Sziget Festival 2005 - Budapest (HU)

08.08.2005 | 12:42

10.08.2005, Obudai Sziget

Es ist Dienstag, 20 Uhr, und Radio Brocken meldet strahlenden Sonnenschein bei 35°C im Schatten. Hier auf dem Sziget Festival regiert hingegen eher bewõlktes Wetter, aber die ersten Eindrücke sind nicht die schlechtesten. Bereits am Montag waren die Aufbauten weit fortgeschritten und besonders am Abend wirkt das weiträumige Gelände schon sehr eindrucksvoll. Heute spielt bereits eine Band, die so etwas wie die ungarischen PUHDYS sein sollen. Ärgerlich ist nur, dass die Pressepässe erst ab morgen Gültigkeit haben, so dass wir gezwungen waren, uns extra für diese Band ein Tagesticket zu kaufen (sonst hätten wir die Insel trotz bereits aufgebauter Zelte nicht betreten dürfen). Schaun wir mal, ob sie das wert sind.
Negativ fallen hier noch die Preise im festivaleigenen Szigetmarket auf – eine Dose Bier für 300 Forint (= 1,33 Euro) ist schon sehr exklusiv, zumal man nur sehr marginale Mengen an Flüssigkeit auf das Festivalgelände mitbringen darf. Egal, jetzt sind wir hier, und obwohl das Festival noch nicht mal richtig angefangen hat, ist schon mächtig was los. Es verspricht also eine ereignisreiche Woche zu werden. In diesem Sinne, demnächst gibt es an dieser Stelle mehr Impressionen von Europas größtem Festival.
(Stephan)

Rülps. Ja, ein langer nullter Tag vor dem eigentlichen Festival ohne wirklichen Sinn. Die Suche nach dem ominösen Ein-Tages-Ticket - weil die Journalisten erst ab morgen drauf dürfen - bringt viel Zeit fûr gepflegtes Gehen mit der Büchse in der Hand. Auf dem Gelände stellen sich ein paar Erkenntnisse ein: Ungarn ist nicht mehr das Ost-Billig-Land, das es mal war. Das Bier kostet immerhin rund 1,20 Euro. Auch scheinen nicht mehr so viele von außen mitgebrachte Fressalien und Getränke mit auf das Gelände zu passen wie in den letzten Jahren - viele Büchsen und Konserven werden von den Securitys einkassiert. Dafür ist das Gelände mit seinen schattenspendenen Bäumen immer noch so genial wie in den vergangenen Jahren, die Fans noch immer gut gelaunt und friedlich und die Bühnen laut Programmheft wie eh und je gemischt und vielseitig bis zum Gehtnichtmehr. Deswegen: in den nächsten beiden Tagen sind die Anfangsschwierigkeiten eh weggespült und alles ist bunt. Cheerio, friends of the sun and the harder gangway...
(Henri)

ILLÉS heissen sie – die ungarischen PUHDYS. Und diese Bezeichnung ist durchaus zutreffend – sowohl vom Alter der Musizierenden als auch von der musikalischen Darbietung her. Und die Band muss hier in Ungarn wirklich groß sein, denn rund um einen herum singen die Menschen ausgelassen alle Textzeilen der Songs mit. Überhaupt haben sich unglaublich viele Leute eingefunden, und die Stimmung ist mehr als prächtig. Da macht es auch nix, dass ein Song schon mal nach amerikanischem Country klingt – besonders zum Ende der Show hin werden sehr rockige Stücke ausgepackt. Jau, das kann man sich schon mal anhören.
Am heutigen Mittwoch wollten wir uns die MOTÖRHEAD-Coverband REMORSE anschauen – bis auf die Tatsache, dass sie keine MOTÖRHEAD-Songs spielen, sind sie auch recht cool. Das gehört schon eher in die Kategorie ordentlicher Thrash Metal und ist zum Warmwerden durchaus okay (Warmwerden für OBITUARY, die nachher die Hammer Stage in Schutt und Asche legen werden). Im Moment spielen MORCHEEBA auf der Main Stage – Chill-out-Musik zum Runterkommen. Zeit also, ein gepflegtes Bierchen zu sich zu nehmen – bevor mit OBITUARY sicherlich das Highlight des heutigen Tages ansteht.
(Stephan)

