SATAN, HAUNT und HELL FIRE - Hamburg
10.10.2024 | 14:1227.09.2024, Bambi Galore
Endlich eine Club-Tour der für mich besten NWoBHM-Band aller Zeiten!
Es ist Freitagabend. Für die meisten Menschen bedeutet dies, zwei freie Tage stehen bevor. Von daher war ich felsenfest davon überzeugt, dass das Bambi Galore am heutigen Abend aus allen Nähten platzen würde. Weshalb? Nun, das Paket HELL FIRE, HAUNT und SATAN sollte ausreichend viele Freunde finden, die das gemütliche Kellergewölbe in eine herrlich verschwitzte Partykatakombe verwandeln würde. Falsch gedacht, denn als wir dort ankommen, ist schon beim Einlass überraschend wenig los. Ein Umstand, der sich zwar im Laufe des Abends noch deutlich bessern soll, aber da habe ich das Bambi bei weitaus weniger spannenden Tourneen schon weitaus voller erlebt. So ist es dann schlussendlich zumindest ordentlich gefüllt und man kann sich trotzdem noch gut durchs Getümmel zwängeln, um Gelüsten nachzukommen. Ich rede von Durst, dem Gegenteil eben davon und von Frischluft, ihr kleinen Ferkel.
Zurück zum Geschehen. Eröffnet wird der muntere Reigen vom Frisco-Quartett HELL FIRE, welches ich bislang nicht einmal namentlich bemerkt habe. Dies, obwohl man bereits vier Longplayer am Start hat. Blind auf beiden Ohren? Gleich werde ich es wissen. Ein Kaugummi kauender Frontmann macht mir erstmal wenig Hoffnung, aber schon bei den ersten Takten stehe ich unter Flammen. Heiliger Bimbam, was ist denn das für ein energisches Thrash-Gewitter? Als Jake Nunn dann zum ersten Mal sein Gesangstalent unter Beweis stellt, bin ich zum zweiten Mal komplett begeistert. Sein kraftvoll hoher Gesang passt wunderbar zu den melodischen Riff-Attacken, die uns hier um die Ohren segeln. Obendrein präsentieren sich die vier jungen Wilden so selbstbewusst, dass es auch eine Augenweide ist, HELL FIRE live zu erleben. Eine technische Panne gleich zu Beginn belegt dann das Selbstbewusstsein, mit welchem die Band hier unterwegs ist. Man überbrückt das ganz lässig mit lustigen Sprüchen und setzt dann mitten im Song wieder an.
Geilomat! Lead-Klampfer Tony Campos im schicken TANK-Shirt posiert immer wieder auf den kleinen Monitorboxen und gibt dabei nicht nur optisch eine gute Figur ab. Songs wie 'Addicted To Violence' oder 'Thrill Of The Chase' gehen einfach sofort ins Blut und sorgen heute Abend für eine mehr als ausgelassene Stimmung auf und vor der Bühne. Nach diesem sensationellen Auftakt ist man sich im Publikum einig, lange nicht mehr so überrascht worden zu sein, denn HELL FIRE hatte vorher kaum jemand auf dem Schirm. Ganz, ganz toll!
Nach einer notwendigen Verschnaufpause mit Feucht von Oben und von Innen geht es zurück in den Keller, wo nun HAUNT zum Tanze bittet. Eine Band, mit der ich komischerweise etwas auf Kriegsfuß stehe, obwohl das musikalisch durchaus meine Kragenweite ist. Die seltsame Veröffentlichungspolitik, die mehr Kurz- als Longplayer umfasst, war dann in der Vergangenheit additiv wenig hilfreich, mich intensiver mit der Band zu beschäftigen. So kenne ich nur die ersten drei Longplayer und verzeinzelte Songs der Neuzeit. Die Mehrheit der Anwesenden scheint das anders zu sehen, denn das Quartett aus Fresno wird abgefeiert als gäbe es kein Morgen. Und genau so liefert die Truppe auch ab. Man merkt den Herrschaften die Bühnenerfahrung an, der Sound ist drückend, die Frisuren sitzen. Der Unterschied zu HELL FIRE: Es wirkt weniger enthusiastisch, irgendwie ernster und ein kleines bisschen "von oben herab". Schon die Ansage des Drummers vor Beginn der Show, man möge bitte den Nebel reduzieren, er hätte ausreichend davon inhaliert, kommt bei mir zwiespältig an. Ja, ich bin eine verkopfte Spaßbremse. Auch bei HAUNT steppt auf der Bühne der Bär und auch hier werden die winzigen Monitorboxen zum Posen bestens genutzt. Das macht alles Freude beim Zuschauen, aber aus unerklärlichen Gründen wollen erneut die Songs bei mir nicht wirklich zünden. Von daher will ich jetzt gar nicht länger über Musik schreiben, die ich offenbar nicht verstehe und halte lediglich fest, dass auch HAUNT bestens bei der bestens aufgelegten Meute sehr gut ankommt.Nun beginnt das gespannte Warten auf den Headliner SATAN. Wenn ich so zurückschaue, ist dies wohl tatsächlich meine erste Clubshow dieser Ausnahmeband, denn bisher habe ich die sympathischen Engländer immer nur auf Festivals gesehen. Sei es bei KIT, beim Metal Assault, HOA, oder beim Deaf Forever Geburtstag, eine Clubshow war noch nicht dabei, da ich die Tour als Support von RUNNING WILD damals krankheitsbedingt nicht erleben konnte. Ich bin ein bisschen aufgeregt, das geht auch mit grauen Ohren noch. Sehr schön.
