Summer Breeze - Dinkelsbühl

13.09.2011 | 16:03

17.08.2011, Flugplatz

Das "Wacken des Südens" fährt harte Geschütze auf und bietet von 11 Uhr morgens bis 4 Uhr nachts ein abwechslungsreiches Programm durch alle Stilrichtungen des Metals.

Die Halbzeit ist erreicht, und die Finnen KALMAH erinnern mit ihrem Bandlogo an OPETH. Musikalisch liefern sie eher Melodic Death Metal à la CHILDREN OF BODOM, allerdings Death/Thrash-lastiger. Kopie hin oder her, KALMAH wird von Vielen abgefeiert und hat heute große Daseinsberechtigung.
[Jakob Ehmke]

EMIL BULLS (Foto) ist bereits das vierte Mal auf dem Summer Breeze und hat quasi Heimspiel. Die Melange aus traditionellem und modernem Metal weiß Vielen zu gefallen, zudem sind die Münchener großartige Stimmungsmacher mit hohem Energielevel und haben so beim Publikum leichtes Spiel. Top!
[Jakob Ehmke]

Mit REV16:8 wird der Tag auf der Party-Stage schwarzmetallisch begonnen. Und trotz der Hitze und der frühen Stunde sind die Jünger der schwedischen Kombo zahlreich erschienen, was schon vor dem Auftritt für gute Stimmung sorgt. Sobald jedoch Sänger Talon und seine Mannen auf die Bühne stürmen, bekommt jeder eine kleine Gänsehaut. Die Songs, hauptsächlich vom aktuellen Output 'Ashlands', gehen unter die Haut und sind nahezu episch. Ein Auftritt, der Lust auf mehr macht. Mit 'When Your Words Are Obsolete' enden die 35 Minuten eigentlich viel zu schnell.
[Matthias Köppe]

Am späten Nachmittag - zur Abwechslung mal nicht im Zelt - stehe ich bei einem weiteren meiner persönlichen Highlights: ENSLAVED. Ungünstiger Weise müssen die Norweger wieder einmal bei Tageslicht spielen, was das Zünden des atmosphärischen und progressiven Black Metals doch erschwert. Der Sound ist anfangs matschig, wird aber glücklicherweise nach den ersten Minuten doch noch gut. Als Intro haben die Jungs um Sänger und Basser Grutle 'Axioma' vom aktuellen Output 'Axioma Ethica Odini' gewählt, bevor sie direkt in den Nackenbrecher 'Ethica Odini' übergehen. Der Song funktioniert live hervorragend, die wenigen Fans, die ENSLAVED schon zu kennen scheinen, singen lautstark mit. Die Setlist ist der Spielzeit entsprechend kurz und bietet kaum Überraschungen. Außer einem weiteren neuen Titel ('Raidho') hören wir von jeder Platte ab "Monumension" einen Song, ergänzt um 'Allfadr Odin' von der Demo "Yggdrasil" aus 1992. Besonders 'As Fire Swept Clean The Earth' mit seinen Leadgitarrenmelodien zum Niederknien sticht hier noch einmal hervor. Es ist einfach großartig, zuzuschauen, wie die Gitarristen Ivar und Arve ständig den Lead- und Rhythmuspart hin und herreichen. Als Rauswerfer für einen viel zu kurzen Auftritt spielen Grutle und Co. 'Isa', bevor sie unter lautem Applaus die Bühne verlassen. Ein sauberer Auftritt von einer der unterschätztesten Bands der aktuellen Zeit.

