Styx/Kansas - Berlin

10.06.2005 | 13:46

07.06.2005, Columbiahalle

Hmm, da hat sich das Management der beiden Rockdinosaurier STYX und KANSAS ganz schön geirrt. Als wir um kurz vor 20 Uhr die Berliner Columbiahalle betreten, sind vielleicht 800 Leute in der Halle, die etwa 3.500 Leute fasst. Daran merkt man deutlich, dass die Zeit in der Arenen gefüllt wurden, mittlerweile etwa 25-30 Jahre her ist. Nicht nur an der Anzahl der Fans, sondern entsprechend auch am Alter. Etwa 95% des Publikums dürfte jenseits der 40 sein. Damit sich die Fans nicht völlig in der Location verstreuen, wurden die oberen Ränge und der hintere Teil mit dicken schwarzen Vorhängen abgegrenzt. Zumindest hätte das Konzert auch locker in dem nebenan liegenden Columbiaclub stattfinden können.

Und doch kann ich jedem Besucher nur gratulieren, sich an diesem Abend in der Columbiahalle eingefunden zu haben. Denn was die Dinos hier bieten, macht schlicht irre Spaß und beeindruckt vor allem mit höchstem technischem Können.

Den Anfang machen um Punkt 20:00 Uhr KANSAS, denen man ihre über 30-jährige Existenz dann auch ansieht. Allen voran Gitarrist Richard Williams, der mit Augenklappe und Lesebrille wirklich unglaublich aussieht. Dafür merkt man jedem Ton, der aus seinen Saiten erklingt, die jahrzehntelange Erfahrung an. Überhaupt ist es die Präzision, die beeindruckt. Egal, ob die dreistimmigen Gesänge von Bassist Billy Greer, dem kauzigen Violinist Robby Steinhardt und natürlich Keyboarder Steve Walsh oder deren Können an ihren Instrumenten. Da passt jede Note bei den bombastischen Klassikern wie 'Point Of Know Return', 'Bringing It Back' oder den unvermeidlichen Zugaben 'Dust In The Wind' (Gänsehaut pur!) und 'Carry On Wayward Son'. Dass sich bis auf Robby Steinhardt niemand wirklich bewegt, tut der Stimmung dabei keinen Abbruch. Die alten Damen und Herren im Publikum singen lauthals mit und beklatschen jeden Titel euphorisch. Und mir wird klar, dass ich dem gutem 82er Album "Vinyl Confessions" unbedingt noch einige folgen lassen muss. Ganz stark.

Genau so lange im Geschäft wie KANSAS sind der heutige Headliner STYX, die allerdings sehr viel jünger und dynamischer wirken. Vor allem der kleine, bewegliche Tommy Shaw (gt., v.) und der begnadete Poser Lawrence Gowan (k., v.) machen auf der Bühne richtig Alarm. Am meisten fällt jedoch James Young (gt., v.) auf, der wie eine Mischung aus Dieter Bohlen und Howard Carpendale aussieht. Super.
Doch auch hier beeindrucken vom clever gewählten Opener 'Blue Collar Man' an (zeitgleich alter Klassiker und Song auf dem neuen Album "Big Bang Theory") in erster Linie die perfekt dargebotenen, vierstimmigen Vocals und die technische Brillanz an den Geräten. Wahnsinn, wie tight das Rhythmusfundament von Todd Sucherman (dr.) und Ricky Phillips (b., v.) durch die Boxen gedonnert kommen. Schlicht cool, wie Gowan wild posend mit dem Rücken zu seinem drehbaren Keyboard spielt. Eine Augen- und Ohrenweide was Tommy Shaw und James Young auf ihren Saiten abziehen.
Dazu gibt es ein Best-Of-Programm, das fast keinen Hit missen lässt. 'Lady', 'Crystal Ball', 'The Grand Illusion', 'Fooling Yourself', 'Miss America', 'Snowblind' und natürlich 'Boat On A River' sowie 'Come Sail Away' sind einfach großartige Rocknummern, die auch nach weit mehr als 25 Jahren nichts von ihrer Klasse eingebüsst haben. Immer wieder erstaunlich dabei, dass mit Shaw, Gowan und Young auch gleich drei Mann ganz souverän die Leadvocals bringen. Entsprechend euphorisch singt und jubelt das Publikum, das auch die beiden Coverversionen vom "Big Bang Theory"-Album 'I Am The Walrus' und im Zugabenteil 'I Don't Need No Doctor' sehr gut aufnimmt. Schade nur, dass das letzte echte Studioalbum "Cyclorama" trotz erstklassiger Songs wie 'These Are The Times', 'More Love For The Money', 'Fields Of The Brave' oder 'One With Everything' nicht berücksichtigt wird.

Egal. Angesichts des Spaßes den Band und Publikum haben, kann man darüber eigentlich nicht wirklich meckern. STYX spielen sich in einen wahren Rausch. Und als nach 90 energiegeladenen Minuten das Deckenlicht angeht, dürfte jeder Anwesende wissen, dass STYX auch anno 2005 noch lange nicht zum alten Eisen gehören. Und auch hier bleibt mir nur die Erkenntnis, dass meine STYX-Sammlung noch eine deutliche Vergrößerung bevor steht. Da freu' ich mich schon drauf.

Wer also auch nur ansatzweise auf bombastischen, pompösen, leicht progressiven Heavy und Hardrock steht, sollte sich das zwar kostspielige (35,- EUR in Berlin, in anderen Städten noch mehr) aber dafür hochklassige Package definitiv nicht entgehen lassen. STYX & KANSAS bieten Anschauungsunterricht par excellence. Hingehen!

Redakteur:
Peter Kubaschk

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