Tag Eins. Die Erholung von von ILLÉS, der ungarischen Antwort auf Wolgang Petry und Band. Uiuiui, war das ein Auftritt gestern - wie alte Holzfiguren, die irgendeine Art Langweilrock spielen. Dafûr entschädigte der Anblick der Metalbar: Barfauen schauten zweifelnd auf haarschwingende Metaller, die sich schon am nullten Tag totmachen wollten. Heute früh ein friedliches Festivalbild: alle Flecken zugezeltet, so viele Leute waren in den letzten Jahren nie beim Sziget. Am Supermarkt in der Nähe kotzt ein Ungarn-Junge seelig grinsend in seinen Beutel aus dem Haus und war froh, als er ein Taschentuch erhielt - der kleine Fratz warf darauf den Beutel samt Inhalt über eine Mauer - und kein Schrei eines Getroffenen ertönte. Schade eigentlich. Solche Erlebnisse kommen vor allem dadurch zustande, dass die sehenswerten Band heute erst gegen 18 Uhr anfangen, jetzt spielen gleich MORCHEEBA, später dann OBITUARY - hoffentlich werden beide Bands besser als REMORSE, wo eigentlich jeder dachte, sie seien eine MOTÖRHEAD-Coverband, die sich dann aber doch als komische Rock'n'Roller entpuppten. Der Jubel für MORCHEEBA steigt auf, es groovt hier von weitem.
We will see...
(Henri)

Drei prägende Eindrücke von Tag eins: Öl, Gummibären und OBITUARY. Stichwort Öl: Beim Zelt der Hare Krishna-Jünger gibt es wie jedes Jahr kostenloses Essen. Gestern ist es eine Art Hirsesuppe mit scharfem Paprika gewesen, angereichert mit Litern an Öl, so groß waren die Fettaugen, die auf der Flüssigkeit schwammen. Erschwerend fûr die Magentätigkeit kommt ab diesem Zeitpunkt hinzu, dass ein Franzose eine garstige Mischung aus Wodka und Red Bull anbot, die im ersten Moment schmeckt, im Endeffekt aber den Kreislauf in stetigen Sinkflug versetzt. Dem Verfall Einhalt gebieten können dann zum Glück aber OBITUARY mit eine fantastischen Death-Metal-Show und einem ganz großen Vorrat an Klassikern der "Cause Of Death"-Ära. Auch die neue Scheibe der Florida-Boys wird von den Fans enthusiastisch gefeiert, die mit einem krönend-traditionellen Abschluss namens 'Slowly We Rot' endgültig in den Mosh-Koller fallen. Weitere Eindrücke: Saitenflitzer Trevor besitzt inzwischen ein paar Haaransätze auf der Glatze, und das Drumsolo in der Mitte des Sets erweist sich als so dynamisch, dass einfach alles zu spät war. Danach ist aber Schicht im Schacht: Alk und Öl lassen die Entscheidung für einen frühen Gang zu Bett leicht fallen. Heute früh ist der Magen wieder in Ordnung, in Erwartung von den Elektronik-Pionieren UNDERWORLD oder doch ACCEPT - beide spielen zeitgleich - verspricht der Tag interessant zu werden. Zumal später noch THE INTERNATIONAL NOISE CONSPIRACY spielen. Hell Yeah!
(Henri)

Was für ein Tag! Nachdem OBITUARY gestern bis zum ultimativen Schlussgong 'Slowly We Rot' eine fulminante Show boten und mörderlich abräumten, gab es danach mit einer ungarischen Clique Becherovka-Druckbetankung. Die Folgen davon sind, dass das heutige Frühstück in die Nachmittagsstunden fällt. Danach lasse ich von weitem die scheinbar talentfreie ungarische Power-Metal-Band STRESS über mich ergehen. Ein ganz anderes Kaliber sind da schon IRON MAIDNEM. Die covern das britische Heavy-Metal-Flaggschiff in erstklassiger Manier, auch wenn der Sound ziemlich grottig ist, bringen sie das Publikum vom ersten Ton an zum Brodeln. Anstelle des dritten Gitarristen haben sie einen Keyboarder in ihren Reihen - was sich allerdings nicht negativ auswirkt. Sehr angenehm ist auch, dass sie Songs spielen, die nicht zum Standard-Repertoire der eisernen Jungfrauen gehören - so z.B. 'The Duellists', 'The Clairvoyant' und 'Wasted Years'. Der größte Stimmungsmacher ist aber dann doch das von allen lauthals mitgesungene 'Fear Of The Dark'. Sehr gelungene Show, die durchaus ein wenig länger hätte gehen dürfen als die dafür anberaumte Dreiviertelstunde.
(Stephan)