Setlist:
Axioma
Ethica Odini
Raidho
Ground
Ruun
As Fire Swept Clean The Earth
Allfadr Odin
Isa
[Hagen Kempf]

Die Spaßmetaller J.B.O. bewerben mit Plakaten und Fähnchen eifrig ihr brandneues Album "Killeralbum", das frisch vom Presswerk zum Summer Breeze gefahren wurde. Entweder sind sie nervös oder sie haben den Release der Scheibe zu ausgiebig gefeiert; auf jeden Fall sind die Witzbolde sehr zahnlos, sprachlos und witzlos. Zugegeben: J.B.O.-Auftritte waren früher besser als heute, schon allein, weil früher ohnehin alles besser war. Aber heute gehen Hannes und Co. einfach nur lustlos zu Werke. Der Live-Kracher 'Bolle' wird schon früh ins Set eingebaut. Die beinharten Fans feiern ohnehin, aber sonst sieht man viele skeptische Gesichter. Die wenig inspirierte Show mit ein paar Tänzern und die obligatorischen Lobesworte auf den Metal können diesen Auftritt nicht retten. Mit 'Verteidiger des wahren Blödsinns' neigt sich der Gig dem Ende. Neue Krieger können sie mit dieser Performance sicher nicht gewinnen.
[Pia-Kim Schaper]

Kurz nach ENSLAVED geht es für mich zu HELRUNAR ins Zelt. Die Jungs aus Osnabrück entern die Bühne mit 'Kollapsar' vom ersten Teil des aktuellen Outputs "Sol". Der Sound ist leider nicht besonders gut, aber noch ertragbar. Das Zelt ist mittelmäßig gefüllt und auch Stimmung will nicht so recht aufkommen. Dies mag aber auch durchaus der Musik der Jungs geschuldet sein, die einfach eine relativ frostige und düstere Aura hat. Wir hören Songs wie 'Nebelspinne' und das großartige 'Ich bin die Leere' vom Über-Demo "Grátr". Nach gerade einmal 25 Minuten kündigt Sänger Skald Draugir mit der Begründung, es sei einfach nicht genug Zeit, schon den letzten Song 'Älter als das Kreuz' an. Ich wundere mich, ob HELRUNAR jetzt vorhat, eine auf 15 Minuten gestreckte Version der Nummer zu präsentieren. Das passiert nicht, die Osnabrücker gehen einfach zehn Minuten früher. Auch eine Möglichkeit. Was bleibt, ist der etwas schale Geschmack, dass HELRUNAR ihr Pulver irgendwie auf "Grátr" schon verschossen hat, zumindest was den Black Metal angeht. Wer eher wegen der neueren pagan-lastigeren Songs ins Zelt gekommen ist, wurde zwar kurz, dafür aber ganz gut bedient.
[Hagen Kempf]

Das Partyzelt ist bereit für den nächsten Metalcore-Act: NEAERA aus Münster führt die Fans durch einen energiegeladenen Auftritt, bei dem einfach alles geht: Vorne toben sich die Mosher und Pogo-Tänzer aus, dahinter lassen die Headbanger die Mähne kreisen. Zu 'Armamentarium' gibt es sogar eine kleine Wall Of Death. Der Funke springt sofort über, Lieder wie 'Let The Tempest Come' werden abgefeiert. Die Musiker stacheln ihre Fans an und flitzen über die Bühne. Später betonen sie, wie sehr sie sich freuen, hier spielen zu dürfen. Eine tolle Show einer nicht abgehobenen Band. So wird das gemacht.
[Pia-Kim Schaper]

Zur Prime Time steht am Freitag BOLT THROWER auf der Bühne und macht genau das, was sie am besten kann: Mit pumpendem Bass und sägendem Riffing alles niederwalzen, was ihr in den Weg kommt. Der Sound der Briten ist absolut fett und dröhnt bis ins Mark - sehr schön, so muss ein Panzer klingen. Trotzdem ist alles klar zu hören und wirkt nie dumpf. Sänger Karl Willets geizt etwas mit Stageacting und zeigt sich auch sonst eher wortkarg. Spielt aber auch keine Rolle; was die Fans wollen sind die Hits der Jungs und die bekommen sie auch. BOLT THROWER wirft Kracher wie 'World Eater', 'Cenotaph' und natürlich 'No Guts No Glory'  unters Volk und gibt den Moshpits kaum Möglichkeiten zur Erholung. Sehr gut weiß auch '… For Victory' zu gefallen, das direkt in die Beine geht. Abgefertigt werden die Fans mit dem Wahnsinns-Titel 'When Cannons Fade', bei dem sich BOLT THROWER ohne viele Worte von der Bühne begibt. Gleichzeitig ertönt die Alarmsirene der zugehörigen Platte als Outro und der Donnerschlag der letzten Kanone, den jeder der Anwesenden bis in die Zähne und die Innereien spürt - was für ein Abgang. Danach ist es still.
[Hagen Kempf]

