Summer Breeze 2016 - Dinkelsbühl
31.08.2016 | 21:5118.08.2016,
Tatsächlich die erhoffte Brise des Sommers: das Summer Breeze Festival 2016.
Die Anzahl an Festivals, die dieses Jahr Glück mit dem Wetter, kann man gefühlt an einer Hand abzählen. Zum Ende der Saison wird aber zumindest das Summer Breeze (mit einer kleinen Ausnahme) seinem Namen gerecht, so dass die musikalischen Spiele bei Dinkelsbühl umso mehr Freude bereiten. Für ein breites Spektrum an Bands ist wie immer gesorgt, so dass Fans von Metal in all seinen Facetten, Rock, Hardcore, Mittelater, Gothic und vieles von dem, was daran angrenzt, jeweils voll auf ihre Kosten kommen. Da die Veranstalter nach wie vor – und aus meiner Sicht: lobenswerterweise! – wenig Wert auf ein unterhaltsames Drumherum legen, wollen wir das auch nicht tun und stattdessen von den vielen Konzerten berichten, die wir in diesem Jahr erleben durften.
Die Ausläufer des Sommers genossen in diesem Jahr Leoni Dowidat und Frank Jaeger (beide Foto und Text), Rüdiger Stehle, Raphael Paebst, Nils Hansmeier sowie Oliver Paßgang (Text).
[Oliver Paßgang]
Den Anfang des Festivals macht für mich ALMANAC, da wir die lokale Blaskapelle im Stau verpasst haben. Aber für mich als klassischen Metaller ist die Band eh der Höhepunkt des Tages. Ex-RAGE-Gitarrist Victor Smolski bietet nämlich auf seinem Debüt mit der neuen Band genau das, was ich erhoffe: Metal mit Power, viel Melodie und großem Bombast. Letzterer kommt zwar bei dem Live-Auftritt nicht ganz so zum Tragen, dafür ist der Auftritt ausgesprochen energetisch. Besonders auffällig ist die Tatsache, dass auch live mit drei Frontleuten agiert wird. Da ist zum einen Jeannette Marchewka, deren Outfit gewagt mit den Naturgesetzen spielt und die Erwartung schürt, dass ihr noch ein Kleidungsunglück passieren könnte. Hat sie gar nicht nötig, denn sie singt kraftvoll und stark und bildet einen schönen Gegenpart zu David Readman und Andy B. Franck, der zweifellos einer der besten Metalsänger Deutschlands ist. Wenn Andy dabei ist, ist für mich die halbe Miete bereits eingespielt. Auch heute bildet er einen schwermetallischen Aktivposten, singt hervorragend und animiert das Publikum, das so ganz zum Festivalaftakt mehr als eifrig mitmacht. In einer Dreiviertelstunde lässt sich das aktuelle Album 'Tsar' schön vorstellen und Zeit für eine RAGE-Coverversion in Form vom 'Empty Hollow' ist auch noch. An dieser Stelle hätte ich mir vielleicht einen größeren Gassenhauer gewünscht, aber ist ja kein Wunschkonzert, sondern nur ein gelungener Beginn der vier Tage Vollbedienung mit tadellosem Gefiedel Victors, tollem Gesang, Action auf der Bühne und einem zufriedenen Schreiberling davor. So kann es weitergehen.
Setliste: Tsar, Self-Blinded Eyes, Hands are Tied, Children of the Future, Nevermore, No More Shadows, Empty Hollow
Die Camel Stage ist klein und deshalb spielen dort vor allem Bands mit übergroßem Bewegungsdrang. Was sich paradox anhört, stellt sich im Laufe des Festivals immer wieder als wahr heraus und nimmt mit EVIL INVADERS aus Belgien seinen Anfang. Die Truppe tut nämlich auch auf dem Summer Breeze 2016 das, was sie seit Jahren auf allen Bühnen tut: Ihren Speed Metal in atemberaubender Geschwindigkeit herunterzocken und dabei wie wild über die Bühne rennen. Die Spielfreude der Band ist wie immer hoch, es fliegen Haare, im Publikum wie auf der Bühne und der extrem hohe Gesang erinnert immer wieder an selige AGENT-STEEL-Tage. Dazu der Sonnenschein und ein kühles Bier und fertig ist eine musikalische Zeitreise in die späten 80er, der sich eine beträchtliche Zahl von Festivalbesuchern auf dem Platz vor der Camel Stage begeistert hingibt. Da die Spielzeit leider sehr begrenzt ist, bekommen wir heute nur sechs Lieder um die Ohren gehauen, aber in denen findet EVIL INVADERS locker platz für Riffs, Soli und generell Noten, die bei anderen Bands für einen anderthalbstündigen Headlinerauftritt reichen. Sowohl die Debüt-EP als auch das erste vollständige Album "Pulses Of Pleasure" werden dabei abgedeckt, lediglich die neue EP, welche im Herbst erscheint, wird uns noch nicht vorgestellt. Dennoch, ein gelungener Start für mich und sicher noch viele andere in ein langes Wochenende voller Heavy Metal.
