SATYRICON - Glauchau

23.12.2009 | 19:15

18.12.2009, Alte Spinnerei

Final In Black - 18°C kann nur eins bedeuten: Frost Is In The House!

Das Thermometer zeigt -18,5° C an – klar, Frost hat sich ja auch angemeldet. Zusammen mit Satyr und Kollegen versprüht der Black-Metal-Tross Eiseskälte an diesem Freitagabend. Der letzte Abstecher ihrer "Final In Black"-Tour verschlägt sie ausgerechnet ins beschauliche Glauchau (gebt es zu, ihr wisst nicht mal wo das liegt). Aufgrund katastrophaler Wetterbedingungen erreichen wir die Alter Spinnerei erst kurz vor 20 Uhr. Kein Problem, denn laut Plan sollen POSTHUM erst 20 Uhr beginnen – denkste. Als wir die Spinnerei betreten, herrscht vor der Bühne noch große Leere, auf der Bühne dagegen nicht. Die Norweger zocken munteren Black Metal und können den einen oder anderen Gast schon zum Headbangen animieren. Leider ist nach einem Song auch schon wieder Schluss. Vielen Dank an die Organisatoren! 20 Uhr als offizielle Startzeit verkünden und dann, bei solch einem Wetter, wo jeder fast doppelt so lang anreisen muss, zu früh beginnen. Verdammt sollt ihr sein.

Nach einer recht knappen Umbaupause ist es Zeit, mit DARK FORTRESS dem einzigen deutschen Vertreter der "Final In Black"-Tour zu lauschen. Leider erscheint ihr neues Album "YLEM" erst in wenigen Wochen (es ist ein echter Hammer!!!), sodass sie heute nur einen neuen Song präsentieren und sonst auf ihre umfangreiche Discografie zurückgreifen können. Mittlerweile hat sich die Spinnerei ordentlich gefüllt und die Gäste vom Sicherheitsabstand verabschiedet. Druckvoll, bösartig und recht komplex erklingt der Black Metal der Landshuter, streckenweise doch dann aber recht monoton. Sänger Morean wirkt dagegen teilweise arg unsicher und unbeholfen. Da muss einfach mehr Authentizität und Erhabenheit kommen. Die bekommt er auch nicht, wenn er auch seine Ansagen knurrt – das klingt total lächerlich und pseudoevil. Als ob der Teufel knurren müsste, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Songs wie 'Catawom' oder 'When 1000 Krypts Awake' überzeugen dagegen nicht nur die Mädels in der ersten Reihe sondern auch die Kuttenmetaller am Biertresen. "Wir pfeifen aus dem letzten Loch" keift Morean und kündigt nach unterhaltsamen 40 Minuten mit 'Baphomet' den letzten Track an. Wumm! Guter Gig, der jedoch nicht an den Abwechslungsreichtum der Alben heranreicht. Ein wenig mehr Mut die Herren!

Bevor endlich das große Kino beginnt, entern SHINING die Bühne. Bisher kannte ich die Bande nur vom Hörensagen – das hat mir eigentlich schon gereicht. Vor allem Sänger und Hirnakrobat Kvarforth ist für sein außergewöhnliches Bühnenverhalten bekannt und berüchtigt. Klar, wer musikalisch müde Kost bietet, muss es mit Schocken versuchen. Doch heut ritzt er mal nicht seine Gliedmaßen auf, sondern pichelt bei den ersten Songs zunächst mal lecker Vino oder wahlweise Jim Beam. Das ist anscheinend nötig, um so frühpubertäre Aktionen, wie das Ausdrücken einer Zigarette am eigenen Oberkörper durchzuziehen. Toll! Sicherlich kann er damit so manchen verwirrten Jugendlichen beeindrucken. Doch wenn man sich umschaut, wirken alle recht gelangweilt. Der Raucherbereich war nie voller. Die Meisten scheinen doch wegen Musik und wegen Zungenküssen mit der eigenen Band hier hergekommen zu sein. Musikalisch bricht hier der Notstand aus, denn neben monotonem Geplänkel und gelegentlichen Temposchüben (die - ohne Mist - in jedem Song vorkommen, immer von „UUHHH“ eingeleitet wurden und immer gleich klangen) gibt es einfach nichts. Nichts! Black Metal ist eben doch mehr, als sich während unverständlicher Ansagen andauern in die Hose zu fassen. Kvarforth, hol deinen Schulabschluss nach und such dir einen anständigen Job.

