SONATA ARCTICA, STRATOVARIUS, INDUCTION - München
01.11.2023 | 22:1430.10.2023, Backstage
Die finnischen Melodic-Könige touren gemeinsam!
Die Bude in München ist ausverkauft. Das merkt man, denn die Schlangen vor dem Einlass sind lang, und überall fragen Leute noch nach Tickets. Unverständlich, dass ein so großartiges Package nicht in der größten Location des Backstage spielt, die heute parallel nicht genutzt wird. Angeblich sind etwa 800 Tickets verkauft worden.
Jakob, Andre und ich sind rechtzeitig da, trinken ein Bierchen und genießen die schöne Atmosphäre trotz leichtem Nieselregen.
Wir kommen gut in die Halle und erleben INDUCTION, von denen wir alle noch nie gehört hatten. Schande über unsere Häupter, da es ja Rezensionen der Veröffentlichungen der Band auf unserer Homepage gibt. Geboten wird - auf dieser Tour wenig überraschend - melodisch-speediger Metal mit symphonischen Elementen.
Was funktioniert? Aushilfssänger Antonio Calanna (ALL FOR METAL) ist der Wahnsinn und wirklich überragend! Auch das Songmaterial, das stark an die frühen bis mittleren Werke von EDGUY erinnert, kann überzeugen.
Mies ist leider der Sound, das Schlagzeug übertönt (außer den Leadgesang) alles, dazu gibt es nervig-kleistrige Einspielungen vom Band, die wirklich niemand braucht. Ich will keine Live-Band, die mit eingespielten Tracks spielt und dafür Metronome im Ohr haben muss. Ganz klar: Diese Band überrascht und reißt mit. Aber mit einem gut abgemischten Sound und weniger Bombast wäre da noch viel mehr drin.
Was die Einspieler angeht, muss ich dir zustimmen und sie damit noch einmal in den Fokus bringen. Das war es aber auch schon mit Kritik an INDUCTION. Der Dreh- und Angelpunkt des Auftritts ist Signor Calanna, der die Songs der Band intoniert, als hätte er nie etwas anderes getan. Seine Professionalität paart er mit einer ungezügelten Leidenschaft für die Musik und die daraus resultierende jugendliche Cockiness reicht, um sich nach dem letzten Song zu fragen, ob die beiden folgenden Bands denn da werden mithalten können.
Setliste: Born From Fire; Fallen Angel; Scorched; Go To Hell; Queen Of Light.
Dank SONATA ARCTICA wächst meine Shirt-Sammlung mal wieder. Die Preise sind ok (25€, bei SABATON, BABYMETAL und LORDI im Mai wollte man in München noch 40€ pro Shirt!), auch die Motive sind gefällig. Es ist aber mittlerweile unerträglich voll. Das ist wirklich ärgerlich. Im Sommer sind hier ja öfters die Türen zur Seite hin geöffnet, doch heute ist die Luft wirklich zum Schneiden.
Was mir gefällt, ist die grundsätzlich sehr abwechslungsreiche Setliste, die Stücke der klassischen frühen Alben ebenso berücksichtigt wie die "mittlere Phase" ('I Have A Right', 'Paid In Full'), aber auch das letzte Album ('Closer To An Animal'), das vor mittlerweile sieben Jahren erschienen ist! Was aber unerklärlich ist: Das beste Album nach dem Ende der klassischen Phase 2004, "Pariah's Child", wird komplett ignoriert. Was wäre da noch möglich gewesen? Die mögliche Hitdichte war bei der Band doch nie höher!
Großartig ist, was man musikalisch erleben darf, es gibt trotzdem wirklich viele feine Hits, und Tony Kakko ist ein echter Entertainer. Aber: Er hat nicht den Humor eines Tobias Sammet, das 'Vodka Outro' finde ich sogar peinlich. Ja, gerade die frühen Songs sind klasse, und ich bin froh, die Band endlich das erste Mal live erlebt zu haben, aber bei der Setliste wäre noch mehr drin gewesen. Wie bei INDUCTION nervt zudem der Kleister an Sounds vom Band. Das hat eine Band mit gutem Keyboarder wirklich nicht nötig.
