Skyforger, Sear Bliss - Berlin

06.02.2005 | 03:11

03.02.2005, K17

Die Essenz eines furiosen Konzertabends tuckert auf der Heimfahrt früh um halb sieben träge durch den ermüdeten Kopf: Es gibt nicht nur Black und Pagan Metal aus Norwegen, sondern auch aus Osteuropa. Diese einfache Botschaft wollen zwei Bands an diesem Donnerstag im Berliner K17 vermitteln: SEAR BLISS aus Ungarn und SKYFORGER aus Lettland. Doch vorher dürfen TODTGELICHTER aus dem Norden Deutschlands auf die Bühne. Wobei "dürfen" hier wirklich der passende Ausdruck ist: Eigentlich sollte die Band im K17 schon den Gig von 1349 und GORGOROTH im vergangenen Oktober anheizen. Doch daraus wurde nichts, die zwei norwegischen Black-Metal-Kapellen wollten keine Gruppen vor sich spielen lassen; so mussten TODTGELICHTER wieder ihre Koffer packen und den Heimweg antreten. Heute haben die fünf Musiker aber Glück und keine der Hauptbands besitzt Starallüren. Doch ist damit auch alles gut? Nein, denn TODTGELICHTER hätten wirklich besser ins Vorprogramm einer Schrammel-Black-Kombo wie GORGOROTH gepasst. Genau dieser Art von Musik haben sich nämlich auch die fünf schwarz-weiß-geschminkten Gestalten auf der Bühne verschrieben. So klingt ihr Black Metal rau, unverhüllt roh und sattsam eisig, ohne jedoch die Qualität deutscher Konkurrenten wie etwa ENDSTILLE zu erreichen. Doch zumindest geben sich TODTGELICHTER Mühe, ihre Songs halbwegs abwechslungsreich zu gestalten, ab und an verläuft sich sogar ein dezenter Groovepart in das allgemeine Geschredder. Wirklich auffällig sind jedoch die Stimmen von Mort und Gitarrist Frederic. Mort kreischt im weltvernichtenden BURZUM-Stil, während der voluminöse Frederic kraftvoll und rau singt. Diese beiden Organe heben denn auch TODTGELICHTER aus dem Durchschnitt heraus. Dazu kommt eine nette Bühnenshow, bei der nicht wenige Haare durch die Gegend fliegen. Die Fans lassen sich bei Songs wie 'Flammenspuk' von der Energie anstecken, etwa zwei Reihen vor der Bühne üben sich fleißig im Schütteln von Metal-Köpfen. Im Endeffekt also ein netter Gig, der jedoch nicht absolut mitreißend ist: Am meisten in Erinnerung bleibt nämlich der gar lästerliche Gedanke, dass Sänger Mort die langen Nägel an seinem Arm nicht als Kamm missbrauchen sollte - könnte wehtun ...

Solche Ideen sind spätestens beim Auftritt von SEAR BLISS wie weggeblasen. Hier taucht zu keiner Zeit der Teufel Langeweile auf, hier steckt der Gehörnte eindeutig nur in der Musik. Die Ungarn spielen schon seit Urzeiten ihren symphonischen Black Metal. Schon immer besitzen sie dabei als Markenzeichen ihre Posaune. Dieses Instrument kommt auch wieder auf dem neuen SEAR BLISS-Album "Glory And Perdition" genial zum Einsatz - diese Scheibe ist es, die den Mittelpunkt des Gigs bildet. Warum nicht, schließlich repräsentiert die CD einen Meilenstein im Schaffen der Band. So erzeugen Songs wie 'Birth Of Eternity' eine herrliche Magie zwischen rasenden Black-Metal-Parts, feinen Melodien und der allgegenwärtigen Kraft der von Zoltán Pál geblasenen Posaune. Den Kontrast zu der atmosphärisch-erhabenen Black-Metal-Stimmung setzt Bassist und Sänger András Nagy, der mit seinem markanten Eis-Kreisch-Organ die Musik von SEAR BLISS weiter veredelt und unverwechselbar macht. Dazu kommt im K17 ein dermaßen göttlicher Sound, dass selbst der Klang einer CD dagegen verblasst. Vor der Bühne zumindest sind selbst die gezupften Basslinien klar zu hören. Das Publikum ist inzwischen auf gut 150 Leute angewachsen, die meisten stehen da und schwelgen in der Musik. Mosher gibt es erstaunlich wenige, dafür sind die Beifallsrufe nach den einzelnen Songs um so vehementer. Außerdem gibt es da einen Glatzkopf mit Ledermantel, der genau vor der Bühne steht und das gesamte Konzert auf seinem High-Tech-Recorder aufnimmt. Dieses Gerät hält er die gesamte Zeit oben, geht zum Teil richtig nahe an die Band heran und wirkt wegen seines starren Gesichtsausdrucks wie eine witzige Kopie von ET: "Nach Hause telefonieren ..." 45 Minuten lang muss er seinen Arm durchstrecken, denn so lange lassen SEAR BLISS ihre Instrumente sprechen, bis sie bei einer letzten 'Blood Serenade' angekommen sind. Hier zeigen sie noch einmal alles: Andras kreischt wie besessen ins Mikro und wirft dabei seine blonden langen Haare umher, bedenkt das Publikum mit giftigen Blicken. Danach verschwinden SEAR BLISS von der Bühne. Doch nicht lange, die Zugabenrufe sind einfach zu laut ... Schlichtweg göttlich ...

