THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA - Bochum

06.01.2019 | 10:27

22.12.2018, Matrix

Besser geht es einfach nicht!

THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA gelingt ein Kunststück, das noch keine Band zuvor geschafft hat. Über mehrere Wochen wache ich – selbst montags – gut gelaunt auf, weil ich immer wieder einen neuen Ohrwurm dieser fabelhaften Supergroup habe, steige selbst bei frostigen Temperaturen ins Auto und gröle auf dem Arbeitsweg meine persönlichen Lieblinge wie 'Midnight Flyer', 'Living For The Nighttime', 'Stiletto' oder 'Paralyzed' lautstark mit. SOILWORK-Speed und seine gut gelaunten Konsorten schaffen es scheinbar spielendleicht, mich vom Winter-Blues zu befreien und ihre locker-flockige Performance des neuesten "Sometimes The World Ain't Enough"-Krachers auf mich zu übertragen. Das nunmehr vierte THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA-Album hat seine wahre Schönheit offenbart, dieser wunderbare AOR-Sound gemixt mit Ohrwürmern allerhöchster Güte, einem sorgenfreien Vibe und einer Stimmung, die nicht besser hätte sein können, schreit förmlich nach Live-Darbietungen auf deutschem Terrain. Gesagt, getan, so dass das Allstar-Disco-Metal-Rock-Projekt zum Tourabschluss auch die wunderbare Bochumer Matrix im Herzen des Ruhrgebiets heimsucht und die Zuschauer auf eine Zeitreise der Extraklasse entführt.

Ich könnte noch stundenlang über diese Band berichten, über die Wirkung auf mich und auf mein Gemüt. Doch ihr wollt wissen, wie der Gig am 22. Dezember in Bochum war. Ich möchte euch nicht lange auf die Folter spannen – er war großartig! Der (viel zu kurze) Weihnachtsurlaub hat begonnen, mit "Amber Galactic" und eben dem neusten Rundumschlag geht es schnurstracks Richtung Matrix, wo ich mich zunächst am Merchandise-Stand aufhalte und mir nach vielen, vielen Jahren ein Tour-Shirt zulege. Für 20€ Flocken kann man das durchaus machen. Die ersten musikalischen Töne kommen von der Bühne, die allerdings nichts mit THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA, sondern mit dem derzeitigen Support zu tun haben.

Den Slot des Anheizers haben auf dieser Tour BLACK MIRRORS aus Brüssel, bestehend aus der quirligen Power-Frau Marcella Di Troia und ihren drei Mitmusikern. Stilistisch bewegt sich die Band, die in diesem Spätsommer nach zwei EPs endlich ihr erstes Full-Length-Album an den Mann brachten, im Garagenrock-meets-Blues-Rock-Bereich. Ein bisschen BLUES PILLS, KADAVER und QUEENS OF THE STONE AGE hier, ein Hauch von LED ZEPPELIN, JANIS JOPLIN und THE VINTAGE CARAVAN dort und mit dieser Mische lockt das belgische Quartett auch dank eines – wie meist in der Matrix – guten Sounds schon die ersten Menschen vor die Bühne. Selbstverständlich dreht sich alles um ihr "Look Into The Black Mirror"-Debüts und Songs wie das MC5-Cover 'Kick Out The Jam', 'Moonstone' oder auch 'Burning Warriors' kommen an diesem Samstagabend auch recht gut an. Nach rund 45 Minuten ist das Retro-Rock-Vergnügen auch vorbei und eine erschöpfte, aber glückliche Frontdame wünscht noch viel Vergnügen mit dem restlichen Programm.

Die Umbaupause wird nicht nur mit einem kühlen Blonden sondern auch mit einem sehr interessanten Gespräch überbrückt. Mit einem ehemaligen Kollegen lasse das Jahr 2018 passenderweise Revue passieren – die Tops und Flops sowohl live als auch auf Platte werden hier ebenso thematisiert wie die Bands SOILWORK, ARCH ENEMY und alte AOR-Heroen. Woher das nun kommt?

