SOILWORK, KATAKLYSM - Bochum
24.03.2023 | 21:4603.03.2023, Matrix
Was für ein Abend!
Zu meiner Schande habe ich SOILWORK erst zu sehr später Stunde richtig kennen und lieben gelernt, als sich der melodische THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA-Einfluss sehr stark auch im Todesblei von Björns Hauptband bemerkbar machte. Umso gespannter blicke ich auf den heutigen Tag voller Vorfreude, sehe ich SOILWORK doch zum ersten Mal live. Gemeinsam mit dem etwas deftigeren Death Metal von KATAKLYSM und einem kräftigen Progressive-Hauch seitens WILDERUN beehren uns Strid und Co. in diesem Frühjahr und machen Halt in der auch seinerseits bekannten Matrix in Bochum.
Welche Verbindungen er zu Deutschland hat und wie es sich für ihn anfühlt, wieder auf der Bühne zu stehen, verrät mir Björn im persönlichen Gespräch direkt nach dem Soundcheck, das wir euch zu einer späteren Stunde präsentieren möchten. In diesem Bericht geht es einzig und allein um mein Konzerterlebnis in dieser geilen Location und wie diese proppevoll die kommenden Stunden abfeiert.
Denn schon früh ist die Matrix sehr gut gefüllt: Während sich ein kleiner Teil an den Theken befindet oder bereits das nicht wie auf anderen Konzerten vollkommen überteuerte Merchandise abcheckt, ist noch vor den ersten Tönen WILDERUNs als Support-Act das Innere voller Erwartung ob der Taten, die in den kommenden Stunden folgen sollen. Und was könnte es an einem Freitag Schöneres geben, als sich den wunderbaren Live-Klängen zwei so bühnenerfahrener Bands hinzugeben?
Den Auftakt macht, wie schon geschildert, mit WILDERUN eine deftige Prise Progressive Metal, der überwiegend von der dichten Atmosphäre und himmlischen Sphären lebt. Die Matrix lauscht gespannt den auch teilweise folkig angehauchten Tönen und bekommt knapp 45 Minuten lang die volle WILDERUN-Breitseite: Die vier Jungs aus Boston versuchen alles, um besagte Atmosphäre auch ins Publikum zu transferieren, doch die wohlig warme Stimmung will nicht so ganz aufkommen.
Auch wenn das eröffnende 'The Tyranny Of Imagination' das Set sehr amtlich eröffnet, plätschern die ebenfalls überlangen 'Identifier' und 'Passenger' etwas highlightarm durch die ersten Reihen. Interessierte schauen trotzdem auf die Bühne und vereinzelt werden einige auch von der folkisch-progressiven Aura der US-Amerikaner gepackt, doch bei mir will der Funke nicht so recht überspringen.
Es wird nach den Songs geklatscht, doch zeigt sich Bochum zumindest in diesem Moment deutlich verhaltener als ich es normalerweise kenne. Trotzdem gibt es auch Lichtblicke: Hier ein paar gelungene Samples, dort ein schöner Klargesang und mit dem wieder etwas knackigeren 'Far From Where Dreams Unfurl' endet das WILDERUN-Set, das alles in allem sehr souverän vorgetragen wurde aber sowohl seitens der Band als auch des Publikums doch enthusiastischer hätte ausfallen können.
Doch als nach kurzer Umbaupause das Intro des aktuellen 'Övergivenheten'-Titeltracks ertönt, springt der Funke komplett über und eine meterdicke Gänsepelle stellt sich auf. Der Moment ist gekommen, auf den ich mich wochen- gar monatelang gefreut habe: SOILWORK live. Ein wenig konnte ich bereits beim Soundcheck mitbekommen, doch gemeinsam mit dem gespannten Publikum entwickelt sich endlich jene Atmosphäre, die ich mir auch schon bei WILDERUN erhofft habe. Und als Björn, der vor wenigen Tagen noch krankheitsbedingt zwei Gigs pausieren musste, in der Federweste die Bühne betritt und der Opener von Sekunde zu Sekunde an Fahrt aufnimmt, könnte meine Euphorie nicht größer sein. Knapp 60 Minuten lang liefert SOILWORK von vorne bis hinten ab, setzt in Sachen Spielfreude neue Maßstäbe und hat darüber hinaus auch eine Setliste am Start, nach der man sich die Finger lecken kann.
Klar steht der letztjährige Output im Fokus und trotzdem geht es kreuz und quer durch die Historie der Schweden und bei jedem einzelnen Song, bei jedem einzelnen Riff und bei jeder einzelnen Blastbeat-Attacke ist Speeds Mannschaft vollends in ihrem Element: Simon und Slyvain sind absolute Tiere auf der Bühne, Rasmus fügt sich als zweiter Neuling neben Simon sehr gut in die Truppe mit ein und mit welcher Zufriedenheit Bastian und Sven zu Werke sind, ist auch eine absolute Wonne. Und da wäre noch der Häuptling Björn, der sich ob der letzten Tage zwar ein klein wenig zurücknimmt, aber ungemein stimmgewaltig und interaktionsfreudig daherkommt. Und über allem schwebt der Geist Davids, der vor allem in den "Övergivenheten"-Songs für so manch emotionalen Moment sorgt.