Die Band betritt die Bühne und startet sofort furios mit 'Trial By Fire' und 'Blades Of Steel', Klassiker vom "Court In The Act"-Album, die heute sogar besser klingen als damals. Es ist die wahre Kunst, solche Granaten ins Hier und Jetzt zu liften. Sofort fällt auf, wie gut Brian Ross bei Stimme ist. Der gute Mann ist 72 – in Buchstaben: zweiundsiebzig – Jahre alt. Unfackingfassbar. Danach gibt es mit 'Ascendancy' den ersten neuen Klassiker vom "Earth Infernal"-Album. Kein Qualitätsverlust und vor der Bühne ist wortwörtlich der Teufel los. Steve Ramsey läuft die Suppe schon jetzt in die Schuhe, denn der gute Mann bangt sich komplett ins Nirvana. Brian ist wie gewohnt in Erzähl-Laune und auch wenn ich die eine oder andere Anekdote bereits gehört habe, stört mich das nicht die Bohne. Er ist einfach unterhaltsam.
Zurück zum 83er Werk mit 'Break Free' bevor mit 'Sacramential Rites' der erste Song vom brandneuen Knaller "Songs In Crimson" folgt. Was für ein Brett! So langsam kommt auch Graeme English auf Betriebstemperatur und der immer mega-aktive, drahtige Springfeder-Bassist läuft zu gewohnter Bühnen-Präsenz auf. Klare Worte von Brian zur Weltlage und weiter geht die wilde Fahrt mit 'The Devil's Infantry' und 'Incantations'. Russ Tippins auf der anderen Bühnenseite ist wie gewohnt in seinem Instrument versunken. Dieser Mann lebt seine Musik, denn mal sieht man in Textzeilen mitsingen, mal scheint er eins mit seiner Klampfe zu werden. Wie auch immer: So sieht Passion aus! Brian philosophiert über Dr. Who und es folgt 'Ophidian' bevor es mit 'Twenty Twenty Five' erneut in die Vollen geht. 'Turn The Tide' die Video-Single aus dem neuen Album folgt und sorgt für noch mehr Begeisterung. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Scheibe erst seit zwei Wochen auf dem Markt ist. Wahrscheinlich ist dies auch der Grund, weshalb es bei den beiden aktuellen Nummern bleibt und mein bisheriger Favorit 'Martyrdom' ausbleibt. Man kann nicht alles haben, auch wenn SATAN alles bietet. Paradox? Ebenso ist der Umstand, dass da vorn fünf Personen jenseits der 60 mehr Aktion bieten als so mancher Newcomer. Man darf sprachlos sein. 'Into The Mouth Of Eternity' und 'Testimony' setzen den erstklassigen Gig fort bevor es mit dem epochalen 'Alone In The Dock' zum finalen Genickschlag für alle Beteiligten kommt. Dieses Highlight aus der Frühzeit zeigt nochmal, wie gut Brian noch immer bei Stimme ist. Der absolute Wahnsinn.
Es war klar, dass dies nicht alles sein würde und ohne großes Brimbamborium entern die fünf Herren erneut die Bühne um uns 'Siege Mentality' um die Ohren zu hauen. Als wäre dies nicht schon genug, setzt Russ danach zu einer kleinen Exkursion in Richtung Jimi Hendrix an. Kann er natürlich. Als Einleitung zum finalen Finalschlag 'Kiss Of Death' ist dies natürlich doppelt passend. Ich schwebe auf Wolke Sieben und betätige noch mal eben die Karaoke-Funktion am Lungenflügel. Die Nachbarschaft musste leider leiden. Was für ein Abschluss einer absolut sensationellen Abfahrt! Der erneute Beweis, dass SATAN in dieser Form bitte noch eine ganze Weile aktiv bleiben darf.
Bombe!
Fotos von Tom aka metal_til_the_end (HELL FIRE) und Holger Andrae (2.Satan)
- Redakteur:
- Holger Andrae