Endlich – der letzte Deutschland-Gig SATYRICONs im Jahr 2009 und der letzte vor der groß angekündigten drastischen Veränderung der Band. Die Umbaupause wird zur Geduldsprobe – fast die komplette neue HYPOCRISY-Scheibe wird gespielt, bevor das Licht erlischt, rote Spots die Bühne in eine diabolische Fratze verwandeln und das düstere Intro eingespielt wird. Zunächst betreten die Live-Musiker unter lautem Jubel die Bühne, bevor Frost frenetisch begrüßt wird. Doch der Meister fehlt – wie aus dem Nichts taucht Satyr aus der Mitte des Hintergrunds auf, streckt die Faust nach oben und legt mit dem giftigen 'Possessed' messerscharf los. Aber was ist das – Frosts Schlagzeug klingt streckenweise wie eine Huldigung an METALLICAs "St. Anger". Gruselig! Zum Glück bemerken das auch die Verantwortlichen und drehen nach einigen Songs die richtigen Schrauben. Zurück zum Opener: Die Meute tobt, die Bierbecher fliegen durch die Spinnerei – wer hier nicht ausflippt, soll sich eine Möhre als Nase wachsen lassen. "Wake Up Glauchau – Frost is in the house!" schreit Satyr und peitscht die Fans für 'The Wolfpack' kräftig ein. Die Gitarren jaulen auf, der Wolf fletscht die Zähne – "DOWN ON YOUR KNEES" singt und propagiert der Herrscher und Glauchau folgt ihm. Doch auch die Fans auf dem Balkon hat Satyr im Blick, faucht sie an, reckt ihnen die Faust entgegen. Hier soll wirklich Jeder vor den Karren gespannt werden. Nach dem wütenden 'Now, Diabolical' kündigt Satyr den mittlerweile obligatorischen kurzen Blick zurück an. Heute geht es zu "Nemesis Divina". 'Du Some Hater Gud' reißt vor allem die alten Fans aus den Sitzen und vom Barhocker. Wie jedoch üblich in den letzten Jahren zelebrieren SATYRICON heutzutage vermehrt ihren leidenschaftlichen Black'n'Roll. Markerschütternd, eingängig und für die optimale Musik, um live sich den Wolf beziehungsweise die Krähe zu rocken, denn mit 'Black Crow On A Tombstone' folgt schon der nächste Nackenbrecher. Der Pit spuckt schwarzes Blut, Satyr Gift und Galle und Frost zerdrischt mal wieder seine Schießbude. Vor allem bei 'A New Enemy' kann er wieder zeigen, welche Power er im Arm hat.

Wo zieht man bei -18° Außentemperatur seinen Pulli aus? Na logo, wenn SATYRICON mit 'My Skin Is Cold' einheizen. Danach folgt die Überraschung des Abends. Ich glaub, meine Fledermaus schielt, denn plötzlich ertönt das monumentale 'To The Mountains'. Ich geh bekloppt! FUCKING YEAH!!! Dagegen verblasst 'Last Man Standing' total. Doch Satyr wäre nicht Satyr, wenn er das nicht wüsste. Daher schnallt er sich einfach eine schwarze Gitarre um und thront spielend im Hintergrund – schick. Keyboarderin Jonna sieht nun ihre Chance und stürmt nach vorne, heizt dem Publikum ein und fabriziert Stadion-Atmosphäre – Geilomat! Wo sieht man solche Einlagen schon bei einem Black-Metal-Konzert?  Satyr greift nun zu härteren Bandagen, sprich seiner weißen Gitarre. Der aufmerksame Fan weiß, was folgt: 'The Pentagram Burn'. "FIGHT MY FRIEND!" Noch ein letztes Mal kreisen alle anwesenden Köpfe, noch ein letztes Mal fliegt ein Typ in mein Bier und noch ein letztes Mal zischt die Bierbar im Takt. Mit einem kurzen Gruß und einer Verbeugung verlassen die Protagonisten die Bühne. Natürlich bleiben sie da nicht lange, denn der Jubel der Fans treibt die Norweger schnell zurück. Mit dem triumphalen 'K.I.N.G.' wird der Zugabeblock eröffnet. Die Fans flippen nun endgültig aus und lassen jedes Hardcore-Konzert zu einer Kindergeburtstagsfeier werden. "We have the song – you have the moshpit". Wer außer Satyr schafft es, Black-Metal-Fans in einen riesigen Pogo zu treiben, sie sich mit „Fuel For Hatred“ völlig verausgaben zu lassen und sie mit "Go Go Go"-Rufen immer weiter zu scheuchen?

Ganz am Ende sind wir noch nicht – zwar verlässt Frost sichtlich kaputt sein Schlagzeug und lässt sich zusammen mit der restlichen Band zu Recht feiern, doch wir wissen alle, was noch kommt: Das Publikum stimmt ein, Satyr dirigiert: "Ohhohohoooo" (ihr kennt den Text) durchströmt die Spinnerei. Mit 'Mother North' steht der finale Akt kurz bevor. Mit einem freudig erregten und einem traurigen Auge zelebrieren die Fans diesen Meilenstein der Black-Metal-Historie. "Final In Black"? Abwarten! Was die Zukunft bringt, scheint ungewiss, doch eins ist sicher: Sie werden zurückkehren und erneut den Thron besteigen. Long live the KING – Long live SATYRICON!

Besten Dank wie immer an Christin Kersten für die schicken Bilder :-)

Setlist SATYRICON
01.    Possessed
02.    The Wolfpack
03.    Now, Diabolical
04.    Du Some Hater Gud
05.    Black Crow On A Tombstone
06.    A New Enemy
07.    My Skin Is Cold
08.    To The Mountains
09.    Last Man Standing
10.    The Pentagram Burns
- - - - - - -
11.    K.I.N.G.
12.    Fuel For Hatred
13.    Mother North


Redakteur:
Enrico Ahlig

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