Das merkt auch das Publikum, das SOILWORK aus der Hand frisst, mit 'This Momentary Bliss', dem "Stabbing The Drama"-Titeltrack oder der 'Electric Again'-Wahnsinnsnummer auch die volle Breitseite bekommt und förmlich vom Momentum zehrt. Meine persönlichen Highlights liegen mit 'Valles Of Floam' und 'Harvest Spine' klar auf der Hand, doch auch die Uralt-Nummer 'Bastard Chain' weiß dank eines superb drückenden Sounds ebenso wie das affengeile 'The Ride Majestic' durch die Bank weg zu gefallen. Von Minute zu Minute wird es heißer in der Matrix, ein geiles Gefühl.
Ein paar Must-Haves werden leider trotzdem außen vorgelassen, denn speziell die eine oder andere "A Whisp Of The Atlantic"-Nummer hätte mich auf die Knie sinken lassen. Doch auch als mit 'Nerve' und der Mitgeh-Nummer 'Stalfagel' das Set SOILWORKs endet, ist die pure Zufriedenheit ob der vergangenen 60 Minuten noch in jedem einzelnen Gesicht zu erkennen: Bei der Band, beim Publikum, bei mir – das war ein Statement vor dem Herrn, das auch sehr gut gezeigt hat, welche Live-Übernummern sich auf "Övergivenheten" doch befinden.
Und um eins vorwegzunehmen: KATAKLYSM kann dieses Niveau zumindest zum Großteil halten, weiß doch auch die Death-Metal-Maschinerie aus Quebec ob der über 30-jährigen Bühnenerfahrung, wie man die ohnehin schon angeschwitzte Meute zum Kochen bringt. Gesagt, getan, denkt sich Frontmann Maurizio Iacono und tauscht den melodischen Moment SOILWORKs gegen eine gehörige Prise Geschwindigkeit und Brachialgewalt, entfacht mit seiner Mannschaft gehörige Circlepits in den ersten Reihen, die dank 'Guillotine', 'Underneath The Scars' und 'Where The Enemy Sleeps' auch allen Grund zum Moshen haben. Richtig, KATAKLYSM ist heiß auf Bochum und pusht das Publikum weiter mit 'The Reign Again', dem genialen 'The Killshot' und 'Outsider' weiter nah ans Limit.
An SOILWORK kommen die Kanadier zwar nicht ganz heran, doch bin ich mächtig beeindruckt von der Souveränität der Jungs, die genauso wie die Schweden zuvor eine ungeheure Spielfreude an den Tag legen. Und nachdem die einzelnen Dampframmen des noch immer aktuellen "Unconquered"-Albums bereits für Furore gesorgt haben, gibt es folgend mit 'Crippled & Broken', 'As I Slither', 'In Shadows And Dust' sowie dem epischen 'Blood In Heaven'-Rausschmeißer den Klassiker-Alarm vom Allerfeinsten. Inmitten dieses knapp 75 minütigen Sets entfachen der bestens gelaunte Maurizio und seine Gefolgschaft also ein mehr als amtliches Trommelfeuer, schwört in Sachen Songauswahl auf die bandeigenen Evergreens und hat die beinah platzende Matrix vom ersten 'Push The Venom'-Ton bis zum letzten "KATAKLYSM"-Fanruf fest in der Hand.
KATAKLYSM sehe ich an diesem Freitagabend bereits zum dritten Mal, doch kann mit Sicherheit sagen, dass mir der heutige Gig wohl am besten gefallen hat. Wenn sich ein geiler Sound, ein elektrifiziertes Publikum, eine bombensichere Songauswahl und eine vor Spielfreude und Erhabenheit nur so strotzende Band gegenseitig die Klinke in die Hand drücken, kann nur etwas Großes entstehen. Und mit dem 'Blood In Heaven'-Ohrwurm in den Lauschern, geht es langsam wieder an die Erdoberfläche, um etwas Luft zu tanken und die vergangenen Stunden Revue passieren zu lassen.
Was war das doch für ein feiner Abriss von KATAKLYSM, eine majestätische Darbietung von SOILWORK und trotz fehlenden Funkens doch eine immerhin interessante Dreiviertelstunde von WILDERUN. Auch wenn mich der Support-Act nicht in Ekstase versetzen konnte, so fungierte er doch gut als Anheizer ob der beiden Monster, die darauf folgten. Ich kann euch nicht sagen, wie froh ich bin, solch einen bärenstarken Auftritt SOILWORKs mit allerlei Übernummern und einem wieder genesenen Björn gesehen zu haben. Alle in der Band haben sich die Beine ausgerissen, um mir und der restlichen Matrix einen durch und durch denkwürdigen Abend zu bereiten. Und KATAKLYSM hat vom Feinsten abgrissen, die Matrix auf links gedreht und mit Vehemenz und Klasse demonstriert, wie bockstark Death Metal sein kann. Was für ein Abend.
- Redakteur:
- Marcel Rapp