Summer Breeze 2015 - Dinkelsbühl

30.08.2015 | 12:44

12.08.2015,

Mucke, (ein) Unwetter und noch mehr Mucke: Unser Bericht von den Dinkelsbühler Krachfestspielen 2015!

Samstag, 15.8.2015

True Metal in der Mittagshitze: Das gibt es beim Summer Breeze nun wahrlich nicht alle Tage, also auf zur Pain Stage, wo Tarek Maghary mit seinen Mannen wartet. Ein amtlicher Mob steht ebenfalls bereit, um sich eine Dreiviertelstunde lang MAJESTY zu geben – und ein kleines bisschen wider Erwarten macht das richtig Laune! Aber klar, eingängige Hymnen sind natürlich genau das richtige, um müde Knochen am letzten Tag noch einmal irgendwie aufzuwecken. Derer hat MAJESTY eine Menge im Gepäck, wobei die Grenze zwischen fausthebend und (selten) peinlich berührt relativ klar anhand des Erscheinungsdatums der gespielten Songs gezogen werden kann. Leider haben die in Lack und Leder gekleideten Herren nur zwei alte Stücke im Gepäck ('Fields Of War', 'Heavy Metal Battlecry'), die dafür allerdings richtig gekracht haben, jedoch sehne ich mich innerlich bis zum letzten Moment nach 'Epic War' – vergebens. Nun gut, so schlecht ist der mittelalte und neue Kram nun auch nicht und die Band ist musikalisch wirklich top eingespielt, insbesondere die beiden Gitarristen setzen die Nummern richtig gut in Szene. Aber was wäre eine MAJESTY-Show ohne Tarek Maghary? Der Typ ist schon echt ulkig. Auf der einen Seite sieht er so trve aus wie dreizehn über vereiste Berge motorradfahrende Drachen [tolle Analogie! Ich lach mich weg! FJ], auf der anderen zieht er eine Show ab, die diesen Eindruck eher ins Lächerliche zieht (Slo-Mo-Lauf, Gestik, Ansagen), aber wieder auf der einen Seite nimmt man ihm die Liebe zu dieser Musik wirklich vollends ab. Er lebt Heavy Metal auf seine eigene Art und Weise, aber lebt ihn durch und durch. So etwas steckt trotz allem, was so zum Schmunzeln anregt, wirklich an und hinterlässt im Gesamtpaket einen tollen Eindruck von einem starken MAJESTY-Auftritt, der trotz undankbarster Spielzeit viel Freude bereitet hat. Chapeau!

[Oliver Paßgang]

Wenn man dann eh schon mal seinen Hintern vor die Bühne geschleppt hat und klitschnass geschwitzt ist, dann kann man auch ein paar Meter weiter zur nächsten Bühne wandern, um sich eine Band zu geben, dessen Namen man schon länger – warum auch immer – positiv abgespeichert hat: BE'LAKOR aus Finnland. Der Meinung bin ich jedenfalls, streue diese Information auch in meinem Umfeld und fühle mich durch das, was meine Ohren erreicht, nicht nur ein bisschen, sondern komplett bestärkt: Das hier ist finnischer Metal, wie er finnischer kaum sein könnte, irgendwo in der Grauzone zwischen GHOST BRIGADE und INSOMNIUM. Blöd nur, dass die Band aus Australien stammt, wie sie ein paar Nummen später verrät. Mir werden (vollkommen zurecht) ein paar Sprüche für meine geographische Orientierungslosigkeit gedrückt, dass die Band jedoch den Suomi-Stil fährt, steht derweil nicht zur Debatte. Getragene, melancholische Passagen geben sich mit recht typischem Melo-Death die Klinke in die Hand, was eine recht abwechslungsreiche und durchaus hübsche Mischung zur Folge hat, die gut reinläuft. Das gewisse Gespür für Harmonien und Melodien ist jederzeit erkennbar und auch die Kompostionen als solche weisen erkennbare Bögen auf. Dass die Musik BE'LAKORs ihre Wirkung jedoch kaum entfalten kann, liegt an zweierlei Dingen: 1. Dieser Drummer. Meine Güte, wie monoton kann man sein Drumset bearbeiten? Hier und da mal etwas gegen den Takt, eine nettes Fill oder sonstige Spielereien, aber nö, der Herr hinter den Kesseln begleitet das einfach ganz stumpf. Minimalismus in allen Ehren, aber dass mich das bereits beim Erstkontakt so richtig aufregt, spricht eine deutliche Sprache. Und ich wüsste nicht, wann ich irgendeiner Band in den letzten Jahren mal diesen Vorwurf gemacht hätte. 2. Das Wetter. Also beim besten Willen, melancholische, finnische [sic] Musik funktioniert einfach nicht bei Temperaturen oberhalb der 30°C und erst recht nicht bei strahlendem Sonnenschein. Da würden es die Kollegen von GHOST BRIGADE rund zwölf Stunden später deutlich einfacher haben. Fazit: Ein ordentlicher Auftritt, der unter den gegebenen Umständen Potenzial erkennen ließ, so jedoch einfach kein Triumphzug werden konnte.

[Oliver Paßgang]

Wer mit dem MANOWAR-Song 'The Crown And The Ring' als Intro die Bühne entert, beweist Humor und schreckt vor nichts zurück. Das die Münchener von EMIL BULLS (Foto rechts) seit jeher musikalisch keine Scheuklappen aufhaben, ist bekannt und so legen sie mit dem breakdownlastigen 'Between The Devil And The Deep Blue Sea'  los, um anschließend mit 'The Most Evil Spell' direkt poppigere Töne anzuschlagen. Irgendwo im Fahrwasser von New Metal, modernem Rock und Metalcore haben sie in fast 20 Jahren Bandgeschichte ihre eigene kleine Musiksparte erschaffen. Was die Band heute ein bisschen an Bühnenpräsenz vermissen lässt, macht das Breeze-Publikum bei 'Here Comes The Fire' mit einem großen Pit und lautstarken Gesängen bei 'When God Was Sleeping' locker wieder wett. Gelungener Auftritt!

