SEPULTURA, SACRED REICH, CROWBAR - Köln

06.11.2022 | 21:41

28.10.2022, Essigfabrik

Bockstark wie eh und je

Was kann es Schöneres geben, als das Wochenende mit einer bockstarken Prise Sludge, dem lauten Thinking-Man's-Thrash und der heißen Sonne Brasiliens zu starten? Richtig, die Karten lagen schon länger unter dem Wohnzimmertisch, doch nun können sie endlich gezückt werden. Passend zum noch aktuellen "Quadra"-Brecher laden uns Green und SEPULTURA ein, haben mit SACRED REICH und CROWBAR zwei mehr als amtliche Schwergewichte der Szene mit im Gepäck und lassen es im Herzen Kölns heute ordentlich krachen. Wir sind für euch dabei!

"Freitagabend und ich war unterwegs. Auf der Suche nach Amüsement und zügellosem…Thrash!" Richtig, mit dem durchaus passenden DIE ÄRZTE-Ohrwurm von 'N 48.3' geht es schnurstracks nach Feierabend Richtung Köln, genauer gesagt zur altehrwürdigen Essigfabrik, in der sich mit CROWBAR, SACRED REICH und SEPULTURA heute drei absolute Legenden gegenseitig die Klinke in die Hand drücken.

Bereits im letzten Jahr sollte die Europatour der Brasilianer stattfinden, wurde allerdings aus bekannten Gründen in den diesjährigen Herbst verschoben. Umso größer ist am heutigen Freitag die Vorfreude, nicht nur mit "Arise" und "Awakening" Richtung Domstadt zu brettern, sondern in dieser tollen Location namens Essigfabrik einen lauten, dynamischen und durch und durch mit Nostalgie getränkten Abend zu verbringen.

Und so hat auch die erste Band des heutigen Massakers mit "Zero And Below" eine neue Scheibe am Start, die auch die Essigfabrik schon zu kennen scheint. So kommen Kirk Windstein und CROWBAR auch als Opener in den Genuss einer durchaus üppig gefüllten Location. In der folgenden, knapp dreiviertelstündigen Sludge-Lektion, die amtlich mit 'Conquering' beginnt, gibt es wuchtige, fette Riffs, einen höllischen Groove und mit 'Bleeding From Every Hole' und 'Chemical Godz' sogar zwei brandneue Stücke, die der hungrigen Essigfabrik zum Fraß vorgeworfen werden.

Allgemein ist die Stimmung ausgelassen und erleichtert, dass dieser lang herbeigesehnte Abend nun endlich stattfindet. So zeigt sich auch CROWBAR von der Sludge-Schokoladenseite, ist spielfreudig und genießt das von Minute zu Minute steigende Interesse an der gepflegten Heaviness. Mit 'All I Had (I Gave)' und 'To Build A Mountain' schütteln die Amis auch den einen oder anderen Bandklassiker aus dem Ärmel, ehe der CROWBAR-Gig mit 'Planets Collide' und 'Like Broken Glass' sehr lautstark und knackig endet. Ich weiß zumindest jetzt schon, mit welchem Album ich mir die Rückfahrt versüße.

Eine angenehm kurze Umbaupause später – die Schlangen an den Biertheken werden länger und länger, doch rechtzeitig geht es mit zwei Getränken gerüstet wieder zurück – verdunkelt sich die Bühne erneut, 'The Boys Are Back In Town' erklingt vom Band und eine meterdicke Gänsehaut stellt sich auf. Zugegeben, die habe ich immer, wenn Phil Rind und SACRED REICH die Bühne entern, gab es für die acht Shows, die ich von ihnen bisher sah, doch stets die volle Punktzahl. Die Essigfabrik füllt sich mehr und mehr, schließlich liegt den Rheinländern mit "Awakening" noch immer das aktuelle, famose Comeback-Album der Arizona-Thrasher in den Ohren, allerdings habe ich auch richtig Bock auf die Klassiker.

