SAHARA - München
05.01.2011 | 16:0826.11.2010, Interim
Eine Legende aus München bittet zum Tanz. Originaler Kraut- und Prog-Rock der ersten Stunde.
Ein neues Kapitel in der nie endenden Geschichte "wie ich meine Stadt kennen lernen sollte" gilt es am heutigen Abend zu schreiben. SAHARA lautet der Name der Lokalheroen aus den frühen Siebzigern (!), die sich nach 40 Jahren wieder dorthin zurücktrauen, wo alles begonnen hat: In das kirchliche Jugendzentrum Interim in Laim, einem Münchner Stadtteil. Ganze drei Konzerttermine wurden angesetzt, um den Fanmassen Herr zu werden – und in der Tat, die drei Tage waren derart gut besucht, dass zweimal sogar das "Ausverkauft"-Schild an die Tür gehängt werden konnte. Das Interesse an der Prog- und Krautrock-Band hat auch Jahrzehnte nach ihren Achtungserfolgen eine Daseinsberechtigung, davon konnten sich alte und neue Fans überzeugen, die in das gemütliche Zentrum gekommen sind.
In einem psychedelischen Licht präsentiert sich die Bühne, auf der ein wahres Sammelsurium verschiedenster Instrumente steht: Saxophon, Querflöte, Gitarren (Rickenbacker – hell yeah!), Bässe, ein Schlagzeug, Keyboards, Mundharmonikas, ein Gong und so weiter und so fort. Der Abend verspricht, variantenreich zu werden – obwohl sich das bei einer Prog-Rock-Band auch irgendwie so gehört. Pünktlich um 20 Uhr betreten sechs Männer die Bühne. Weiße Haare, schlecht kaschierte Rundungen, faltige, vom Leben gezeichnete Gesichter – dies sind oberflächliche Beobachtungen, denn wer genau hinsieht, erkennt sechs junge Männer, die sich vor Vorfreude grinsend ihre Instrumente packen, den Damen im Publikum vieldeutige Blicke zuwerfen und ganz genau wissen, dass sie die Stars des heutigen Abends sind. Voller Energie werden vier Jahrzehnte zwischen Jugend und Gegenwart hinweggefegt – und bei Betrachtung des begeisterten Publikums lässt sich schnell festhalten, dass dieses Konzept aufgeht.
Die ersten Töne stellen durchaus eine Überraschung dar: Zunächst werden die BEATLES mit 'Good Day Sunshine' gecovert, im Anschluss die großartigen JETHRO TULL mit einer gekürzten Fassung von 'Bouree', natürlich stilecht und originalgetreu mit grandioser Querflöte. Es ist ein schöner Einstieg, den die Jungs von SAHARA da gewählt haben, stellt das Spielen dieser Songs doch eine wunderbare Verbeugung vor den alten Helden dar, deren großartige Musik dazu geführt hat, dass die Band überhaupt existiert. Aber es ist auch eine klare Ansage, in welchem Zeitraum wir uns heute Abend bewegen: Einem Zeitraum, den der ein oder andere Anwesende selbst miterlebt hat. Doch traurige Nostalgie kommt nur selten auf, dafür steckt viel zu viel lustige Spielfreude in den Knochen der Musiker. Einzig, wenn Sänger Michael Hofmann mit seinen Mitmusikern zwischen den Songs in launigen Anekdoten von der gemeinsam erlebten Vergangenheit erzählt, hält der charismatischen Fronter ab und zu inne und lässt für einen kurzen Moment die Gedanken schweifen – so scheint es zumindest. Doch wir sind im Hier und Jetzt und mal ganz im Ernst: Ich bin für SAHARA etwa 20 bis 30 Jahre zu spät gekommen. Aber ich habe den Eindruck, nichts verpasst zu haben, im Gegenteil: Sechs großartige Musiker stehen da auf der Bühne, gesanglich und spielerisch einwandfrei und mit Spaß an der Sache: Es passt einfach alles. Und so lebt die Magie des klassischen Progs erneut auf.
Mit einem Querschnitt aus Songs der Vorgängerband SUBJECT E.S.Q. und eben SAHARA, die auf drei Schallplatten zurückblicken können, bietet der Konzertabend eine Menge. Seien es Hymnen, Prog-Opern oder groovige Beatklassiker – das Ouvre der Band ist breit gefächert und reißt ebenso mit, wie es zum Träumen gereicht. Die Fähigkeit der Musiker ist ohne Zweifel begeisternd, mit Nick Woodland steht sogar ein Gitarrist auf der Bühne, der wohl als einer der unterschätztesten Musiker seiner Zunft gelten muss. Die Soli, die aus den Ärmeln geschüttelt werden, sind schlicht großartig und passgenau. Auch wenn die Matten der Siebziger in den vergangenen Jahrzehnten auf der Strecke geblieben sind, so atmet der ganze Abend den Spirit jener Zeit. Und dafür dankt das Publikum mit tosendem, forderndem Applaus, der erst nach drei Stunden und Zugabepart ein wehmütiges, aber glückliches Ende findet.
- Redakteur:
- Julian Rohrer