Soulfly - Berlin

29.06.2005 | 21:45

21.06.2005, SO36

Was haben SOULFLY mit Howard Hughes zu tun? An diesem Abend viel. Denn wir erinnern uns, Howard Hughes war der Typ, den Leornado DiCaprio in seinem letzten Film "Aviator" spielte - ein Erfinder und Regisseur, der manisch allergisch auf Schmutz und menschliche Körperausdünstungen reagierte. Schon deswegen wäre Howard Hughes beim SOULFLY-Konzert im Berliner SO36 krepiert: Die Schweißausbrüche der jubelnden Fans hätte er nicht ausgehalten.

Dabei fängt der Abend recht zwiespältig an. BETZEFER als Opener - Metalcore der Sorte "Tausend mal gehört und gleich wieder vergessen". Und das, obwohl die Band sich auf ihre T-Shirts den Terminus "Rock'n'Roll" schreibt. Doch nix Rock: Ziemlich eintönig lärmen sie dahin. Trotzdem ist es im SO36 zu diesem Zeitpunkt schon so heiß, dass die Schweißperlen auch ohne Bewegung den Körper hinab laufen. Der Saal ist voll - die Megahitze hat ihren Grund, das Publikum wirkt wie in einer riesigen Sardinenbüchse. Als Erfrischung gibt es Bier aus Plastikbechern. Reicht nicht. Und BETZEFER? Die lärmen weiter, ohne wirkliche Songkonturen. Am Ende spielen sie kurz das Riff von SLAYERs 'Raining Blood' an. Die Menge reißt wie bestellt die Arme hoch. Doch in diesem Moment hören BETZEFER auch schon auf. Der Jubel verebbt - solche Publikumsreaktionen sollten die Band zum Nachdenken über die eigene Existenzberechtigung anregen...

SOULFLY haben es da um Längen besser. Das Publikum nimmt ihnen noch nicht einmal die lange Umbaupause übel. Nein, eher freuen sich die Fans, als kurz nach 10 Uhr Mister Cavalera die Bühne betritt. Ausnahmezustand. SOULFLY setzen nicht auf filigrane Songstrukturen, hier soll pure Kraft in die Publikumsohren gehämmert werden. Das klappt auch fulminant, obwohl die Temperatur längst die 50-Grad-Marke überschritten zu haben scheint. Doch egal, immer wieder springen die Massen im SO36 und feiern die legitimen Nachfolger von SEPULTURA. 'Propecy' ist einer der Songs, die SOULFLY in unnachahmlich-straighter Art herunter zocken. Gut drei Viertel der Leute moshen und pogen herum, lassen sich von der frickeligen Lichtshow und dem brachialen Sound mitreißen. Später kommt eine der typischen SOULFLY-Drumsessions, tanzbar ist solch ein Part allemal. Einer der Fans darf sogar mittrommeln und grinst dabei, als hätte er im Lotto gewonnen. Sympathische Aktion. Ebenso werden die alten Tage beschworen: 'Territory' und 'Troops Of Doom' sind die SEPULTURA-Klassiker des Abends. Dazu hängt Max Cavalera wie immer mit seinem Kopf kurz unter dem Mikro und kehlt nach oben. Seine Stimme hat noch Kraft von vor zig Jahren, pure Rotzigkeit spricht aus hier heraus - und trotzdem viel Gefühl, wenn auch ein thrashiges. Zeit zum Denken bleibt nicht: Ein Rastamann kommt auf die Bühne und spielt Trompete. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sind SOULFLY eine echte und damit auch glaubwürdige Mischung aus Reggae und Metalcore - egal, wie jemand zu dieser Art von Musik steht, es rockt. Gerade der Ex-Brasilianer Cavalera wirkt auf der Bühne so voller Inspiration und Freude über die eigene Musik, dass Gedanken an Kommerz oder billiges Nu-Metal-Kopiere schlagartig unter tonnenschweren Soundwänden begraben werden: Max Cavalera ist mit seinem lausig-schönen Rastakopf einfach der Bob Marley des Metals. Passend dazu kommt eine Cover-Version des Altmeister-Reggae-Sängers. Und dann: 'Eye For An Eye', inklusive der Aktivierung letzter Kraftreserven in allen Fans, die an diesem Abend im SO36 austesten, wie es sich anfühlt in einer Sauna zu moshen. Verklebte Haare sind das Resultat - geil!

Redakteur:
Henri Kramer

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