Setliste: Fast, Loud And Rude, Driving Fast, Pulses Of Pleasure, Shot To Paradise, Stairway To Insanity, Victim Of Sacrifice
Raus aus der Sonne vor der Camel Stage, weg vom gutgelaunten Speed Metal und hinein ins Dunkel der Tent Stage, wo das Hamburger Duo MANTAR auch musikalisch für ordentlich finstere Stimmung sorgt. Mit Gitarre und Schlagzeug machen die beiden einen Höllenlärm irgendwo zwischen Black Metal, Doom und Rock'n'Roll, Gitarrist Hanno brüllkreischt sich dazu noch die Seele aus dem Leib. Kommunikation mit dem Publikum gibt es keine, stattdessen wird die volle Spielzeit zum Krachmachen genutzt. Beide Alben kommen dabei zum Zug, wobei ein Hit wie 'Era Borealis' natürlich live noch mehr zündet als schon auf dem Album "Ode To The Flame". Ansonsten gibt es aber natürlich nichts zum Mitsingen oder -Klatschen und stattdessen viel Lärm, fiese Riffs und manischen Hass. Als die knappe Spielzeit vorüber ist, fühlt sich das Konzert als viel länger und körperlich anstrengender an, als es tatsächlich war und ich gehe voller Freude hinaus ans Tageslicht, froh, dass die Welt heller und freundlicher ist, als es mich MANTAR glauben macht.
Der erste heimliche Headliner, eine auf dem Summer Breeze regelmäßig eintretende Merkwürdigkeit, dass nämlich einige Bands größeren Zuspruch erhalten, als es vom Papier her den Anschein haben müsste und als ich es mir vorgestellt hatte, folgt bereits am frühen Abend. Die Briten BURY TOMORROW schicken sich an, das Publikum mal richtig warm zu machen. Schon von Beginn an hat die Band leichtes Spiel, ist sie doch offensichtlich ein Highlight für Viele an diesem doch eher mittelmäßig besetzten Auftakttag. So gibt es fünfundvierzig Minuten lang ein Metalcore-Feuerwerk, dem ich mich auch nicht entziehen kann. Das letzte Mal habe ich die Truppe 2010 gesehen und war damals sehr angetan, aber heute wirkt BURY TOMORROW noch stärker. Die Präsenz, die anpeitschenden Ansagen von Sänger Daniel Winter-Bates, das Verhalten auf der Bühne, bei dem die Band eigentlich immer in Bewegung ist, und nicht zuletzt die starken Songs, bei denen ein Schwerpunkt auf dem aktuellen Album "Earthbound" liegt, lassen die Jungs reichlich Applaus und einen ersten Circle Pit des Tages ernten. Wer in den Schatten wollte, weil es draußen in der Sonne ziemlich heiß ist, sieht sich einer anderen Wäremquelle ausgesetzt, nämlich einer großen, enthusiastischen Menge aus schwitzenden Leibern, die BURY TOMORROW völlig gerechtfertigt abfeiern. Klar, die Meute ist in Feierlaune, da es endlich losgeht, aber darauf kann man die gute Stimmung allein nicht zurückführen. Diese Briten sind auf dem Sprung nach oben im Metalcore. Sollte man im Auge behalten.
Meine erste und letzte Begegnung mit AEVERIUM ist tatsächlich erst eine Woche her: Auf dem MERA LUNA flitzte ich gerade übers Gelände, hörte wie die langhaarige Sängerin gerade zum Finale von 'On My Way Down To The Other Side' ansetzte und blieb erst einmal mit offenem Mund stehen. Aeva legt so viel Stimmgewalt und Power in die Stimme wie einst Tarja Turunen in ihren besten Zeiten bei NIGHtWISH. Grund genug für mich, um die Newcomer auf dem Summer Breeze mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Zweigespann aus dem rappenden Sänger und der sehr klassischen Sopranistin klingen wechselweise nach Nu Metal à la PAPA ROACH oder auch nach melodischen Größen wie LEAVES' EYES - wenn sie denn im Wechsel singen: Während vor allem 'Breakout' mir in den Anfängen richtig gut gefällt, stellen sich bei mir die Nackenhaare auf, als Aeva und Eric im Refrain gemeinsam ansetzen. Ziemlich dissonant klingt der Chorus in meinen Ohren und schmälert die sonst wirklich beachtliche Leistung von AEVERIUM ein wenig. Dennoch macht das Quintett schon am ersten Festival-Tag richtig Laune und lockt erstaunlich viele Leute vor die kleine Camel Stage. Schade nur, dass sich die Tontechnik erst nach der Hälfte des Gigs dazu entscheidet, auch dem Gitarristen den Saft ein wenig aufzudrehen.
