SUBWAY TO SALLY, MAJORVOICE - München

10.04.2019 | 21:06

05.04.2019, Backstage

Nachdem mir "Hey!", das neue Album der Potsdamer Mittelalter-Metaller so gut gefällt, muss ein Abstecher zur aktuellen Tour natürlich sein. München ist der Ort meiner Wahl.

Das Backstage hat gerade die richtige Größe für die Tour, stelle ich fest, als ich pünktlich eine halbe Stunde vor Beginn eintreffe. Eine lange Schlange an der Personenkontrolle deutet darauf hin, dass hier jemand seine Aufgabe sehr ernst nimmt. Tatsächlich ist die Schlange nur bei der Damenkontrolle so langwierig, was an zwei Dingen liegt. Zum einen an den seesackartigen Gepäckstücken, die bei manchen als "Handtasche" durchzugehen versuchen und den darin enthaltenen skurrilen Sammelsurien aus Gegenständen, zum anderen an der sorgfältigen Forschungsarbeit, die die Dame der Security aus dem Check macht. Das greift ineinander wie zwei Zahnräder und sorgt für 50 Meter Warteschlange. Zum Vergleich: Bei den Herren, die in der Überzahl sind, stehen vier vor mir.

Okay, das hat aber mit Band und Auftritt nur bedingt zu tun, daher stürzen wir uns in den musikalischen Teil der Veranstaltung. Ich wusste nicht, ob es eine Vorband geben würde, aber pünktlich um Acht werde ich von der Bühne aus klanglich informiert, dass es eine gibt. Kenne ich aber nicht. Geige, Gitarre und Operngesang? Es handelt sich um MAJORVOICE, das Rockprojekt um den Sänger Roland Zeidler mit Unterstützung des MONO INC-Gitarristen Martin Engler. Der Auftritt besteht hauptsächlich aus Coverversionen bekannter Gassenhauer, aber auch des Liedes 'Shot In The Silence'. Tja, was soll man sagen? Das Ganze wirkt gut, ist professionell, aber dann doch ab einem gewissen Punkt eine Coverband mit einer versierten Bass-Stimme, was die Performance sehr originell macht, aber mit der Auswahl von Hits wie von DEPECHE MODE, A-HA oder BLACK bleibt es dann doch eben nur eine Coverkapelle. Und ob man ein Lied spielen muss, dass später von der Originalband erneut geboten werden wird, stelle ich in Frage. Ich schaue mir am Merch-Stand die angebotenen CDs an und stelle fest, dass das aktuelle Album "The New Chapter" hauptsächlich aus nachgespielten Liedern besteht und stelle die CD zurück. Wäre es umgekehrt, also weitgehend eigene Stücke und ein, zwei Coverstücke, ich hätte den Tonträger erworben.

Nach einer Umbaupause, die etwas länger ausfällt, als man den Eindruck hat, dass es nötig sei, entern die SUBWAYs die Bühne und beginnen mit 'Messias'. Seltsamerweise dürfen wir Fotografen noch nicht in den Graben, doch als Sänger Eric Fish auftaucht, sieht man, weswegen. Versteckt hinter Brille und Perücke, mit goldglitzernder Jacke und zwischendrin Goldlametta werfend bringen die Postdamer das Lied auch visuell auf die Bühne und neben nickenden Köpfen sehe ich vor allem viele Fans breit grinsen. Überraschung gelungen, würde ich sagen. Doch danach beginnen wir richtig, Eric Fish entledigt sich seiner Utensilien und passt sich dem Look der anderen Musiker an. Entsprechend dem "Hey!"-Cover mit schwarz geschminkten Augen und in einem Outfit der Marke "Mad Max trifft auf Blade Runner" rockt sich die Band mit mehreren Stücken des aktuellen Scheibchens in den Set, nur unterbrochen durch die Hymne 'Kleid aus Rosen'. So früh? Ja, so früh, und tatsächlich ist das völlig okay, denn mein Fazit des Abends möchte ich vorwegnehmen: Das hier ist "Hey! und Hits", wobei sich die beiden Begriffe nicht ausschließen.