Jhonnys Unmut über die Setliste ist wieder mein Anknüpfungspunkt, mir fehlen nämlich noch mehr Songs von "Reckoning Night". Aber geschenkt, denn alle tatsächlich gespielten Songs sind großartig. Meine Befürchtungen hinsichtlich der möglicherweise fehlenden Energie der Band zerstreuen sich jedenfalls, weil man sich darauf gar nicht erst einlässt. Die Musik steht im Vordergrund, nicht die Attitüde, nicht die Ansagen, nicht das (Schau-)Spiel. Und es funktioniert perfekt! Vor allem Tony Kakkos Gesang ist wahnsinng treffsicher und dazu toll abgemischt. Es ist schon erstaunlich, wie es diese Band geschafft hat, sich innerhalb des Sub-Genres mit seinen üblichen Mitteln (schnelle Songs, eingängige Melodien, Keyboards...) einen ganz eigenen Stil zu erarbeiten. Und genau dieser wird von der unschön vollen Halle heute mit Euphorie gefeiert!
Setliste: Closer To An Animal; Black Sheep; First In Line, Broken; I Have A Right; Paid In Full; Replica; 8th Commandment; Tallulah; Full Moon; The Cage; Don't Say A Word; Vodka Outro.
Dass es bei STRATOVARIUS etwas leerer wird, ist für das Publikum wirklich angenehm. Gleichzeitig aber unverdient, denn hier stehen phänomenale Musiker auf der Bühne, die wirklich hochklassig abliefern. Bei der Setliste sind sie stärker unterwegs als ihre Landsmänner, auch wenn sie die Gesamtdiskografie nicht so ausgewogen berücksichtigen. Das aktuelle Album "Survive" wird gleich vier Mal berücksichtigt, doch bei diesen Songs gibt es die gleiche Krankheit wie bei den anderen beiden Bands, nämlich fette Tracks vom Band. Lasst das doch!
Ansonsten ist der Sound hier aber der mit Abstand am ehesten livehaftigste auf dieser Tour, was die Band ehrt. Timo Kotipelto singt wie auf Platte, also relativ dünn, aber für sein Alter, er ist mittlerweile auch 54 Jahre alt, enorm klar und sauber. Jens Johansson an den Keyboards ist sowieso der Wahnsinn. Was da auch harmonisch geschieht, das kann eigentlich nur begeistern. Matias Kupiainen füllt die Tolkki-Fußstapfen an der Klampfe bemerkenswert locker.
Man merkt aber, dass die Band mittlerweile ohne Original-Mitglieder auskommt, zum Beispiel auch an der Setliste, die nur Songs ab "Episode" berücksichtigt. Das Frühwerk hat doch auch seinen Reiz! Insgesamt ein überzeugender Auftritt, der Lust auf mehr Macht. Ich hatte die Finnen zuletzt 2011 als Opener für HELLOWEEN gesehen und würde mich auch über weitere Konzerterlebnisse freuen.
Hier muss ich mal widersprechen: Die Auswahl der alten Songs ist super, Material vor "Episode" brauche ich nicht unbedingt. Dagegen hätten es aus meiner Sicht zwei Stücke von "Survive" auch getan. Klar, man will das Album bewerben, aber... nun ja. Der Gesang Kotipeltos gefällt mir auf Studioaufnahmen immer besser als live und auch mit den restlichen von Jhonny genannten Punkten, wie der Virtuosität der Instrumentalisten, fällt der Auftritt ein wenig ab im Vergleich zur vorherigen Band. Dennoch ein großer Spaß, auch ich würde mir STRATOVARIUS immer wieder ansehen.
Setliste: Survive; Eagleheart; Speed Of Light; Paradise; Broken; Winter Skies; World On Fire; Medley: Stratosphere / Holy Light; Father Time; Frozen In Time; Black Diamond; Unbreakable; Hunting High And Low.
Insgesamt ist das ein sehr überzeugendes Tourerlebnis. Die beiden finnischen Heroen überzeugen weitestgehend, und die Jungs von INDUCTION können punkten. Das Kleister-Erlebnis im Soundgewand ist allerdings sehr ernüchternd. Schade.
- Redakteur:
- Jonathan Walzer