Die Finnenthrasher von LOST SOCIETY dürfen nun mit vel Energie durchs Zelt toben, ihr extrem schneller Thrash leidet jedoch seit Bandgründung an einer gewissen Einförmigkeit, die es manchmal schwer macht, die einzelnen Lieder voneinander zu unterscheiden. Dem anwesenden Publikum vor der Tent Stage scheints egal und die Haare fliegen, während sich die Band durch ihren knackig-kurzen Set holzt. Geschwindigkeit schlägt Finesse, Spielfreude ist Trumpf und LOST SOCIETY zeigt einmal mehr, dass mit diesen immer noch jungenn Finnen weiter zu rechnen ist, vor allem live, wo die Energie wichtiger ist als die Abwechslung im Songwriting. So geht dann auch dieser Auftritt zu Ende und auch wenn LOST SOCIETY wohl nie zu meinen absoluten Lieblingsbands gehören wird, komme ich nicht umhin, den Gig als äußerst unterhaltsam zu bezeichnen.
Ein kurzer Abstecher zur Camel Stage lässt mich bei den NOVELISTS reinschauen. Ich kenne die französische Band nur dem Namen nach, aber vielleicht überraschen sie mich ja positiv. Im Allgemeinen spielen auf der Camel Stage ja vor allem Bands, die eher außerhalb meines Futterspektrums liegen. Doch NOVELISTS entpuppt sich als durchaus hörbare Kapelle mit deutlichen Djent-Elementen. Ich bin zwar kein großer Fan dieser recht monotonen Spielart des Metal, aber Sänger Matt Gelsomino macht seine Sache sehr gut und lockert seine Shouts mit melodischen Refrains auf. Dass der Sound auf der Camel Stage einige Feinheiten möglicherweise nicht transportiert, mag vielleicht ein Grund sein, warum mir das Ganze dann nach einigen Liedern doch langweilig wird. Aber ein echter Djent-Freund und -Kenner hätte vielleicht mehr aus dem Gig herausziehen können als ich es vermag. So bildet sich ein durchaus beachtlicher Pit vor der Bühne, in dem es heftig abgeht. Dort drinnen mag man über die Monotonie hinwegmoshen, hier draußen zieht es mich dann aber doch zurück ins Zelt, wo es in Kürze echt zu metaln anfangen wird.
Denn mit GRAND MAGUS folgt der Tages-Höhepunkt für alle Freunde traditonellen Heavy Metals, die auf dem Summer Breeze meist etwas kürzer treten müssen. Zur Einstimmung läuft mit 'The Longships Are Coming' ein sehr passender Titel, der, wenn mich nicht alles täuscht, von den Landsgenossen UNLEASHED stammt. Der könnte aber tatsächlich auch von GRAND MAGUS sein und gehört sicher nicht zu den großen Sternstunden von UNLEASHED. Doch anstatt danach loszulegen, folgt noch ein Intro. Der Soundtrack zu dem Fim "Conan, Der Barbar" ist von ausgesuchter Güte, allerdings auch schon ein bisschen überstrapaziert und vor allem: der beste Track des kommenden Auftritts. Was ich nämlich schon immer unverständlich fand, ist die Tatsache, dass GRAND MAGUS so gepriesen wird, obwohl die Stockholmer höchstens mit Allerweltsriffing die seligen Achtziger beschwören, als man mit solcher Simplizität noch jemanden hinter dem Ofen hervorlocken konnte. Schon der Opener 'I, The Jury' lebt auschließlich von Janne Christofferssons Gesang und einem netten Solo, schafft es aber, gegen Ende bereits ziemlich langweilig zu werden. Das folgende 'Sword Of The Ocean' ist keinefalls besser, allerdings giert die Menge offensichtlich nach traditionelleren Klängen, denn die stattliche Anzahl hochgereckter Fäuste sprechen eine deutliche Sprache. Die Refrains werden aus vielen Kehlen mitgesungen, die Stimmung ist prächtig, aber wenn man nicht feiernd in der Menge vor der Bühne steht, ist das Dargebotene doch ganz schön bieder. Woran liegt bloß die große Begeisterung der Metal-Gemeinde für dese Kapelle? Die Musik kann wohl kaum den Ausschlag dafür geben.
