder Kostümeffekt natürlich über die Jahre komplett abgenutzt hat und die Band nun quasi gezwungen ist, musikalisch zu überzeugen – und das tun die Finnen wirklich gut. Die drei neuen Nummern vom aktuellen Album "Screem Writers Guild" funktionieren live hervorragend und fühlen sich zwischen dem restlichen Best-Of-Programm pudelwohl. Fast wie ein Ghoul auf dem Friedhof.

Klingt vielleicht nicht so positiv, aber für mich ist ein ca. 40-minütiger Set für diese Band die ideale Länge. Bevor auch nur eine Minute Langeweile eintreten kann, ist der "Spuk" dann auch vorbei. Ich gebe zurück nach München.

Setliste: Dead Again Jayne; Would You Love A Monsterman?; Thing In The Cage; Blood Red Sandman; Lucyfer Prime Evil; Devil Is A Loser; Who's Your Daddy?; Hard Rock Hallelujah

[Stefan Rosenthal]

Dann kommt, was wir alle befürchtet hatten: BABYMETAL. Aber Moment mal, vom ganzen Stageacting her ist das natürlich schon wunderbar gemacht. So eine Choreographie gibt es im Metal-Zirkus sonst nicht, und auch die Lichtshow ist Weltklasse. Während die Finnen davor mit Kostümen punkten konnten, ist es also bei den Japanerinnen eher die Verbindung aus Tanzeinlagen und Beleuchtung, die unterhält. Ein Problem bleibt aber: Musikalisch ist das nicht nur belanglos, sondern oft wirklich nervig. Der kitschige, hohe Gesang stört, auch die schroffen Industrial-Riffs passen nicht zum erdigen Hard Rock von LORDI oder zum melodischen Metal von SABATON. Auf dieser Tour ist die Band deplatziert, auch wenn das nicht alle so sehen - eine kleine Gruppe auf dem Parkett geht tierisch ab. Alle, mit denen ich spreche sind dagegen froh, dass die Spielzeit recht knapp ist.

[Jonathan Walzer]

Also ich hatte keine Befürchtungen vor BABYMETAL. Im Gegenteil, ich freue mich auf eine weitere Band, welche ich bisher live noch nicht bewundern konnte. Außerdem beweisen unzählige YouTube-Videos, dass diese "Band" es versteht, visuell die Hütte abzureißen – und dabei geht es nun mal bei diesem Tour-Package auch primär. Für mich soll sich heute Abend eher entscheiden, ob ich mir diese wahnsinnig spannende Gruppe im Winter nochmal auf ihrer Headliner-Tour durch Deutschland ansehe. Und die Antwort lautet – ich weiß es nicht. Ich bin genauso irritiert, wie nach den ersten Konzertimpression auf der Videoplattform oder den ersten Songs in einer Playlist. Johnny beschreibt es schon ganz gut – viele Personen um mich herum sind auch maximal verwirrt und wissen das nicht richtig einzuordnen. Bei einem Großteil des Publikums ist es eben mit einer Zuneigung zum J-Pop oder Kawaii nicht weit her. Mit ein bisschen klischeebehafteter Brille könnte man meinen, dass man heute in Leipzig ganz genau erkennt, wer über einen TikTok-Account verfügt oder nicht. Mein persönliches Problem ist eher die Setlist des Abends. 'Babymetal Death' ist als Opener viel zu sperrig und wirkt verschenkt und der komplette Verzicht von Songs vom, aus meiner Sicht, stärksten Album "Metal Galaxy", ist ein Unding. Okay, ein Duett mit Joakim zu 'Oh! Majinai' wäre vielleicht zu viel der Wünsche gewesen, aber meinen absoluten Lieblingssong 'Shant Shanti Shanti' nicht zu bringen ist ein Frevel. Da hilft auch die tollste Choreografie zur Schokoladen-Hymne nicht. Somit tendiere auch ich heute Abend mit meinen verschränkten Armen eher zur Trve Metal Battalion, welche standhaft dem japanischen Stakkato-Licht-Gewitter standhält und auf die "Erlösung" aus Schweden hofft. Wie geht's Herrn Walzer wohl mittlerweile?  

Setliste: Babymetal Death; Megitsune; Pa Pa Ya!!; Metal Kingdom; Monochrome; Gimme Chocolate!!; Road Of Resistance

[Stefan Rosenthal]

Nach einem weiteren zu teuren Bier geht es los: SABATON bringt einen Panzer, haufenweise Pyrotechnik und eine gute Songmischung mit. Als Fan der ersten Stunde (ich war 2006 in Lichtenfels schon dabei, als sie Opener für EDGUY und DRAGONFORCE waren!) habe ich vor allem Spaß an den älteren Tracks - 'Carolus Rex', 'Ghost Division' oder 'Primo Victoria' sind meine Highlights. Aber auch die neueren Titel funktionieren, die Halle wird mitgerissen. Es gibt gute Gitarrensoli, starke Chor-Einlagen, gut durchdachte Video-Einspielungen und die wohl beste Bühnenshow, die ich bisher gesehen habe.

Das '1916'-Cover hilft zudem, sich von der Kriegsthematik auch abzugrenzen - hier wird nicht verherrlicht, sondern erzählt. Ich gebe zu: Die letzten SABATON-Alben haben mich nicht mehr abgeholt, die Songs waren recht einfältig und die Produktion glatt. Live packt mich das aber. Ich habe echt Spaß an der Show, verstehe, was viele Leute an dieser Band so begeistert. Die Band hat sich diesen Erfolg hart erarbeitet, durch Gigs ohne Ende, sie steht zu Recht heute so weit oben auf den Billings und füllt problemlos die Münchener Olympiahalle mit über 15.000 Plätzen - nur wenige Sitzen wirken leer.