[Christian Stricker]

Die T-Stage ist meist fest in der Hand von Extreme Metal Bands, nur gelegentlich schimmern einige Truppen durch, die auch ich gerne mag. Eine davon ist SUICIDAL ANGELS (Foto links), die wenig originellen, aber stilistisch verlässlichen SLAYER-Jünger aus Griechenland, die diesem Ruf heute festigen können. Von Anfang bis Ende sägen ihre Riffs messerscharf durch das Zelt, in dem sich im diese Zeit durchaus noch große Lücken im Publikum zeigen. Parallel zu den EMIL BULLS und am vierten Festivaltag ist wohl doch eine undankbare Position im Billing, was man den vier Südeuropäern jedoch nicht anmerkt. Mit Verve schmettern sie ihre Thrash-Granaten in den Raum und verkörpern das, was ihre großen, offensichtlichen Vorbilder vor fünfundzwanzig Jahren noch so unnachahmlich konnten – pure Thrash-Energie. Fünfundzwanzig Minuten lang lasse ich mir eine Riffwelle nach der anderen wohlig über den Rücken laufen, dann muss ich SUICIDAL ANGELS in Richtung Hauptbühne verlassen. Zwar sind die Griechen nicht gerade umwerfend innovativ, aber das, was sie machen, machen sie gekonnt. Das hat Spaß gemacht.

[Frank Jaeger]

Es ist früher Nachmittag in Dinkelsbühl und brechend voll vor der Mainstage, als KATAKLYSM die Bühne entert. Diese Band hat in den letzten Jahren schon ein beachtliches Comeback gefeiert. Nach eher durchschnittlichen Alben wie "Prevail" und "Heavens Venom" hat KATAKLYSM mit "Waiting For The End To Come" und dem gerade erst erschienen Album "Of God & Ghosts" wieder zu alter Stärke zurückgefunden, was sich auch in Ihren energiegeladenen Auftritten wiederspiegelt. Mit 'To Reign Again' und 'If I Was God.. I'd Burn It All' starten die Herren brachial in ihr Set. Bei  'As I Slither' ruft Sänger Maurizio zum Crowdsurfen auf, ohne absehen zu können, dass er damit eine einstündige Crowdsurflawine entfachen würde. Das Publikum eskaliert komplett bei den Kanadiern: Es wird gebangt, gemosht, mitgegrölt zu den Klängen von Hits wie 'In Shadows & Dust'. Mit 'Crippled and Broken' beendet KATAKLYSM eine extrem fette Death-Metal-Show.

[Christian Stricker]

Da der Rest meiner Kollegen zum Lachen in den Keller geht, bleibt KNORKATOR für mich übrig. Die Berliner sind bekannt für eine Mischung aus Wahnsinn und Genialität, die sie live geschmacklos und humorvoll, aber auch intellektuell umsetzen. Ich bin gespannt.

Die Spontanität der Band wird auch sofort bewiesen. Die Security hatte gerade mit den ersten Reihen gefrotzelt und diesmal selbst eine Wall of Death aus sechs Leuten initiiert, was Frontmann Stumpen dazu bringt, einen Konzertbeginn zu verweigern, wenn nicht vorher eine Wall of Death stattfinden würde. Also fordert er die Fans auf, ein Loch zu machen, das größte Loch Europas. Nach einigem hin und her geht es dann endlich los und Stumpen, stilsicher im gelben Lackeinteiler mit schwarzen Rennstreifen, intoniert das ruhige Stück 'Hymne', eine Mischung aus Selbstbeweihräucherung und witzigen Textstücken wie "Das Konzert ist vorbei und nun raus, aber schnell, nur wer weiblich und schön darf noch mit ins Hotel". Stumpen ist bekannt für sein unglaubliches Stimmvolumen, was er deutlich unter Beweis stellt. Schon kurz darauf sorgt Alf Ator, der sonst mit einem albern behangenen Keyboardrolator über die Bühne schleicht, dafür, dass Stumpen Luft kriegt und schneidet und schält ihn aus dem Lackanzug. Von nun an hüft und verrenkt sich der stark tätowierte Sänger bei allen folgenden Songs, dass es eine Freude ist und man sich wundert, wie er bei diesem Rumgehampel noch weiß, wann sein Einsatz kommt. Die Stimmung im Publikum ist großartig, selbst bis weit nach hinten. Dass KNORKATOR auf der kleineren, niedrigeren Pain Stage spielt, ist positiv zu bemerken, weil man so die Showeinlagen der Verrückten gut sehen kann, obwohl der Publikumszuspruch eigentlich eher für die Main Stage sprechen würde. Die Höhepunkte, abgesehen von albernen Ansagen und Anzüglichkeiten, folgen in der zweiten Hälfte des Auftritts mit 'Eigentum' und dem aus Tausenden Kehlen mitgegrölten 'Wir Werden Alle Sterben', dem Frühhit 'Böse' und dem genial von Ator und Stumpen gesungenen 'Ma Baker'. Zwischendurch lässt sich der Mann am Mikro in einem großen Gummiball vom Publikum auf Händen tragen, später spielen die beiden Bandleader während eines Stückes Federball. Ist das genial oder nur bekloppt? Ich glaube, es ist beides. Über manche Einlagen kann ich lachen, über andere weniger, aber das Konzert ist auf jeden Fall äußerst unterhaltsam und die Stunde, in der Stumpen immerhin einen weiblichen Fan noch mit großem Schalk dazu bringt, ihr Oberteil zur passenden Textstelle in 'Für Meine Fans' zu lupfen, geht rasch vorbei. Das ist eine fast perfekte Konzertlänge für KNORKATOR. Ich hätte zwar noch gekonnt, aber weiter hinten machen sich erste Ermüdungserscheinungen breit. Wegtreten, Stumpen und Co.
Setlist: Hymne, Ding Inne Schnauze, Schüchtern, Du Bist Schuld, Alter Mann, Arschgesicht, Geld, Schmutzfink, Eigentum, Ultimativer Mann, Wir Werden Alle Sterben, Böse, Ma Baker, Absolution, Für Meine Fans