Zwischenstand: CECILE & T.O.K. aus Jamaika rocken ab 16.30 Uhr die Hauptbühne mit sehr coolem Reggae. Kenner der Musik sagen aber, dass SEAN PAUL gestern noch besser gewesen sein sollen. Doch da spielten gerade OBITUARY, von daher Schwamm drüber. Nach den Rastträgern kommt die Gegenbedienung: Popperin NATALIE IMBRUGLIA aus Australien - die Frau des SILVERCHAIR-Sängers - sieht zwar tierisch gut aus, ist aber võllig unrockbar und laaangweilig. Lustiger ist da schon ein Wettbewerb in einem der vielen Zelte neben der Hauptbühne: Dort müssen die Teilnehmer zu Metalklängen a la AC/DC oder METALLICA möglichst kunstvoll eine Styroporgitarre zerstören und ein dünnes Shirt ûber ihrer Brust zerreißen. Stephan weiß davon zwar noch nix, aber er wird, wenn alles klappt, mit mir bei diesem Wettberwerb mitmachen müssen...
Nun spielen gerade ANIMA SOUND SYSTEM, eine dynamische Mischung aus Elektro, Reggae und Flöte samt einer Sängerin, welche die Massen durch ihre Anmut zum Toben bringt. Toll, toll, toll, hier geht noch Einiges!

PS: Und der finale Beweis, wie sehr dieses Festival in Ungarn etabliert ist, steht auf der Presseinfo des heutigen Tages: Andras Bozoki, der Kulturminister des Landes, soll dagewesen sein. Und hatte ein T-Shirt an: EXPLOITED "Punks not dead" ... Dazu sagte er, dass das Festival ein erfolgreiches Symbol des Entertainments für Jung und Alt sei. Da hat er recht. Prost!
(Henri)

ACCEPT haben auf dem diesjährigen Sziget eine ihrer wenigen Reunion-Shows - wobei Reunion nicht tatsächlich zutrifft, da es sich hierbei wirklich nur um einige wenige Shows im alten Line-up handelt, die Band also nicht mit allem Pomp wiederbelebt wird. Und als die Herren die Bühne betreten gibt es kein Halten mehr: Mr. Reibeisenstimme Udo Dirkschneider klingt wie zu seinen besten Zeiten und ist die Coolness in Person. Bei den ersten beiden Songs hat er sogar eine Sonnenbrille auf, und das in dem schummrigen Zelt. Die Setlist ist richtig groß, alle Klassiker finden sich hier wieder: 'Breaker', 'Metal Hear', 'London Leatherboys', 'Fast As A Shark' uvm. Dazwischen werden immer wieder Soli aller Beteiligten eingeschoben, wobei man es hier meiner Meinung nach allerdings ein wenig übertrieben hat. Die beiden Zugaben 'Princess Of The Dawn' und natürlich 'Balls To The Wall' setzen dann dem Ganzen die Krone auf und die Hammer Stage kocht. Nach dieser Show fühlt es sich tatsächlich so an, als wären ACCEPT nie weg gewesen und würden nicht nur in U.D.O. weiter leben. Schön, wenn man das miterleben konnte...
Morgen werde ich dann ein paar Worte dazu verlieren, was man auf dem Sziget abseits von Bands angucken noch so erleben kann, und das ist eine ganze Menge.
(Stephan)