... doch es wird noch besser. SKYFORGER bilden nämlich eine perfekte Symbiose aus Folk, Pagan Metal und jeder Menge baltischer Spielkultur. Die Band ist aus Lettland bis nach Berlin gekommen, deswegen scheinen sie besonders motiviert in den Gig zu gehen. Besonders beeindruckend ist dabei die Leistung von Multitalent Edgars. Ohne Probleme spielt er sämtliche Folk-Instrumente von SKYFORGER live, ob Dudelsack, Panflöte oder eine Art elektronischer Zither (!) ... Dazu hat er immer noch Zeit zu moshen oder mit heldischer Stimme die Hintergrundstimme zum Kreischgesang von Frontmann Peter zu erheben. Gleichzeitig repräsentiert Edgars mit seiner traditionellen Kleidung - lila Leibchen, enge weiße Hose, Stiefel - das Konzept der Musik von SKYFORGER: Die Musiker wollen die Erinnerung an die Traditionen ihres Volkes aufrechterhalten und singen über die Historie von Lettland. Dazu bewegen sie sich manchmal in für deutsche Verhältnisse gefährlichen Bahnen, etwa wenn Peter bei 'Pulkvedis Briedis' mit lustigem Akzent auf englisch verkündet, dass der nächste Song den lettischen Kämpfern gewidmet ist, die im ersten Weltkrieg "gegen euch" gekämpft haben. Dann lacht er und das Inferno startet. Dem Publikum ist solcherlei politische Inkorrektheit zum Glück herzlich egal, die Leute feiern. Die Band gibt auch allen Anlass, versprühen ihre Kompositionen doch eine ungeahnte Lebenslust und Energie. Abgesehen von den folkigen Parts lässt die Musik dabei durchaus Assoziationen zu einer Legende wie BATHORY zu "Blood, Fire, Death"-Zeiten zu, ähnlich druckvoll klingen SKYFORGER. So erheben sich spätestens ab der Hälfte des Gigs im Publikum die Männerstimmen, um mit in die Chöre von SKYFORGER einzustimmen. Diese überraschen immer wieder, etwa mit kurzen Flötensoli, die bald darauf von mächtigen Gitarrenwänden abgelöst werden. Dies alles wird live gespielt, kein einziger Ton kommt von Band - umwerfend. Dazu kommen die stets witzigen Ansagen von Peter, der die Zuschauer mit seinem coolen Englisch durch die spirituelle Welt Lettlands führt, die Sagen seiner Heimat erzählt und die Fans immer wieder zu neuen Mosh-Anfällen treibt. So geht es Song um Song, mit Zugaben spielen SKYFORGER insgesamt rund zwei Stunden. Danach ist Peter noch einmal dran: "Gute Nacht!" Nach so einem begeisternden Konzert gelingen famose Nächte denkbar einfach ...

Setlist SKYFORGER
1. Kauja Pie Saules
2. Kalejs Kala Debesis
3. Pulkvedis Briedis
4. Usins
5. Uz Ziemelu Malu
6. Asinslauks
7. Naves Sala
8. Caur Aizsaules Vartiem
9. Kursi
10. Night Of The Winter Solstice
11. Namejs
12. Ligo
13. Tumsa Un Sala
14. Migla Migla
15. Tirela Purva
16. Svetais Ugunskrusts
17. Prusu Meita
18. Parkiuns Vede

Redakteur:
Henri Kramer

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