[Frank Jaeger]

Nick Holmes, zum Zweiten. Nachdem ich ihn bereits mit BLOODBATH gesehen habe, erwarte ich heute von PARADISE LOST aber etwas mehr Melodie. Überhaupt die Setlist. Nach vierzehn Alben haben die Briten mehr als genug Pfeile im Köcher, doch ist die Frage, wie sie die verschiedenen stilistischen Phasen unter einen Hut, beziehungsweise homogen in einen Liveauftritt gießen können. Die Death Metallische Frühphase, der melodische Doom, der dann in die elektronische, poppige Phase mündet, und dann wieder zurück zum Metal und sogar wieder zurück zu Growls. Bis auf die Frühphase, die mir nicht so viel gibt, mag ich eigentlich aus allen Zeiten Lieder, auch wenn so manches Album heute etwas, ähm, "quietschig" klingt. Dafür aber Vieles tanzbar ist und eventuell damit heute eine gute Idee wäre.

Als die Buben dann die Bühne betreten und mit 'The Enemy' unerwartet weder mit einem Hit noch mit einem neuen Song einsteigen, fällt erst einmal auf, dass sie auf einer bis auf das Backdrop mehr oder weniger schwarzen Bühne mehr oder weniger in schwarz stehen. Tarnung? Genauso "getarnt" ist auch das Stageacting der Musiker. Natürlich darf man als Doomband schwarz tragen, natürlich erwarte ich kein fröhliches Rumgehopse, aber trotzdem wirkt das, was da effektiv auf der Bühne geschieht, nach ein, zwei Liedern ziemlich langweilig. Musikalisch gibt es nicht viel auszusetzen. Mit dem Titelsong des zweiten Albums geht es tief in die Mottenkiste, mitten im Set glänzen die Hits der elektronischen Phase 'One Second' und das brillante 'Erased', dazu gibt es gleich drei Songs vom aktuellen "The Plague Within"-Album. Die frühe Doomphase wird etwas ausgeklammert, aber auch da kommt immerhin kurz vor Schluss das unvermeidliche 'As I Die' zum Zuge. Soweit alles im grünen Bereich, und über Nick Holmes' Gesangsleistung kann ich mich auch nicht beschweren. Und trotzdem will der Funke nicht überspringen, weil da einfach gar nichts funkt. Der Auftritt entbehrt jeder Spontanität, da reißt einfach nichts mit. Dass die Keyboards vom Band kommen, tut ein übriges. Die Musiker machen ihre Sache ordentlich, haben aber keinerlei Charisma. Während das Publikum anfangs noch ordentlich bei der Sache ist, weisen gegen Ende nur die Burschen direkt vor der Bühne etwas Enthusiasmus auf, am Rande wird sich angeregt unterhalten, mitgesungen allerdings eher wenig. Das ist ein bisschen schade, da ich schon etwas mehr Feuer erwartet habe. Das kann PARADISE LOST heute nicht bieten, sodass wir mit einfach guter Musik zufrieden sein müssen. Zwischen KNORKATOR und CANNIBAL CORPSE ist das dann aber doch eher gute Pausenuntermalung. Man setzt sich, trinkt etwas, hält ein Schwätzchen und nickt zu dem tollen 'Hallowed Land' auch mal mit. Das ist, was ich weiter hinten sehe, während ich verbissen ausharre. Ich habe mich drauf gefreut, jetzt will ich einfach, dass es toll ist. Auch wenn der Zeiger am Ende eben nur bei mittelmäßig stehenbleibt. Ich pfeife noch minutenlang trotzig 'Just Say Words'. So, ätsch!
Setlist: The Enemy, No Hope In Sight, Gothic, Tragic Idol, Erased, One Second, Victim Of The Past, Hallowed Land, Faith Divides Us Death Unites Us, Terminal, As I Die, Say Just Words

[Frank Jaeger]