Traue keinen Konservendosen, die du nicht kennst: Die heutige Frühstückskonservendose entpuppt sich nach dem Öffnen als so etwas wie ölige Tentakelsuppe oder Pansentopf oder, oder, oder. Keine Ahnung, was nun wirklich in diesen Dosen verkauft wird, es eignet sich aber problemlos dazu, den Magen ganz schnell frei und leer zu bekommen. Jetzt geht es besser und der gestrige Tag wird noch immer als Tobe-Tag in der Erinnerung wahr genommen - bis um 5 tanzte es sich gut in verschiedenen Drum'n'Bass- und Alternativdiskos. Das Ausflippen beginnt mit UNDERWORLD auf der Hauptbühne ab 21 Uhr - geiler Ethno-Tekkno-Trance, von weitem problemlos zu genießen und zu betanzen. Ein Blick ins Publikum lässt staunen: Tänzer jonglieren mit langen brennenden Feuerstäben mitten in den Massen, ûberall tanzen Leute, selbst die Tische sind voll. Dazu etwa 20 Grad und schon nächtlicher Himmel - wunderbar. Und UNDERWORLD: Außer einer coolen Lichtshow passiert nicht viel auf der Bühne, muss es aber auch gar nicht, denn hier geht es um den Groove von solchen Stücken wie dem "Trainspotting"-Soundtrack, für den UNDERWORLD auch veratwortlich sind und hier live darbieten. Und wenn es mal kurz langweilig wird steht neben der Hauptbühne eine Leinwand, auf der das diesjährige Champions-League-Finale zwischen Liverpool und Mailand in der Dauerschleife gezeigt wird. Cool. Danach ist es Zeit für mehr Rock: THE INTERNATIONAL NOISE CONSPIRACY begeistern in der Wan2-Zeltbühne die Massen ab 23 Uhr mit straightem Schweden-Rock. Zwar ist der Sänger ein bisschen zu sehr darum bemüht, seinem Vorbild Jello Biaffra von den DEAD KENNEDYS nachzueifern - er labert auch so viel, doch tut das der Stimmung bei den Fans keinen Abbruch. Hier rockt jeder, der Schweiß strömt. Und die schwedische Band ist begeistert, liegt ihr letzter Ungarnbesuch doch schon sechs Jahre zurück - und damals spielten sie wohl vor nur 40 Leuten. Heute sind sie bekannter, zu Recht, wenn ihnen auch die Rotzigkeit von Bands wie TURBONEGRO fehlt. Die spielen heute ab 23 Uhr. Bis dahin heißt es vorbereiten - ein Besuch in Budapest steht an. Und die Tentakel-Pansen-Suppe (wüüürg) vergessen...
In der Nacht zeigt ein Trupp von Alternativen, dass man auf úberquellenden Mülltonnen problemlos Drumrhytmen wie SEPULTURA mit den bloßen Händen trommeln kann...Hammerbummbummbumm!

PS: Letzte Meldung von der Front: Wieder aus Budapest zurück. Gerade spielen BASEMENT JAXX auf der Hauptbuehne, bei aller musikalischer Offenheit doch ein wenig zu poppig, verbunden mit Reggae. Die sind so laut, dass selbst das Pressebuero neben der Buehne bebt ob der groovenden Töne. Unter den Füßen der tanzenden Fans steigt Staub auf. Dort draußen ist die Hölle los - alle Achtung ob dieser Leistung - obwohl es trotzdem nicht die Vorzugsmusik für das Henriherz ist. Dafür ist der Besuch von Budapest immer wieder ein Erlebnis. Denn zwar benötigt die Hälfte aller Häuser dringend mal eine Renovierung, dafür strahlt die Stadt aber einen gewissen morbiden Charme aus - und Touristenattraktionen wie die Fischerbastei oder das überdimensionale Parlamentsgebäude sind immer ein Foto aus der mitgebrachten Knipse wert. Jetzt geht es ab zu TURBONEGRO - und das Pansen-Fleisch-Grenzerlebnis vom frühen Morgen ist zum Glück inzwischen auch vergessen...
(Henri)

Den Abschluss des gestrigen Abends bilden TURBONEGRO. Zunächst müssen die Fans auf Grund von Umbauarbeiten noch eine ganze Weile auf ihre Helden warten, wodurch die Leute aber erst richtig ungeduldig werden und der Band schließlich einen nur umso frenetischeren Empfang bereiten. Kein Wunder, es ist der erste Gig der norwegischen Schwuchtelrocker überhaupt in Osteuropa. TURBONEGRO rocken 90 Minuten lang alles in Grund und Boden, Songs der Marke 'Are You Ready', 'Blow Me (Like The Wind)' und 'I Got Erection' erzeugen riesige Moshorgien und allerorts freudig-entrückte Gesichter.
Und was ist sonst noch so los auf dem Sziget? Eine seltsame Anziehungskraft übt das Hare Krishna-Zelt aus. Hier kann man bei den Live-Darbeitungen das Hare Krishna-Lied nicht nur in traditionellem Gewand, sondern auch schon mal als knackigen Rocksong hören. Ausserdem gibts lecker Essen, das nicht mal was kostet, ein freiwilliger Spendenbeitrag ist allerdings gern gesehen. Lustig ist auch das Sumoringen, wo man in einen "Schutzanzug" steigen muss, der einen zu einer menschlichen Kugel macht, um sich dann mit Getöse auf sein Gegenüber zu stürzen. Wirkt sehr unbeholfen, macht aber einen Heidenspaß. Weitere mögliche Freizeitbeschäftigungen sind das Erklettern eines Turmes in Bergsteigermanier, Bungeespringen, Open-Air-Kino, Tanz-/Theater-Vorstellungen, Fußballturniere oder ein ruhiges Verweilen beim so genannten "Read Tent And Library Bus" sowie vieles andere mehr. Wenn irgendwann einmal kein so großer Andrang herrscht, wollen wir auch noch ins Luminarium gehen, das eine von innen begehbare Skulptur ist, die den Besucher mit beeindruckenden Farbspielen verzaubern soll. Sziget bietet also jede Menge mehr als nur Musik...
(Stephan)