Und so gibt es nach dem leider etwas schleppend beginnenden 'Divide & Conquer' viel "Awakening"-Material wie den Titeltrack, 'Manifest Reality', 'Salvation' oder 'Killing Machine', Brecher, bei denen die Essigfabrik lautstark mitsingt wie 'The American Way' oder 'Who's To Blame' und mit dem bombensicheren 'Independent' und 'Death Squad' zwei astreine Abrissbirnen, die Köln zum Kochen bringen. Trotz des "Awakening"-Fokus ist die Stimmung ausgelassen, die Band wie eh und je bestens bei Laune und schon auf dem diesjährigen Rock Hard Festival entpuppte sich der Klampfen-Jungspund Joey als absolute Größe und lässt mit seinem Gegenüber Wiley auch heute nichts anbrennen. Beim abschließenden 'Surf Nicaragua' geht das Publikum standesgemäß ab und SACRED REICH verabschiedet sich unter lautstarkem Jubel.

Under a pale grey Cologne-sky, we shall arise! Es tut gut, Andreas Kisser, der einen familiären Trauerfall verkraften musste, wieder an der Gitarre zu sehen. Und generell tut es gut, SEPULTURA wieder auf der Bühne herumwüten zu sehen. Die Brasilianer lassen ab der ersten Sekunde in Sachen Intensität und Kraft überhaupt nichts anbrennen und präsentieren sich von ihrer höchst energiegeladenen Seite. Auch wenn wir diesmal eine etwas längere Umbaupause zu verzeichnen haben, drückt die Band vom Fleck weg.

Natürlich kommt ihr da auch eine ausgewogene Setliste sowie ein richtig tolles "Quadra"-Album zugute, aus dem mit dem Opener 'Isolation' gleich zu Beginn, 'Capital Enslavement' und 'Guardians Of Earth' auch die bockstärksten Songs von Green in den Himmel hinausgeschrien werden. Und nachdem sich Casagrande bei den Klassikern der frühen 90er Jahre 'Dead Embryonic Cells', 'Territory' und 'Propaganda' die Seele aus dem Leib drischt, zockt sich Paolo Junior auch bei nicht ganz so häufig gespielten Songs souverän durchs Set. 'Cut-Throat' weiß dank eines guten, aber nicht zu übersteuerten Sounds zu überraschen und macht neben den gern gesehenen Gassenhauern eine gute Figur.

Köln ist ohnehin bei jedem Song Feuer und Flamme, spielt sich vor allem mit Green und Kisser gegenseitig die Bälle zu, sodass am Ende die komplette Energie entladen wird und sich nach dem 'Agony Of Defeat'-Monster 'Refuse/Resist' und 'Arise' in voller Pracht entfalten können. Es wird geheadbangt, geschwitzt, gebrüllt und gegrinst – ein Auftritt nach Maß von SEPULTURA, der danach mit 'Ratamahatta' und – wie könnte es anders sein – 'Roots Bloody Roots' sein verdientes Ende findet. Am Ende sind alle Anwesenden nicht nur aus dem Häuschen, sondern vor allem außer Puste. Green bedankt sich artig, es bleibt noch Zeit für ein schmuckes Gruppenbild mit Publikum und nachdem auch ich meine Pommesgabel Richtung Decke gestreckt habe, geht es vollgeschwitzt und glücklich wieder Richtung Heimat. Und siehe da, oh Wunder, hat doch tatsächlich auch die aktuelle CROWBAR-Scheibe ihren Weg in den Player gefunden.

Unterm Strich war das ein Abend, der nahezu keine Wünsche offengelassen hat. CROWBAR hat vor allem in Sachen Lässigkeit, Coolness und Souveränität überzeugt, SACRED REICH ist ohnehin eine der sympathischsten Bands, die wir im Thrash Metal haben, und SEPULTURA hat es geschafft, einen abermals ungeheuer intensiven, energiegeladenen Gig zu absolvieren, der gezeigt hat, wie gut sich die bandeigenen Evergreens mit neueren Songs vertragen können. Alles in allem ein mehr als gelungener Abend.

Redakteur:
Marcel Rapp

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