Früher Samstagabend, der Himmel verdunkelt sich zusehends und es zieht erneut ein Sturm auf. Gemeint ist damit aber nicht nur die heranziehende Regenfront, die das Gelände bis tief in den Sonntag hinein im Griff halten sollte, sondern auch der Auftritt von CANNIBAL CORPSE, welcher zum Ende des Festivals nochmal alle Death-Metal-Jünger vor die Nebenbühne locken sollte, deren Hälse den bisherigen Verrenkungen standgehalten haben. Und so kommt es, wie es bei einem Konzert der fünf Hobbymetzger nicht anders zu erwarten ist: Gewohnt schnörkellos und auf jegliche Art ausgefeilter Bühnengestaltungen oder -effekte verzichtend servieren der Corpsegrinder George Fisher und seine Mannen dem erwartungsvollen Publikum eine gemischte Schlachtplatte aus walzenden Midtempo-Nackenbrechern und rasendem Blastbeat-Gewitter. Mögen sich die jüngeren Teile des Publikums anfangs noch darüber wundern, dass die erste Ansage bis zum vierten Song des Sets ('Stripped, Raped and Strangled') auf sich warten lässt, so begreifen sie im Laufe des Konzerts doch allmählich, dass weniger Reden und mehr Arbeiten (also Bangen und Growlen oder Bangen und Screamen) im Falle des Corpsegrinders doch die bessere Kombination darstellt. Denn im Gegensatz zu seinen teils überflüssigen verbalen Ergüssen ("Try to keep up with me. You will fail, but you can still try!") kann der personifizierte Stiernacken drei Dinge nämlich richtig gut: Gas geben, richtig Gas geben und so richtig Gas geben! Sehnt sich der Großteil des Publikums nach einer Stunde Dauerrotation nach einer entkrampfenden Thai-Massage für den gesamten oberen Körperbereich, wirkt die nimmermüde Kreuzung aus Android und Ventilator auch nach 'Hammer Smashed Face' und 'Devoured by Vernim' noch, als könne er noch locker zwei weitere Stunden CANNIBAL CORPSE-Songs schmettern. Beeindruckende Leistung, ohne Frage. Trotzdem bin ich danach aber auch froh, dass der Kraftakt vorüber ist und mein Kopf noch an derselben Stelle des Körpers steckt wie zu Beginn des Konzerts.

[Nils Hansmeier]

Hardcoreakts auf der Mainstage hatten in der Vergangenheit beim Summer Breeze schon mal unter Publikumsschwund zu leiden. Nicht so bei der Truppe um Brüllwürfel Jamey Jasta. Mit dem Opener 'Everyone Bleeds Now' wird direkt das Motto für die nächsten 75 Minuten ausgegeben. Über Dinkelsbühl ziehen dunkle Wolken auf, aber das zahlreich anwesende Publikum geht direkt steil und singt bei 'In Ashes They Shall Reap'  lautstark mit. HATEBREED hat heute nur Hits auf der Setlist stehen. Bei 'To The Threshold' und dem live wie immer in einem wahnwitzigen Tempo wiedergegeben 'Defeatist' kocht der Pit. Jamey Jasta ist sichtlich erfreut, dass seine Band auf einem solch stilistisch gemischten Festival auftreten dürfen, da es an solchen in ihrem Heimatland mangele. Die Bühnenaufbauten sind für einen Co-Headliner spartanisch gehalten – egal, man befindet sich hier auf einer Hardcore-Show. Hier zählen die Hooklines, Breakdowns und Riffs. Mit Klassikern wie 'Peserverance' und 'Live For This' hat HATEBREED davon jede Menge am Start. Während die Band jeden Quadratmeter der Bühne beackert, jagt bei einsetzendem Regen ein Circle Pit den nächsten. Es folgt noch schnell die Ankündigung, dass man sich nach der Sommertour endlich ins Studio begibt, um den Nachfolger von "The Divinity Of Purpose" einzutrümmern, bevor diese furiose Darbietung mit 'I Will Be Heard' und 'Destroy Everthing' in kompletter Zerstörung gipfelt.

[Christian Stricker]

MORGOTH ist seit über zwanzig Jahren meine liebste einheimische Death-Metal-Band, und ihr frühzeitiges Ende Mitte der Neunziger fand ich seinerzeit sehr, sehr schade. Umso größer war die Freude ob der Reunion vor einigen Jahren, und als ich die Band dann zusammen mit dem Herrn Kollegen Becker im strömenden Regen des Gelsenkirchener Amphitheaters bewundern durfte, war die Begeisterung immens. Dann kam jedoch der Schock der Trennung von Originalsänger Marc Grewe und die bange Frage, wie sich das wohl entwickeln würde. Als das neue Album mit dem neuen Sänger Karsten "Jagger" Jäger (DISBELIEF) in die Regale kam, wich der Skepsis bald Erleichterung, denn auch wenn das Album gemischte Kritiken erhielt, so lag dies keinesfalls am neuen Frontmann, denn ohne Wenn und Aber: Jagger hat genau die richtige Stimme dafür, Marc nachzufolgen, und auch heute, bei meiner ersten Live-Begegnung mit der Band in diesem Line-up, ist der Frontmann ein absoluter Aktivposten, der sowohl gesanglich als auch in Sachen Bühnenperformance alle Register zieht und die Songs würdig interpretiert. Die Setlist gibt sich dabei selbstbewusst und setzt mit vier Stücken einen großen Schwerpunkt auf das aktuelle Album "Ungod", das damit genaus stark gewichtet wird wie der große Klassiker "Cursed" (1991). Die frühen EPs bleiben dabei ebenso außen vor wie das etwas aus der Art geschlagene, aber keineswegs schlechte "Feel Sorry For The Fanatic", von dem ich sehr gerne 'Last Laugh' gehört hätte. Dafür gibt's zum Ende hin aber noch meinen absoluten MORGOTH-Lieblingssong 'Under The Surface' und den starken Abschluss mit 'Isolated', so dass ein sehr positiver Eindruck zurück bleibt und mir klar ist, dass ich MORGOTH auch in diesem Line-up sehr gerne mal wieder anschauen werde.
Setlist: Ungod, Sold Baptism, God Is Evil, Snakestate, Resistance, Suffer Life, Body Count, Traitor, Under the Surface, Isolated

[Rüdiger Stehle]