Der Auftritt von TURBONEGRO lässt sich nur unter dem Wort "groß" zusammenfassen. Volle Halle, irre abgehendes Publikum - schliesslich ist es der erste Auftritt der rockenden Asi-Chaoten, und eine Band in absoluter Topform. Die Turbojugend feiert und grölt, der seinen Bauch in ein SM-Kostüm zwängende Sänger Hank grüßt sogar einen Fan, der extra für den Auftritt aus Sewastopol angereist ist. Die Titel des wilden Punk/Rock-Spektakels: 'Wasted Again' oder 'I want Everything', schnelle Nummern mit viel skandinavischem Biss und Bierattitüde. Dazu fliegen Luftballons, auf die Fans Zettel, Konfetti- und Glitzerpallietten geklebt haben, die an den verschwitzten Körpern hángen bleiben. Geil, unnachahmlich. Danach folgt ein Besuch im Drum'n'Bass-Rondell samt angeschlossener Rundleinwandprojektionen - erst gegen 5 kõnnen die Beine aufhören zu zappeln. Uff. Und heute spielen noch SENTENCED - weiter gehts...

Merkt euch den Namen LES TAMBOURS DU BRONX, die gerade die Hauptbühne in Schutt und Industrial-Asche gelegt haben. Bei ihren Konzerten wie hier auf dem Sziget stehen etwa zwölf muskulöse und mit Tattoos zugehackte Männer auf der Bühne und prügeln auf ihre mitgebrachten Mülltonnen ein. Meist passiert dieses energetische Rhytmus-Inferno ohne Begleitung - doch wenn dazu noch einer der Trommler wie bei MINISTRY ins Mikro lallt und ein fetter Bass oder elektronische Spielereien ertönen, dann ist diese dynamische Kraftmaschine aus Frankreich ungefähr so wirkungsvoll wie ein FEAR FACTORY-Gig, eine Stange Dynamit oder einfach wie purer animalischer Sex. Drums, Drums, Drums, Trommeln, Trommeln, Trommeln - the most explosive Mülltonnenschläger of the fucking world. YEAH!
(Henri)

Am Samstag scheinen für den Metalhead besonders zwei Bands essentiell zu sein - KORN und SENTENCED. Doch was für einen Gegensatz gibt es zwischen diesen beiden Shows:

KORN. Die Nu-Metaller rocken auf der Hauptbühne und es scheinen richtig viele Menschen nur wegen dieser Band auf die Insel gekommen zu sein - zu erkennen an den orangefarbenen Tagesbändchen. Dennoch wirkt die Darbietung der Band unausgegoren und langweilig. Das liegt zum einen an den viel zu langen Pausen zwischen den Songs, zum anderen wirkt die Performance der Bandmitglieder ziemlich lustlos und uninspiriert. Selbst bei Songs wie 'A.D.I.D.A.S.' oder 'Blind' will kaum so etwas wie Stimmung aufkommen und viele Leute verlassen ebenso wie wir vorzeitig das Feld.

