THE INTERSPHERE - Münster

22.10.2014 | 19:34

18.10.2014, Sputnikcafé

Einfach nur Musik. Tolle Musik.

Bereits im Frühjahr besuchte ich die Tour von THE INTERSPHERE, die anlässlich der Veröffentlichung des neuen Albums "Relations In The Unseen" vorgenommen wurde, und war im Anschluss nicht zu knapp begeistert. Ein gutes halbes Jahr später machen sich die Mannheimer nun erneut auf, um die Clubs Deutschlands mit ihrer eigenen, fantastischen Variante der Rock-Musik heimzusuchen; das Sputnikcafé in Münster ist an diesem schönen Samstagabend Ort des Geschehens.

Am heutigen Abend gibt es, lobenswerterweise, nur eine Vorband. Dass diese zudem stilistisch super zu THE INTERSPHERE passt und auch darüber hinaus einfach gut ist, ist der Sache natürlich umso förderlicher. NOT CALLED JINX aus Berlin merkt man das handwerkliche Know-How, Erfahrung und ein Geschick für griffige Arrangements vom ersten Song weg an. Hier bekommt man Alternative Rock mit vielen poppigen Momenten serviert, ohne dabei auf den gewissen Punch verzichten müsste. Das ist, insbesondere dank des tollen Gesangs, alles in sich so stimmig, dass auch das Publikum keine Aufwärmphase braucht, sondern direkt Freude an den feinen Klängen hat, welche bei bestem Sound aus den Boxen dringen. Was (Verschnauf-) Pausen oder auch Ansagen angeht, ist die (absolut sympathische) Band recht kurz angebunden; man merkt, dass NOT CALLED JINX Lust hat, dem Münsteraner Publikum seine Musik zu präsentieren. Eine symptomatische und somit absolut nachvollziehbare Entscheidung, die nur ein Fazit zulässt: Das hier war ein ganz toller Auftritt, welcher dem ausgelutschten Begriff des "Anheizers" endlich mal vollends gerecht wird.

Diesen Ball nimmt THE INTERSPHERE natürlich nur zu gerne auf. Mit gleicher Attitüde geht es hier voran: Wenig Gelaber, wenig Pausen – viel Musik. Ein so einfaches Konzept. Eines, das begeistert. Es bedeutet in diesem Fall nämlich, dass man einen großartigen Song nach dem nächsten um die Ohren gehauen, getragen, gestreichelt bekommt. Wenn bereits an zweiter Stelle 'Prodigy Composers' losgelassen wird, dann weiß man, wie selbstbewusst die Band unterwegs ist. Völlig zurecht im Übrigen.

THE INTERSPHERE merkt man im jedem Moment eine gewaltige Echtheit an. Es wird mit Herz und Seele gesungen, angeschlagen und geprügelt. Die Setlist, die sich heute bunt aus den letzten drei Alben zusammensetzt, wird so wunderbar intoniert, dass man die Band dafür am liebsten umarmen möchte. Die Kompositionen schaffen stets den beachtlichen Spagat zwischen Eingängigkeit zum Quadrat und niemals auftretender Langeweile durch zahlreiche liebevolle Details. Wenn man zu diesen Klängen Pop-Musik sagt, liegt man in vielerlei Hinsicht verdammt richtig. Meint man "Metal!", dann ist auch das nicht allzu weit hergeholt – die vielen Kopfschüttler im Publikum beweisen dies zunehmend. Rock-Musik trifft es wahrscheinlich noch am ehesten; trotzdem wird deutlich, wie facettenreich die Angelegenheit eigentlich ist, zumal alle Elemente nicht nacheinander, sondern stets gleichzeitig existieren.

Die gut gelaunte Meute im Münsteraner Sputnikcafé hat ebenso große Freude am Gebotenen wie die Band selbst (mit einer Ausnahme; aber dazu unten mehr). 'Interspheres >< Athmospheres', 'Capitall' oder 'Panic Waves': Selten war mir die Songauswahl positiv gleichgültiger. THE INTERSPHERE musiziert sich in einen Rausch und ich weiß nicht, wie oft mir der Gedanke "Musik! Muuuuusssiiiiiik! DAS IST Musik! JAAAAA! MUSIK!" durch den Kopf ging – sofern dies als Gedanke durchgeht. Seinen Beitrag dazu liefert heute aber auch der Mann an den Reglern, denn so einen guten Sound habe ich fast das ganze Jahr über noch nie gehabt (und im Sputnikcafé wohl überhaupt noch nie). Der stets imposante Höhepunkt, der unkonventionellere Weg geht als alle anderen Songs der Band, ist 'I Have A Place For You On Google Earth', bei dem sich die Herren zum Ende hin in bestem Post-Metal-Stile in einen wahren Rausch trümmern. Auch sowas geht. Und passt. Vollkommen natürlich.

Dieses Konzert hat abseits der Musik im Prinzip nur eine Anekdote zu bieten: Sänger Christoph Hessler ist sichtlich erkrankt und hustet sich in jeder Gesangspause gleich beide Lungenflügel aus dem Leib. Bemerkenswert ist dabei zum einen, dass gesanglich überhaupt kein Unterschied auszumachen ist, und zum anderen, dass er dies während des gesamten Konzertes nicht einmal (im altbekannten Stil: "Es tut mir so leid, aber ich gebe mein bestes...") zum Thema macht. Der Mann will kein Mitleid, THE INTERSPHERE will keine Ausreden gelten lassen – aber wofür auch? Zwar kommt man gar nicht umhin, als sich Sorgen darum zu machen, Augenzeuge eines plötzlichen Bühnentodes zu werden, aber wenn der Herr auf der Bühne das so sportlich nimmt, dann sollten es die (mehr oder minder) gesunden Menschen vor den Brettern wohl auch. (Dass heute alle Technik kaputt ginge, wie die Band zwischendurch behauptet, hört wohl nur diese selbst; denn außer den Augen, die hin und wieder hektische Bewegungen am Equipment wahrnehmen, bekommt das kein anderer Sinn mit.)

Nach fast 100 Minuten sind gefühlt fast alle vorhandenen Songs gespielt worden, trotzdem vermisst man selbst die paar, welche es nicht in das Set geschafft haben. Gibt es neben tosendem Beifall, der selbstredend auch zu keinem Zeitpunkt gefehlt hat, ein besseres Argument für Stärke auf voller Breite? Eben. THE INTERSPHERE ist und bleibt für mich eine der besten Rock-Bands Deutschlands; vielleicht sind die Mannheimer sogar aktuell die allerbesten. Ein Abend wie dieser unterstützt diese These jedenfalls nachdrücklich. Ich kann die nächste Tour schon jetzt kaum erwarten. Kommt bald wieder, ihr großen Musiker der Musik!

Und damit niemand glaubt, das sei in Münster eine Ausnahme gewesen, darf ich hinzufügen, dass bislang jeder der mittlerweile acht Gigs, die ich von THE INTERSPHERE in Berlin gesehen habe, exakt genau so gut war wie hier von Oliver beschrieben. - PK

Redakteur:
Oliver Paßgang
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