Vor den beiden eigentlichen Headlinern darf DARK TRANQUILLITY nochmal auf der Pain Stage ran. Ich habe die Schweden in den letzten Jahren ein wenig aus den Augen verloren, da ich nie der ganz große Fan der Band war, aber auf den Auftritt freue ich mich dennoch. Schon bald stelle ich fest, zu Recht, denn mit großer Spielfreude stürmen die Göteborger die Bühne und setzen zu einem Ritt quer durch die zehn Alben umspannende Diskographie an, unterstützt von passenden, düsteren Videoeinspielern im Bühnenhintergrund. Kurz vor dem Ende des Festivals komme ich zu dem Resultat, dass DARK TRANQUILLITY eindeutig die Band ist, die den größten Spaß an ihrem Tun und Auftritt des ganzen Summer Breeze, soweit ich es gesehen habe, versprühen. Das ist absolut ansteckend, wer dabei nicht mitgeht, der ist taub. Oder einfach so erschöpft nach den vier Tagen, dass selbst Mikael Stanne ihn nicht mehr hochbringen kann. Auch das ist mittlerweile verständlich.

Aber weiter vorne geht es ab. Anfangs liegt das Hauptaugenmerk noch auf dem neuesten Album "Construct", aber auch nonchalant eingestreute Bandklassiker wie 'The Wonders At Your Feet' lockern das Ganze auf. Übrigens ist der Sound gut und auch der Bass, gespielt von Anders Iwers, der schon bei AVATARIUM ausgeholfen hatte, ist erwähnenswert. Jedenfalls hält es Sänger Stanne kaum auf der Bühne, immer wieder springt er in den Graben und sucht das Publikum. Ganz tief in die Historienkiste greift die Band mitten im Set mit dem Song 'Therein' vom 1999er Album "Projector", das aus vielen Kehlen unterstützt wird. Ich bin auch hier ein weiteres Mal überrascht ob des hohen Status, den die Band mittlerweile innehat. Da guckt man mal kurz weg, und schon werden die einfach groß. Tse.

Ein weiterer Höhepunkt ist 'The Mundane And The Magic', das eigentlich eine weibliche Stimme zum Duett benötigt. Hat DARK TRANQUILLITY grad nicht zur Hand, also sucht sich Mikael eine Dame aus der ersten Reihe, die mit ihm zusammen das Lied bestreitet. Die Gute, die ihre Sache übrigens textsicher und sehr ordentlich macht, ist völlig aus dem Häuschen. Verständlicherweise. So etwas erlebt man nicht jeden Tag. Nach siebzig Minuten verlassen beide, Band und Publikum, glücklich den Schauplatz einer mitreißenden, technisch anspruchsvollen Show.
Setlist: The Science Of Noise, White Noise/Black silence, The Silence In Between, The Lesser Faith, The Wonders At Your Feet, The Treason Wall, Through Smudged Lenses, State Of Trust, Therein, The Mundane And The Magic, Terminus (Where Death Is Most Alive), Lethe, Final Resistance, Endtime Hearts, Misery's Crown

[Frank Jaeger]

HATEBREED hat gerade erst das Set auf der Mainstage beendet, da folgt mein fliegender Wechsel zur T-Stage, wo mit den New Yorkern SICK OF IT ALL direkt das nächste Hardcore-Schwergewicht auf der Bühne steht.

Als die Truppe um Frontmann Lou Koller mit 'Uprising Nation' und 'Machete' die Bühne entert, sind die Publikumsreihen im Zelt nur spärlich gefüllt. Scheinbar mussten noch viele Hardcore-Fans ihre Knochen nach dem HATEBREED-Gig sortieren. An der Band kann es jedenfalls nicht liegen, diese sprüht förmlich vor Spielfreude. Zwar feiern SICK OF IT ALL erst nächstes Jahr ihr 30-jähriges Bandbestehen, aber heute gibt es u.a. mit 'Clobberin Time', 'Injustice System' und 'My Life' zahlreiche Klassiker aus ihrer ganzen Schaffensphase. Sie bezeichnen sich selbst als die Erfinder der Wall Of Death, als Sie zu 'Scratch The Surface' dazu aufrufen und das ganze Zelt mitmacht, möchte man es ihnen direkt glauben. Mit 'Step Down' und  'Us Vs. Them' beendet SICK OF IT ALL ein schweißgetränktes Set und hat bewiesen, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören.

[Christian Stricker]