Für uns gehts direkt zu SENTENCED und ihrem - laut Homepage - vorletzten Gig überhaupt. Das Zelt ist proppenvoll, denn vermutlich wird man die Band nie wieder live zu sehen bekommen. Bereits das Einstiegs-Doppel 'Excuse Me While I Kill Myself' und 'Nepenthe' lässt sämtliche Herzen höher schlagen. Die Finnen sind richtig gut aufgelegt und zocken sich munter durch solch geniale Nummern wie 'Noose', 'Neverlasting' und 'Cross My Heart'. In den Zugabenblock schaffen es unter anderem der neue Song 'Vengeance Is Mine' und das völlig abräumende MAIDEN-Cover 'The Trooper'. Die Stimmung unter den Fans ist zu Recht erstklassig - besser kann man nicht abtreten. Bei solch einer grandiosen Abschiedsshow muss man wirklich hoffen, dass SENTENCED (so paradox das klingt) tatsächlich nicht mehr zurück kommen, denn mit ihrem "The Funeral Album" und eben diesen letzten Shows haben sie sich wahrlich selbst ein Denkmal gesetzt. Farewell, guys...
(Stephan)

Nun ja, wie lässt sich ein schlechter Auftritt beschreiben? Am besten so, wie es der Festivalheadliner KORN gestern vormacht: Ständige Pausen, kaum motivierende Ansagen und wenig Feeling. Zwar spielen die US-Boys alle ihre Hits, die jeder aus den Alternative-Diskos dieses Landes kennt - aber sie tun dies so langweilig, dass trotz des überquellenden Publikums vor der Main-Stage wenig Stimmung aufkommt. Bei den vorherigen Bands wie TANKKCSAPDA oder MANDO DIAO ist da viel mehr losgewesen - erstere so etwas wie die ungarischen TOTEN HOSEN, die Schweden dagegen eher straighter Pop-Rock. Zurück zu KORN: Deren Höhepunkte bestehen in einem coolen PINK FLOYD-Cover und einem netten 'One' von METALLICA. Sonst tote Hose. Aber zum Glück gibt es Weinflaschen und SENTENCED. Die Verbindung aus beidem ist auf der Metalstage ab 23 Uhr zu erleben und befördert den willigen POWERMETAL.de-Chronisten 20 Sekunden vor Abschluss der fulminanten Show in eine horizontale Position, aus der er erst gegen 3 Uhr unter einer Box erwacht - woran ein Security-Typ nicht ganz unschuldig ist. Die Erinnerungen an SENTENCED: Ein göttliches 'Trooper'-Cover von IRON MAIDEN, viel suizidaler Rock und Melancholie ohne Gleichen. Schlicht und einfach: Göttlich. Leider lösen sie sich nun auf - aber in der Erinnerung wird dieser wahnsinnig schöne Gig für immer weiterleben. Eigentlich fehlt nach so einem Satz nur noch heroische Musik.
(Henri)

Am Sonntag geht es zuerst zu den HELLACOPTERS. Die rocken zwar nicht so schweinegeil ab wie TUROBNEGRO den Abend zuvor, aber eine knackige, schweißgebadete Rock'n'Roll-Show ist es trotzdem. Die Leute gehen gut ab und die Band wurschtelt sich arschtight durch ihre Songs. Doch kaum ist die Hälfte des Konzertes um, ist ein Location-Wechsel angesagt, denn SAXON metteln auf der Hammer Stage ab. Und hier ist der Teufel los. Sänger Biff Byford fordert mit seinen komplizierten Mitsing-Spielchen alles aus den Fans heraus, und röhrt nebenbei Songs wie 'Crusader', 'Motorcycle Man' oder 'Princess Of The Night' erstklassig ins Mikro. Ein Fan hat sogar zwei original holländische Holzschuhe dabei, die er im Takt zu den Songs aneinander kloppt. Und wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie stark SAXON abrocken, dann ist es dieser: Bei 'Denim & Leather' erscheint auf der Videoleinwand, auf der man SMS-Botschaften anzeigen lassen kann, der wohlbekannte Windoofs-Bluescreen. SAXON kriegen eben auch sowas kaputt. Und auch während schon lange der Umbau für die nächste Band läuft, widmet sich Biff noch ausgiebig seinen Fans, indem er mit ihnen, wie schon die ganze Show über, weiterhin seine Mitsing-Spielchen veranstaltet...
(Stephan)