[Jonathan Walzer]

Also ich bin mit Sicherheit keine Mata Hari, aber trotzdem habe ich es als ausgewiesener SABATON-Kritiker in den Golden Circle geschafft und zücke gierig mein Notizheft, da ich mir sicher bin, bei so vielen negativen Aspekten, sonst den Überblick zu verlieren. Und was soll ich sagen? Am Ende steht nichts auf dem Zettel. Man muss die Band nicht mögen und tatsächlich kann einem auch dieser Abend musikalisch am Allerwertesten vorbeigehen, denn es passiert so absurd viel zeitgleich auf der Bühne das die Sinne sich direkt mal für ein Wellness-Wochenende anmelden. Explosionen und Feuerfontänen und eine stetig variierende Videoleinwand sind hier nicht genug.

Nein – es gibt auch noch eine Handvoll Laiendarsteller in Kostümen und jede Menge Gimmicks, die die Aufmerksamkeit sich überschlagen lassen. Beispiele gefällig? Während bei 'Sarajevo' das Attentat auf die Bühne gebracht wird, bekommen die Fans bei 'Stormtroopers' Besuch von den gefürchteten Flammenwerfern. Harter Tobak – aber wir machen mal den Kopf aus. Bei 'Chrismas Truce' und 'Soldiers Of Heaven' darf es dann tatsächlich auch in der Halle schneien. Das ist schon…ähm cool.

Aber "leider" macht mein Kopf mir dann doch einen Strich durch diese Party-Panzerfahrt. Der Doppelschlag 'Father' und 'The Attack Of The Dead Men' zeigt deutlich die Schwachstellen der Band. Hier geht die Text-Musik-Schere zu weit auseinander und das ist lyrisch bei dem Thema halt so kindlich-naiv umgesetzt, dass ich es nicht hören will. Und live schon mal gar nicht, wenn wir erst mit Tafel und Kreide und einem weiteren Schauspieler die Entdeckung von Giftgas miterleben dürfen, um dann die Wolke bei ihrer Arbeit zu bewundern. Das geht so weit, dass in den ersten Reihen Masken mit aufgedruckten Blutflecken verteilt werden, um so den Tod und das Leid in den Schützengräben zu verdeutlichen (oder halt einen neuen Merchandising-Artikel zu etablieren).

Zum Glück beendet der Weihnachtssong das reguläre Set dann mit einer deutlich positiveren Note. Während der Auftritt bisher seinen Fokus primär auf den ersten Weltkrieg gelegt hat, gibt es jetzt nochmal drei Klassiker auf die Ohren, welche die Fans nochmal komplett in der Halle eskalieren lassen.

'Primo Vicotria' fegt über die Massen hinweg wie ein Wirbelsturm, die 'Swedish Pagans' animieren die Crowd zum Kollektivrudern, wie in besten AMON AMARTH-Momenten und der Schlusspunkt 'To Hell And Back' (nicht auf den Text hören, Stefan) lässt die Menge nochmal tanzen, jubeln und feiern als hätte SABATON grade durch dieses Konzert einen internationalen Konflikt gelöst. Wie sieht nun mein Fazit aus? In einem Livereview macht es wenig Sinn auf die Texte oder Songs an sich einzugehen – da es jedem Besucher ja zu Beginn schon klar sein sollte was ihn erwartet. Ich selbst hätte mir mehr Songs von "The Great War" erhofft und mit '82nd All The Way', 'Devil Dogs' oder 'Seven Pillars Of Wisdom' gerne das Chemical-Warfare-Duo ersetzt. Denn der Rest war durchaus spaßig und konnte selbst mich mitreißen. Insbesondere für Menschen, für welche das Visuelle oder der Showaspekt einer Live-Show sehr wichtig sind, gehören die Schweden mittlerweile zu den wichtigsten Bands des Planeten.

Setliste: Ghost Division; Bismarck; The Last Stand; Into The Fire; Carolus Rex; Winged Hussars; Sarajevo; Stormtroopers; 1916 [MOTÖRHEAD-Cover]; Soldier Of Heaven; Dreadnought; The Red Baron; Father; The Attack Of The Dead Men; Christmas Truce; Zugabe: Primo Victoria; Swedish Pagans; To Hell And Back.

[Stefan Rosenthal]

Insgesamt ein rundum gelungener Konzertabend, mit ein paar kleinen Problemen: Warum spielt die erste Band schon vor 19:00 Uhr, wenn diese Zeit als Konzertbeginn angegeben wird? Und warum gibt es bei keiner der Bands ein T-Shirt für unter 40 €?

[Jonathan Walzer]

In der Tat kann ich Johnnys Verdruss aufgrund der T-Shirt-Preise nachvollziehen. Ich habe mir erst vor kurzem bei THRESHOLD das Tour-Shirt für 20 EUR gegönnt. Es geht also auch 2023 günstiger und 40 EUR sollte bitte nicht der Standard werden. Zur Not werden dann eben Getränkebecher das neue Konzertandenken. Auch SABATON hat mehrere Motive zur Auswahl und für 2-3 EUR bekommt man somit zumindest ein kleines Erinnerungsstück, insbesondere wenn auch die Tickets mittlerweile immer mehr wegfallen (siehe z.B. METALLICA). Ich jedenfalls habe mir zwei Exemplare gegönnt, welche mich an diesen Blockbuster-Abend mit LORDI, BABYMETAL und SABATON erinnern werden. Das nächste Konzert darf jetzt aber durchaus minimalistischer sein und durch Schlichtheit begeistern. Ich glaub ich fahr zu CAT STEVENS…

[Stefan Rosenthal]

Redakteur:
Jonathan Walzer

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