NIGHTWISH mit Floor Jansen. Da ich kein so großer Anhänger von Anette Olzon war, vor allem weil sie mich live nicht so überzeugte, begrüßte ich den Wechsel der Frontdame. Obendrein bin ich ein großer Freund Jansens Stimme und finde auch das aktuelle Album "Endless Forms Most Beautiful" in seiner ganzen Opulenz toll. Was kann da einem schönen Auftritt entgegenstehen? Denke ich so und warte darauf, dass wir Fotografen reingelassen werden. Aber das Intro läuft vor einem riesigen, vom Thema "Evolution" des neuen Albums inspirierten Backdrops, und niemand macht Anstalten, uns vorzulassen. Die Musiker kommen auf die Bühne und dann erfahren wir, warum die Fotolieder diesmal nicht die ersten drei sind, sondern Lieder drei bis fünf. Denn NIGHTWISH bombardieren uns geradezu mit Pyrotechnik! Feuersäulen, riesige Nebelmaschinen, und Feuerlanzen im Takt machen das ohnehin schon überbordende 'Shudder Before The Beautiful' zu einem visuellen Erlebnis. Ja, da wurden wir aus Sicherheitsgründen erstmal zurückgehalten und schauen uns das bombastische Geschehen von der Seite an. Ich muss sagen, dass in all den Effekten die Musik leider etwas in den Hintergrund gedrängt wird. Das ist einfach eine Reizüberflutung, die sich auch in 'Yours Is An Empty Hope' fortsetzt, das ebenfalls vom aktuellen "Endless Forms Most Beautiful" stammt. So weit ist für Floor alles im Lot, aber natürlich warten wir alle auf den ersten älteren Song. Der folgt dann mit 'Amaranth' aus der Anette Olzon-Phase. Da hätte ich mir lieber 'Bye Bye Beautiful' gewünscht, aber man hat mich ja nicht gefragt. Floor hat eine Rockröhre, das kennt man spätestens seit REVAMP, und dass sie trällern kann, wissen wir von AFTER FOREVER. Die großgewachsene Frontfrau variiert die beiden Möglichkeiten geschickt im Laufe des Konzertes, aber live überwiegt dann doch der kraftvolle Rockgesang. Überhaupt, im Gegensatz zu ihren beiden Vorgängerinnen sieht man Floor wirklich rocken. Da wird gebangt und die Haare fliegen, es wird gebrüllt und gesäuselt. Floor sieht auch genau so aus: an den Armen Blümchen und Verspieltheit, der Rest Rock mit Leder und Ketten. Die charismatische Sängerin stielt im Folgenden häufig den anderen Musikern die Show, auch wenn sich Marco Hietala, der einige Gesangsparts hat, bemüht, doch vor allem der im Vergleich zur Sängerin kleingewachsene Gitarrist Emppu Vuorinen kann sich kaum in den Vordergrund spielen. Das scheint ihn aber nicht zu stören, er macht kleine Faxen, läuft auch über die Bühne, und ist sonst zufrieden, seine Gitarrenparts in den Sound zu schießen. Allerdings hadere ich ein wenig mit dem Sound, der doch sehr matschig tönt und die Gitarre oftmals einfach versinken lässt. Noch mehr im Hintergrund hält sich Neubandmitglied Troy Donockley mit seinen traditionellen Instrumenten. Dann folgt der erste Tarja-Song: 'She Is My Sin'. Hier wird deutlich, dass sich Floor Jansen nicht damit zufrieden gibt, die Lieder nachzusingen, sondern sie sich zurechtbiegt und sie rockiger macht. Das wird allerdings durch den sehr bombastischen Sound etwas gekontert, der dem aktuellen Album angepasst etwas zu plüschig ist. Tuomas trägt ein bisschen dick auf, aber das scheint die Fans nicht zu stören. Hier wird gefeiert bis weit hinten, wo ich mir noch etwas zu trinken hole, aber erstaunlich lange warten muss und selbst am Verkaufstresen noch mitgesungen wird. Hat das Summer Breeze Publikum etwa eine seichte Ader, oder ist man nach vier Tagen mit viel Geballer einfach nur satt und braucht etwas weniger heftiges? Nach einem weiteren, drei Lieder andauernden Part vom aktuellen Album, der wieder mit viel Pryotechnik und Trockeneisnebel unterstützt wird, nimmt sich die Band des "Imaginarium"-Albums an. Mittlerweile schaue ich auf die Uhr und merke, dass NIGHTWISH nur noch Zeit für eine Handvoll Lieder hat. Moment mal, da fehlen aber noch viele Gassenhauer! Als hätte Floor das gehört, zaubert sie mit 'Stargazers' gleich mal einen "Oceanborn"-Song aus dem Hut. Wow, ja, so etwas hatte ich gemeint. Gefolgt von 'Ghost Love Score' von "Once". Das Publikum ist aus dem Häuschen und feiert, und mit 'Last Ride Of The Day', das ich gegen einen echten Klassiker gerne eingetauscht hätte, endet der Auftritt. So bleibt als Fazit, dass sich NIGHTWISH mit Floor Jansen ganz sicher verbessert hat, allerdings die Songauswahl für ein Festival etwas zu sehr auf neue Lieder fokussiert war. Die Pyroshow war beeindruckend, drohte aber die Musik in den Hintergrund zu drängen. Da wäre sicher weniger auch noch genug gewesen. Trotzdem vermochte der überbordende Bombast zu unterhalten, und für mich als Fan bleibt als Fazit, dass die kommende Tour einen Besuch wert sein dürfte, denn dann werden sicher zu der unterhaltsamen Zusammenstellung noch ein paar Lieder mehr gespielt werden.

Erstaunt bin ich ob der Begeisterung der Zuschauer. Irgendwie empfand ich NIGHTWISH auf dem Billing des Summer Breeze als deplatziert inmitten der zahlreichen härteren Bands, aber ich muss zugeben, dass ich Unrecht hatte, denn die Menge geht bis zum letzten Lied mit. Ein unerwartet würdiger Headliner für das Summer Breeze. Aber es ist ja noch nicht vorbei. Ich muss jetzt mal schnell rüber zur Pain Stage!
Setlist: Shudder Before The Beautiful, Yours Is An Empty Hope, Amaranth, She Is My Sin, My Walden, Élan, Weak Fantasy, Storytime, I Want My Tears Back, Stargazers, Ghost Love Score, Last Ride Of The Day

[Frank Jaeger]

Ich habe mich wirklich auf diesen Auftritt gefreut. Ernsthaft, so richtig. Als Freund aller Bandphasen und Sängerinnen kann da auch erstmal etwas Beliebiges gespielt, um mich glücklich zu machen, aber NIGHTWISH hängt für mich an diesem Abend der eigenen Bestform meilenweit hinterher. Das hat Ursachen im Sound (zu leise und matschig), in der Inszenierung (wie Frank bereits schrieb: Pyro und Bombast vor Songs), aber vor allem (und ärgerlicherweise) in der Attitüde. Ich nehme mir die Frechheit für so ein Urteil auch nur deshalb heraus, weil für mich als Fan in freudiger Erwartung wirklich gar nichts ankam. Ich kann dabei gar nicht mal mit dem Finger auf irgendwen zeigen, aber da passte insgesamt nicht viel zusammen. Stimmung geht anders.