Es ist Montag. Nur noch zwei Tage bleiben, um kontinuierlich Alkohol zu gebrauchen und Bands zu konsumieren. Dazu regnet es heute. Was für SKINNY PUPPY cool war, weil die Industrial-Pioniere eigentlich nur im Halbdunkel funktionieren. Und sie bringen ab 16.30 Uhr heute das, was von einer Hauptbühnenband erwartet wird. Stimmung. Und eine tolle Videoshow: Bilder von Bush, Hitler, die amerikanische Flagge mit Hakenkreuzen statt Sternen, Krieg, tote Kinder. Als Begleitmusik böser Industrial. Hart. Brutal. Und doch tanzbar. Der Sänger mit viel Heroinerfahrung kotzt zwischendrin, die Brocken wirft er ins Publikum. Dann kommen zwei Ninjas und metzeln ihn mit einer Machete nieder. Als er sich wieder erhebt, nimmt er den beiden die Masken ab - und sie haben andere Masken darunter, die von Bush und seinem Vize-Präsidenten Cheney. Cool, obwohl plakativ. Und gestern? Da waren die HELLLACOPTERS sehr rockbar, aber SAXON noch toller - 'Crusader' ein Hit ohne Gleichen. Dazu hielt ein Fan die ganze Zeit eine Weihnachtsmannpuppe in die Kamera, welche die Bilder jedes Konzerts direkt auf eine Leinwand neben der Bühne transportiert - und auch der Weihnachtsmann moshte. Als letztes Lied: 'Wheels Of Steel' in der Ultralangfassung. WAAAH. Danach machte ein Überdosis Wodka es unmöglich, den sehr rockbaren LORD BISHOP ROCKS (The Kings of Sex Rock nennen sie sich) aus den USA noch länger zu folgen. Totale Verdammnis. Der Boden der Bluesbühne ist weich. Dort endete der Abend und der Suff. Um mit SKINNY PUPPY wieder zu erwachen.
(Henri)

So, das Festival liegt in seinen letzten Zügen. Die Zeltplätze werden wieder überschaubarer und in den Geldbörsen macht sich nun entgültig Ebbe breit. Was gab es gestern noch?
Zuerst sehen wir mit ABCD eine ungarische Covertruppe. Zwar ist die Stimmung bestens, aber das liegt nicht unbedingt an der Band selbst. Die kommt einfach nicht sonderlich energiegeladen rüber, besonders der Angus-Verschnitt mit den angegrauten Haaren ist ziemlich bewegungsarm unterwegs. Dass es trotzdem abgeht, liegt also einzig und allein an den Songs, denn da kann man einfach nicht still stehen.
Danach spielen GUILTY PARTIES - und die covern RATM. Diese Truppe präsentiert sich schon mit deutlich mehr Esprit und bei Songs wie 'Killing In The Name' fliegen Heerscharen von Stagedivern durch die abendlichen Lüfte.
Das Highlight sind aber an diesem Tage auf jeden Fall OPETH. Mann, was für eine Atmosphäre. Natürlich ist der Auftritt viel zu kurz, natürlich fehlen etliche tolle Nummern in der Setlist. Aber in Sachen Magie und Intensität ist diese Show eine Paradebeispiel, wie man ein Publikum fesseln kann. Mikael Åkerfeldt hat einfach so viel Charisma, da braucht es nur ein paar gebrummelte Ansagen, und er hat die Leute in seiner Hand. Und erst die Songs - göttlich genial. Somit war es definitiv die richtige Entscheidung, nicht zum zeitgleich aufspielenden NICK CAVE gepilgert zu sein.

Letzte Wasserstandsmeldungen vom Sziget: Auf der Metalbühne ist heute nichts Erwähnenswertes los. Eine Karaokebühne ist schon eine tolle Idee - aber mit welchem Gejaule manche Zeitgenossen auf selbiger in Erscheinung treten, das ist jenseits sämtlicher Schmerzgrenzen. Und auf der Hauptbühne spielt mit SEX ACTION so etwas wie das Gegenstück zu JULIETTE AND THE LICKS vor zwei Tagen. Doch während besagte Actrice Juliette Lewis mit unspektakulären und biederen Rocksongs aufwartet und vor allem darauf bedacht zu sein scheint, dass die Kamera ihren Schlüpfer gut ins Bild bekommt, gibts bei SEX ACTION Schwanzrock, der auch musikalisch ganz ordentlich durch die Kante brettert.
(Stephan)