Im zweistündigen Auftritt verzichtet SUBWAY TO SALLY auf besondere Show-Elemente. Im Mittelpukt steht Rock, Rock und Rock. Auch der Begriff Mittelalter wird weitgehend stiefmütterlich behandelt und hat sich bis auf Reste aus dem Sound der Ostdeutschen davongeschlichen. Was davon bleibt, ist das großartige Gespür für die Melodie, die meiner Ansicht nach noch nie zu einer durchgehend so großartigen Platte geführt hat wie "Hey!". Dass ich damit nicht alleine stehe, bezeugt die allgemeine Begeisterung, mit der das Publikum die zahlreichen neuen Lieder, die mehr als ein Drittel des Sets ausmachen, aufnimmt. Diese Stücke sind in das erste Drittel des Konzerts integriert, danach kommt eine Klassiker-Parade und zum Abschluss des regulären Teils folgen noch einmal drei "Hey!"-Lieder in der Reihenfolge des Albums, auf dem sie auch eine musikalische Einheit bilden. 'Alles was das Herz will', 'Aufgewacht' und 'Ausgeträumt' sind live durch die fließenden Übergänge tatsächlich so etwas wie ein langer Song und beenden das Set auf einem hohen Begeisterungslevel.

Vorher aber gibt es natürlich eine ganze Riege von Stücken aus der Diskographie der Band, von 'Henkersbraut' bis 'Ellen Schmitt', von 'Eisblumen' bis 'Unsterblich'. Ein Wohlfühlteil für die STS-Anhänger, bei der das Backstage artig und ausartend mitsingt, -klatscht und –tanzt. Zwar funktioniert der "Schrei" nur bedingt, aber trotzdem ist die Stimmung gut. Vielleicht nicht "Heimspiel-in-Potsdam"-großartig, aber die SUBWAYs können sich sowieso nicht beschweren, denn bei ihren Gigs wird allgemein ordentlich gefeiert. So gellen auch heute oft die bekannten "Blut, Blut, Räuber saufen Blut"-Gesänge durch die Halle.

Natürlich gibt es eine Zugabe, die mit vier Titeln sehr lang ausfällt und noch mehr alte Hits zutage fördert. Doch selbst danach ist noch nicht Schluss und ich merke bei den ersten Tönen des zweiten Nachschlags, dass mein bisheriges Lieblingslied 'Grausame Schwester' noch fehlt, mit dem SUBWAY TO SALLY die letzte Tour noch begonnen hat. Auf so einem Niveau sollte man aufhören, nicht wahr?  Nein, das besungene 'Julia und die Räuber' folgt natürlich noch zum Abschluss und lässt keine Kehle ruhig, bis dann nach 120 Minuten der Auftritt beendet ist.
Nach dem Konzert sehe ich "Hey!" mit noch begeisterteren Augen. Ja, ich empfinde das Album tatsächlich als das beste im bisherigen Schaffen von SUBWAY TO SALLY, weil es durchgehend das höchste Niveau aufweist, wo ich sonst immer gute Alben mit ein paar Hits gehört habe. "Hey!" enthält nur Hits und schon jetzt trauere ich jedem einzelnen Song nach, der auf zukünftigen Touren weggelassen werden wird. Ich sollte mir STS nochmal ansehen, bevor das geschieht. Andererseits, wer weiß, vielleicht kann die Band das in zwei Jahren ja sogar noch toppen. Jetzt aber genieße ich ein brillantes Album und empfehle, auf der dazugehörigen Tour abzurocken und zu -grölen. Die Band ist besser denn je.

Setliste: Messias; Island; Knochenschiff; Kleid aus Rosen; Königin der Käfer; Imperator Rex Graecorum; Tag der Rache; Unsterblich; Eisblumen; Die Engel steigen auf; Minne; Anna's Theme; Für immer; Henkersbraut; Arme Ellen Schmitt; Falscher Heiland; Alles was das Herz will; Aufgewacht; Ausgeträumt; Zugabe: Wenn Engel hassen; Sieben; Tanz auf dem Vulkan; Veitstanz; Zugabe 2: Grausame Schwester; Julia und die Räuber

Redakteur:
Frank Jaeger

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