TURISAS (Foto) kann sich einer großen Menschenmenge erfreuen und landet mit 'To Holmgard And Beyond' den ersten Punkt, mit dem hymnischen 'One More' gleich den zweiten. Mit 'The March Of The Varangian Guard' folgt der erste Track des neusten Outputs. Leider zündet im Vergleich das neue Material nicht wie die alten Songs, sie sind wie auf CD zu überladen und erzeugen nicht die gewohnte Atmosphäre. Auch 'The Great Escape', der Titeltrack 'Stand Up And Fight' oder 'Hunting Pirates' machen da keine Ausnahmen. Hinzu kommt, dass der Sound ziemlich leise abgemischt ist, was die Stimmung etwas hemmt. Umso besser werden 'In The Court Of Jarisleif' und der Dancer 'Rasputin' aufgenommen. Mit dem obligatorischen 'Battle Metal' findet der Gig noch einen gelungen Abschluss.
[Jakob Ehmke]

Auch wenn sie beim Summer Breeze irgendwie immer nur auf der Pain Stage auftreten darf: Seit ein paar Jahren schafft es AMORPHIS nun schon, zunehmend das Flair großer Arenen in ihre Gigs zu zaubern. Was sie vor allem ihrem Frontman Tomi Joutsen zu verdanken hat. Der darf sogleich im melodischen Opener 'My Enemy' vom neuen Longplayer "The Beginning Of Times" sowohl sein Grunzen als auch seinen klaren Gesang voll entfalten. Dabei verschanzt er sich nicht bloß hinter seinem etwas zu groß geratenem Mikrophon im Fünfziger-Jahre-Stil, sondern feuert wie immer die Massen an und schwingt seine mehr als arschlangen Rastas, die jedes Mal länger aussehen. Wann Tomi wohl den Bühnenboden erreicht? Mit 'Sky Is Mine' wird gleich der nächste Kracher neueren Datums nachgeschoben, großes Bühnenlicht, Mitgrölen, Crowdsurfer. Mit 'Against Widows' darf dann auch ein Klassiker nicht fehlen, auch wenn sich die Anzahl älterer Stücke trotz der letztjährigen kollektiven Neueinspielung stark in Grenzen hält. Die einst unverzichtbare Bandhymne 'Black Winter Day' wurde mal wieder aus der Setlist gestrichen, dafür haben die Finnen zuletzt Gefallen an 'The Castaway' vom selben Album gefunden. Durch seine geladenen Auftritte stellt Tomi seine Mitstreiter zwar zunehmend in den Schatten, doch das fällt bei dem Gesamteindruck kaum jemandem auf. 'House of Sleep' vollendet einen erneut genialen Auftritt, der nur eine Frage unbeantwortet lässt: Wie will das Sextett das überhaupt noch toppen? Eigentlich nur, indem es das bereits erwähnte 'Black Winter Day' und das geniale 'Leaves Scar' wieder in ihre Setlist aufnimmt.
[Carsten Praeg]

Zeit für eine Geschichststunde in Sachen Power Metal mit dem Headliner des heutigen Tages: HAMMERFALL! Mit dem neuen 'Patient Zero' beginnt das Spektackel und endet mit dem obligatorischen 'Let The Hammer Fall'. Die Meister des Synchron-Moshens lassen kein Auge trocken und bieten Power Metal wie aus dem Bilderbuch. Da darf der Kracher 'Any Means Necessary' genauso wenig fehlen wie ihr Titeltrack 'HammerFall'. Die Schweden baden sich in "HAMMERFALL"-Rufen und kommen mit einem satten Sound daher, der eine Menge Metalhungrige vor die Bühne lockt, von denen angeblich ein Großteil erstaunlicherweise zum ersten Mal bei einer HAMMERFALL-Show anwesend ist. Auch wenn der Gig teilweise zu routiniert wirkt, überzeugt Joacim Cans mit solider Gesangsleistung und versprüht viel Energie. Ein starkes Summer-Breeze-Debüt!
[Jakob Ehmke]