Es ist fast vorbei, heute ist der letzte Tag.Der Rücken und seine Muskeln sind zerschunden, der ständige Alkgebrauch zeigt Spuren und produziert merkwürdige Gerüche. Dafür gestern NICK CAVE gesehen. Ok, aber nicht überragend. Bands mit Backgroundsängerinnen sind eben immer irgendwie nicht das große Ding, obwohl der Meister selbst recht agil über die Buehne springt. Und 'The Weeping Song' klingt toll. Dafür ein verpasster OPETH-Auftritt, der auch sehr geil gewesen sein muss. Danach? Verschiedene Techno-Zelte, das Alternativezelt und am Ende das Begucken verpeilter Gestalten am Metalzelt, weil um 5 Uhr plötzlich alle Dissen ohne Musik waren. Heute langer Schlaf und ein netter Auftritt der BEATSTEAKS mit einem coolen BEASTIE BOYS-Cover 'Sabotage' am Ende. Jetzt noch ein wenig Eskalation bei THE HIVES und der Döner-Musik von KHALED - und dann ist es zu Ende. Woooaaahhh!
(Henri)

So, und damit ist es an der Zeit für ein kurzes Resümee. Da es meine Sziget-Premiere war, war ich schon beeindruckt, was auf dieser Donauinsel in einer Woche so abgeht, und was den Besuchern so alles geboten wird. Mit dem Wetter hatten wir wirklich Glück, lediglich an den letzten beiden Tagen war es ein wenig bewölkt und regnerisch. Ansonsten regierte fast immer strahlender Sonnenschein, wobei die Temperaturen trotzdem im erträglichen Rahmen blieben. Die Preise wurden schon ein wenig an den westeuropäischen Standard angepasst - wobei 100 Euro für ein 7-Tage-Festival dieses Kalibers schon eine lohnenswerte Investition sind. Allerdings muss man bei vielen Attraktionen außerhalb der Konzerte extra löhnen. Beim Essen war alles zwischen gut, viel und billig sowie ekelhaft und teuer vertreten - hier musste man schon genau hinschauen, was man sich auf den Papp- oder Plasteteller laden ließ. Die Beschränkungen hinsichtlich mitgebrachtem Essen und Getränken fand ich ein bisschen übertrieben - denn 2 Liter pro Person und diese auch nur in 0,5-Liter-Flaschen, das ist ein bisschen dürftig, gerade bei sommerlichen Außentemperaturen. Bei den Sziget-Mitarbeitern sind mir auch ein paar unfreundliche Menschen begegnet, gerade die Security bei den Einlasskontrollen tat sich hier das ein oder andere Mal etwas negativ hervor. Die Organisation des gesamten Festivals war aber erstklassig, so kam es bei den Bandauftritten kaum zu Verzögerungen oder Verschiebungen. Soweit ich es mitbekommen habe, hat mit THE GAME auch nur eine größere Band abgesagt, Grund hierfür war ein Streik bei British Airways, so dass der Veranstalter hier auch nix machen konnte. Ja, und beim Wichtigsten - die Atmosphäre des Festivals und die Stimmung unter den Besuchern - das war die ganze Zeit über absolut hervorragend. Niemand sah sich genötigt, Stress zu machen, und alle Sziget-Besucher feierten eine friedliche und ausgelassene Party. So soll es sein und somit war Sziget 2005 insgesamt eine runde Sache, und wir von POWERMETAL.de sind im nächsten Jahr hoffentlich wieder mit dabei. In diesem Sinne: gute Nacht aus Budapest.
(Stephan)

Finito - das an knapp acht verrückten Tagen und mit mehr als 400.000 Besuchern größte Sziget aller Zeiten ist vorbei. In der Nacht von Dienstag auf den Mittwoch kracht es bei den Fans nach bejubelten Parallel-Auftritten von Döner-Musikmann KHALED, den Punk-Boys GOOD CHARLOTTE und der Harcoremannschaft IGNITE nochmal richtig ins Gebälk - überall Alkohol, Party und frohe Launen. Ab drei Uhr nachts dann die Ernüchterung: Es gießt wie aus Strömen, wie in den Jahren vorher wird in der letzten Nacht der Platz von Regenwasser überschwemmt, der an vielen Stellen vollgepisste Boden vermischt sich mit dem frischen Nass und dem Müll der vergangenen Woche. Das Bild am nächsten Morgen gleicht einem Albtraumszenario für jeden Umweltschützer und das örtliche Reinigungsteam. Schlamm, Müll, Asche von Lagerfeuern, fertige Gestalten schleichen mit ihren verdreckten Sachen hinweg und lassen alles wie es ist zurück. Die Bäume drumherum scheinen aufzuatmen, endlich geht der Gestank weg. Doch nächstes Jahr kommen wir alle wieder - und bringen noch unsere Freunde mit...
(Henri)

Redakteur:
Henri Kramer

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