Setliste: I, The Jury, Sword Of The Ocean, On Hooves Of Gold, Varangian, Steel Versus Steel, Ravens Guide Our Way, Arv, Triumph And Power, Like The Oar Strikes The Water, Iron Will, Hammer Of The North
Ein ganz besonderes Vergnügen folgt spät am Abend auf der T-Stage mit den New Yorker Core-Punk-Thrash-Urgesteinen AGNOSTIC FRONT. Ich hatte es fast erwartet, dass die Burschen auf BURY TOMORROW noch einen würden draufsetzen können, und tatsächlich, sobald das Western-Intro verklungen ist und die Band die Bühne stürmt, herrscht Sturm im Zelt. Aggressiv, aber immer mit der nötigen Melodie, erobern die Fünf US Amerikaner die Breter, die die Welt bedeuten, und den ganzen Festivaltag. Die kurzen Songs, immerhin schafft es AGNOSTIC FRONT, neunzehn Lieder in nicht einmal einer Stunde unterzubringen, laden die Crowd mit den tollen Refrains, hier tut sich 'For My Family' besonders hervor, zum Mitsingen ein. Dazu ist das Stageacting energetisch, besonders Urgitarrist und Gründungsmitglied Vinnie Stigma ist kaum zu stoppen und tobt wie toll immer wieder vor und zurück. Auch besonders beliebt: den Bandmitgliedern über den Kopf hauen, wie eine zu hoch gezielte Ohrfeige. Das scheint wohl der Spleen der Band zu sein. Aber auch Sänger Roger Miret, der schon seit den ersten Aufnahmeversuchen der Band dabei ist, ist sichtlich freudig bei der Sache. Die Setliste ist mit Klassikern gespickt, sowohl von der thrashigeren Phase als auch mit rasanten Hardcore-Punk-Stücken aus der neueren Zeit. In der zweiten Hälfte kommt dann noch MADBALL-Sänger Freddy Cricien als Gast für einen Song auf die Bühne - übrigens besten Dank an den gut informierten Fan neben mir, der mich auflärt, als ich Freddy nicht erkenne - und als Rauschmeißer fungiert das RAMONES-Cover 'Blitzkrieg Bop'. Wow, jetzt brauche ich eine Pause. Zum Glück kommt jetzt eh nichts mehr, was mich wirklich interessiert. Ich bin geschafft für heute, dank AGNOSTIC FRONT.
Setliste: The Eliminator, Dead to Me, Social Justice, My Life My Way, Police Violence, Only in America, Warriors, For My Family, Friend or Foe, Victim in Pain, Never Walk Alone, All Is Not Forgotten, Peace, Crucified, Gotta Go, Take Me Back, A mi manera, Addiction, Blitzkrieg Bop
Inzwischen ist es doch recht spät geworden und Zeit für wirklich harte Klänge im Zelt. Das polnische Death-Metal-Urgestein VADER ruft zur Schlacht und bolzt sich gewohnt kompetent durch einen Set, der Fans der Band voll bedient. Der Sound ist ordentlich, die Gitarren schneiden teils angenehm thrashig durch die Boxen, das Publikum hat Spaß, die Band hörbar auch. Die Zeichen stehen also auf Sturm und VADER liefert dann genau diesen auch ab. Krieg und Tod spielen bei den Polen ja seit jeher eine tragende Rolle und so wird dann mit 'Prayer For The God Of War' auch ein thematisch passender Song vom neuen, im Herbst erscheinenden Album vorgestellt. Der Passt prima in den Set und kommt auch gleich gut an. Und so neigt sich dann mit den letzten Klängen der erste Tag des Summer Breeze dem Ende zu und ich plane, den Heimweg gen Zelt anzutreten.
Das tue ich dann nach kurzer Pause am Metstand doch nicht und gönne mir noch eine untrhaltsame Lemmy-Huldigung durch BÖMBERS, eine MOTÖRHEAD-Coverband, bei der niemand geringeres als ABBATH das Mikro schwingt. Das tut der Norweger in äußerst überzeugender Weise und röhrt Klassiker nach Klassiker aus dem endlosen Katalog der Rock'n'Roll Legende ins Zelt. Da ist natürlich für Feierlaune gesorgt und ich freue mich vor allem auch über selten gehörtes wie 'We Are The Roadcrew', das der Meister selbst in den letzten Jahren nicht mehr so oft zum Besten gab. Heute gibt's das aber auf die Ohren, zusammen mit unvermeidlichem der Marke 'Ace Of Spades' oder 'Overkill' und so endet der Abend im Zelt dann doch als früher Morgen im Zelt mit einem gelungenen Tribut an einen der größten, den unsere geliebte Musik je kannte.
Hier geht es zum Donnerstag...
- Redakteur:
- Oliver Paßgang