 

Man bekommt den Eindruck, dass alle, die nicht bei HAMMERFALL sind, mit den Genrenachbarn VICIOUS RUMORS auf der Party Stage, zwar in kleiner, aber feiner Runde abfeiern - jedoch umso intensiver! Ihr Speed/Power Metal kommt gut an und wird vom charismatischen Frontmann entsprechend rübergebracht. Auch wenn die Amerikaner, die "seit 33 Jahren (!) im Dienst des Heavy Metal" sind, meines Erachtens kein ebenbürtiger Ersatz für die ausgefallenen ATHEIST darstellen, liefern sie einen starken und überzeugenden Auftritt ab.
[Jakob Ehmke]

Um Mitternacht steht dann wieder eine Band auf der Pain Stage, die sich dort schon heimisch fühlen dürfte: KATAKLYSM feiert ihren zwanzigsten Geburtstag und macht dem Namen der Nebenbühne alle Ehre. 'Determined' kracht aus den Boxen, Pyros explodieren, während die Kanadier eifrig die Haarmähnen fliegen lassen. Zum Jubliäum wird der Gig für eine DVD mitgedreht und die Hyperblast-Deather wollen ihren Fans so Einiges bieten. 17 Songs aus allen Schaffenszeiten werden rausgeballert, von einem gänzlich unbekannten und live noch nie präsentierten Demo-Song über das unabdingbare 'Manipulator Of Souls' bis hin zum eingängigen und zugleich vorwärts walzenden 'To Reign Again'. Lediglich das vermisste wie geniale 'Like Angels Weeping The Dark' hätte dieses Set noch toppen können. Fronthüne Maurizio Iacono gibt sich wie immer publikumsnah und fordert die Massen unentwegt zum Crowdsurfern auf, während doppelte Bass-Salven im Zwerchfell wummern. Drumsolo, 'Blood On The Swans', geil! Bei allzu altem Songmaterial lichten sich zwar langsam die Reihen, doch das tut der Stimmung keinen Abbruch. Die Securities haben angesichts der auf sie zuschwimmenden Massen richtig viel zu tun, die Pyrotechniker ebenso, und wer dachte, die Franko-Kanadier würden überziehen und deshalb das Backdrop schon abhängen, der irrt: Zum Abschluss lodert eine riesige 20 hinterm Schlagzeug. Ein wenig kitschig, aber angesichts dieses Tinitus-Garants sei's den vier Québecern gegönnt.
[Carsten Praeg]

Nach drei anstrengenden Tagen stehe ich wieder einmal im Zelt, um mir nachts um halb Drei die nächste Black-Metal-Dröhnung zu geben. SECRETS OF THE MOON steht - mit 15 Minuten Verspätung - auf dem Speiseplan und die Jungs und Mädels überzeugen mich vom ersten Ton an. Ich weiß nicht, ob es an den Bierchen lag, die bisher konsumiert wurden, oder der Müdigkeit, aber der etwas monotone und atmosphärische Black Metal um diese Uhrzeit verursacht bei mir einen leicht meditativen Gemütszustand. Das meine ich aber durchaus positiv, auch wenn der Gig der Osnabrücker die Fans nicht so wirklich mitreißen möchte. Im Gespräch nach dem Auftritt mit anderen Anwesenden erfahre ich, dass viele Probleme mit dem verwaschenen Sound hatten, den ich als nicht so schlimm empfunden habe. Wie auch immer; ich persönlich fand SECRETS OF THE MOON sehr unterhaltsam, auch wenn diese Einschätzung wohl nicht alle teilen. Leider ist die Show aufgrund des verspäteten Beginns viel zu schnell zu Ende.
[Hagen Kempf]

Redakteur:
Carsten Praeg

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