Dass das viele (vor allem jüngere) Anhänger anders sehen, lag dann mit Sicherheit an der sehr newschooligen Setlist – und überhaupt sei Freude an Musik auch jedem gegönnt. Ich hatte bei NIGHTWISH am heutigen Abend leider keine und mache daher circa in der Mitte des Sets meinen Platz frei, um mir das nahezu größtmöglich denkbare, parallel aufspielende Kontrastprogramm zu geben.

Und dieses hört auf den Namen INQUISITION. Ich kenne genau gar nichts von den Herren auf der anderen Seite des Atlantiks, aber das ist auch vollkommen egal. Das ist hier ist Black Metal mit dem "Kennt man, fühlt man, findet man geil!"-Vibe.

Von schön-schleppend bis rasant-rasend werden facettenreiche, kalte Riffs serviert, die direkt in den schwarzen Teil der Seele gelangen. Wunderbar. Dazu gibt es die passende Attitüde (NIGHTWISH anyone?) und einen tollen Sound (NIGHTWISH anyone?), sodass mir in gut 30 Minuten die Enttäuschung aus dem Kopf geballert wird und ich mit einem Haufen anderer Schwarzwurzeln das Gefühl habe, im Endeffekt doch noch alles richtig gemacht zu haben.

Beim nächsten Mal gebe ich mir INQUISITION dann direkt von Beginn weg – fantastischer, eigenständiger Black Metal der älteren Schule.

[Oliver Paßgang]

Frank rennt noch, während ich schon im Photograben vor der Pain Stage stehe, nachdem ich nach meiner Live-Feuertaufe mit INQUISITION hektisch am Stand von Season of Mist das ganze Backprogramm des Cali-Kartells eingetütet hatte. Trotz des bärenstarken Auftritts der Kolumbianer, der meinen Entschluss festigte, mich endlich ausgiebig mit der Band zu verpassen, will ich natürlich keine Sekunde des nun folgenden Spektakels verpassen und harre zitternd vor den angekündigten Pyrodetonationen und doch freudig des wahren Headliners: VENOM!

Nachdem nämlich die Damen und Herren NIGHTWISH dem zarter besaiteten Bruchteil des Publikums das Wiegenlied gesungen und die Plüschfraktion ins Bettchen begleitet hat, da ist es an niemand Geringerem als an Onkel Cronos und seinen Mannen, dem Festival den Garaus zu machen. Drohend erklingt das Intro vom Band, im Nebel erahnen wir vor Pentagrammen und dem berühmten Teufelskopf die Silhouetten des Meisters und seiner Sidekicks, und mit einem mächtigen Kanonenschlag bricht das Inferno los. VENOM bricht wie ein Orkan über die nach NIGHTWISH durchaus noch in recht stattlicher Stärke anwesende Bangerschaft herein, und man kann auf jeden Fall sagen, dass das Newcastle-Trio seinen Status als Headliner der Pain Stage voll und ganz ausfüllen kann.

Ja, genau so ist es auch: Im Vergleich zum ebenfalls schon starken Gig beim Rock Hard Festival legt die Band noch ein paar Schippen drauf, präsentiert sich besser eingespielt, tighter und tritt auch konsequenter auf. Modische Faux-pas wie Cronos' baufreies Top und Rages rotes Hemd bleiben in der Mottenkiste, was gerade Rage echt gut zu Gesicht steht und das Line-up insgesamt etwas ernsthafter wirken lässt. Dass Drummer Danté ein echter Hingucker ist, das kann auch niemand verleugnen, denn was der Mann hinter dem Drumkit wirbelt und an Show abzieht, das ist wirklich eine wahre Pracht. Und dann ist da natürlich Cronos, der Meister höchstselbst. Kürzlich schrieb ein Kollege in einem bekannten Mag, dass es doch ein cooler Job sein muss, Cronos zu sein, und ja, der heutige Gig bestätigt das vollauf. Der Mann hat das für VENOM-Verhältnisse erstaunlich junge Publikum voll im Griff; die Leute fressen ihm aus der Hand, und im Gegensatz zum Rock Hard Festival werden heute in Dinkelsbühl auch die neueren Songs richtig gut aufgenommen. Wenn es sich eine alte Band wie VENOM leisten kann, zum Einstieg fünf neuzeitliche Songs am Stück, lediglich unterbrochen vom Klassiker 'Die Hard' zu zocken, ohne dass im Publikum größeres Murren ausbricht, dann ist das für mich ein unerschütterlicher Beweis dafür, dass die Truppe weit mehr in der Gegenwart lebt, als es ihr die meisten Kritiker zugestehen wollen. Dass es dann in der zweiten Hälfte des Gigs natürlich genau anders herum läuft und die Sirenen Klassikeralarm geben, das versteht sich quasi von selbst, und zu einer mörderisch genialen Version von 'Warhead' sowie zu obligatorischen Offenbarungen wie 'Countess Bathory', 'Black Metal' oder den beiden Zugaben 'In League With Satan' und dem traditionellen Hinausschmeißer 'Witching Hour' geht dann auch das ganze verbliebene Publikum richtig steil.

Dafür, dass die Band die undankbare und schwierige Aufgabe hatte, bei einem doch sehr Mainstream-lastigen, und eher modern orientierten Festival wie dem Summer Breeze nach dem Main-Stage-Headliner um 00:15 Uhr noch die Pain Stage headlinen zu dürfen, schafft es die Truppe um Cronos doch tatsächlich relativ problemlos, viele Leute auf dem Gelände zu halten, dort auch - gerade mit den beiden Zugaben - für ausgiebige Circle-Pits zu sorgen, und am Ende richtig, richtig viel gut gelaunten Applaus zu ernten, und das beileibe nicht nur von Leuten, die schon seit den Achtzigern dabei oder in der Wolle gefärbte Old-Schooler sind. Nein, nein, da sind durchaus auch ein paar ganz unvorbelastete, "normale" SBOA-Besucher richtig gut bei der Sache. Ein jüngerer Bursche neben mir legt mir den Arm auf die Schulter und sagt beispielsweise: "Das ist doch magisch: Venom zur Geisterstunde, spielen Black Metal und es fängt an zu regnen!". Mehr gibt es nicht zu sagen: VENOM ist mein klarer SBOA-Sieger 2015!

Setlist: Rise, Die Hard, Hammerhead, Long Haired Punks, Grinding Teeth, Buried Alive, Resurrection, Welcome To Hell, Pedal To The Metal, Countess Bathory, Warhead, Black Metal, In League With Satan, Witching Hour

[Rüdiger Stehle]

Wenn mich im Vorfeld irgendjemand nach meiner Wunschvorstellung gefragt hätte, genau so und nicht anders hätte mein Traum für den Festivalabschluss ausgesehen: GHOST BRIGADE am letzten Festivaltag spät nachts im Zelt. Nach den vielen Tagen des Krachs beendet ein immer noch metallischer, aber durch und durch weltschmerzender Sound das Summer Breeze für dieses Jahr. Der Sound hat sich einen guten Moment ausgesucht, um in voller Blüte zu erstrahlen, die Anwesenden sind in der passenden Stimmung und die Band ist sowieso bereit. Die Finnen scheinen auch mächtig (und zurecht) von ihrer aktuellen Platte "IV – One With The Storm" überzeugt zu sein, weshalb gleich fünf der acht Nummern davon stammen. 'Into The Black Light' ist wie immer ganz großes Schmacht-Kino, 'Breakwater' animiert zum Headbangen auf Bodenhöhe, aber auch der Rest ist kaum weniger übersäht von großartigen Melodien und dick ausgebreiteten Klangteppichen, sodass einem immer wieder kleine Momente mit einem Hauch von Unendlichkeit suggeriert werden. Fantastisch. Das trifft beim Publikum einen gewissen Nerv, denn hier sind auf einmal noch ungeahnte Energiereserven auszumachen. "But all good things come to an end": Der letzte Song ist 'Elämä On Tulta', bei dem Sänger Manne Ikonen augenzwinkernd dazu auffordert, das in der Muttersprache verfasste Stück doch einfach mitzusingen. Wie auf dem Album, so ist die Nummer auch live ein perfekter Schlusspunkt eines perfekten GHOST BRIGADE-Konzertes. Gute Nacht, Summer Breeze!

[Oliver Paßgang]

 

Fazit

Auch 2015 war das Summer Breeze mal wieder ein tolles, großes Musikfest. Die (schon immer) richtig gute Organisation sorgt dafür, dass trotz des wahnsinnig großen Menschenandrangs alles wirklich absolut entspannt abläuft. Von Jahr zu Jahr werden Kleinigkeiten geändert (beispielsweise was die Wege auf dem Festivalgelände angeht), die man stets lobend abnicken kann. Gratis-Wasserstellen sind bei den teils extremen Temperaturen eine eigentlich selbstverständliche, aber dennoch nennenswerte tolle Sache. Denn das Wetter hat dieses Jahr einen wirklichen Sommer geboten - vom Freitagsunwetter und dem Abreiseregen mal abgesehen... Auch die Securities waren (ebenfalls wie immer) angenehm unkompliziert. [Das möchte ich auch noch einmal explizit über die "Grabenschlampen" sagen- souverän, unaufgeregt und freundlich. Grazie! FJ]

Musikalisch war das Programm bunt wie eh und je, natürlich mit einem Fokus auf (oftmals härteren) Metal. Die vier Bühnen, wovon immer zwei bespielt, haben einen nicht selten vor die Qual der Wahl gestellt. Denn wenn man ehrlich ist, würden alleine die beiden kleinen Auftrittsorte (T-Stage und Camel-Stage) schon ausreichen, um ein eigenes Festival auf die Beine zu stellen, dessen Besuch sich vollends lohnen würde. So entzerrt sich ein Festival aber auch, weshalb dies kein wirklicher Kritikpunkt sein soll, zumal viele Newcomer-Bands, die vor allem auf der Camel-Stage aufgetreten sind, einen richtig guten Zulauf verzeichnen konnten. Hervorzuheben ist dabei noch einmal die durchweg gute Stimmung auf dem Festival; von ganz klein bis ganz groß wird jede Band für eine tolle Performance gefeiert.

Abschließend gilt unseren Gastautoren Christan Stricker und Nils Hansmeier ein besonderer Dank für ihre Mitarbeit an diesem Bericht.

Wir von POWERMETAL.de freuen uns bereits auf die nächste Brise des Sommers an der Grenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg. Wir sehen uns 2016!

[Oliver Paßgang]

Redakteur:
Frank Jaeger

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