Doch endlich wird es dunkel in der Matrix, der große THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA-Banner hängt im Hintergrund, die Instrumente sind an ihrem Platz und mein Konzerthighlight 2018 kann endlich beginnen: Die Synthies starten, die Lichter blitzen auf, die ersten Töne des superben, aktuellen Titelstücks schallen durch die Matrix und die Schweden haben von der ersten Sekunde an das Publikum fest im Griff. Es wird getanzt, geklatscht und mit voller Lautstärke mitgesungen, als gäbe es kein Morgen. Und heute, um 21:15 Uhr am 22. Dezember 2018 gibt es auch kein Morgen, denn es regiert nur der Augenblick, der ganz und gar THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA und Bochum gehört. Mit welcher unbändigen Spielfreude und Spaß die sechs Mannen samt beiden Background-Sängerinnen und -Stewardessen hier und jetzt agieren, ist umwerfend. Die Musiker – insbesondere David – grinsen um die Wette, der im weißen Sakko auftretende Sharlee, der bei ARCH ENEMY härtere Töne von sich gibt, lässt am Bass den Rockstar raus und mit welchem Charisma und Souveränität Björn "Speed" Strid einmal mehr auftritt, ist eh nicht von dieser Welt.

So macht AOR Spaß, so kann es weitergehen. Und nach dem heutigen Motto "Living For The Nighttime" wechseln sich neueste und "Amber Galactic"-Hits munter ab. 'Speedwagon', 'Turn To Miami' und 'Something Mysterious' werden ebenso sicher mitgesungen wie mein damals erster Berührungspunkt 'Midnight Flyer' in einer extrem tighten Version oder der Groove-Doppelschlag 'Star Of Rio'/'Gemini'. Hier wird die AOR-Sau herausgelassen und speziell den in lila gekleideten Björn freut es am Mikro ungemein, dass er textlich vom Bochumer Publikum derart unterstützt wird. Mit 'Stiletto' geht es ein wenig zurück in die Diskographie, ehe mit 'Josephine' und speziell meinem absoluten Jahreshighlight 'Paralyzed' der Höhepunkt des heutigen Abends angestimmt wird. Vergessen sind all die Alltagssorgen und Wehwehchen, die den Rocker von Welt in den letzten Monaten so gequält haben. Heute regieren die gute Laune und das unbedingte Highway-Feeling, was die Band scheinbar mit der Muttermilch aufgesogen hat. Und nach dem Lebensmotto 'Can't Be That Bad' vom aktuellen Album, wird auch "Internal Affairs' aufgegriffen und '1998' nimmt vor einer kurzen Pause das Heft in die Hand.

Die Stimmung ist famos und kocht förmlich, Bochum frisst der Band aus der Hand. Diese lässt sich nicht lumpen und leitet mit dem "Sometimes The World Ain't Enough"-Opener 'This Time' und fröhlichen Klatschspielchen den Zugabenteil ein. Danach wird es romantisch und verliebt schaut das Bochumer Publikum bei 'Lovers In The Rain', zu dem auch ein sehr schönes Video auf YouTube gibt, zur Band auf, die mit 'West Ruth Ave' das damalige Debüt-Highlight aufgreift und sich der Abend leider Gottes langsam dem Ende neigt.

Ein fabelhaftes, (Amber-)galaktisches Konzert geht mit den letzten Tönen dieser Hymne, einer ausgepowerten, aber sichtlich glücklichen Band und vielen erheiterten Gemütern zu Ende. Die Gute-Laune-Combo hat ganze Arbeit geleistet und stellte das – für mich mit Abstand – beste Konzerte des Jahres 2018 auf die Beine. Und wieder schenkte mir THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA massig Ohrwürmer, die ich allesamt mit ins neue Jahr nehme um auch weiterhin gegen die schlechte Laune ankämpfen zu können. Ein nimmermüder Konzert-Marathon geht für die Band nun zu Ende und zumindest für Björn und David geht es mit SOILWORK ganz bald wieder weiter. Ich, egoistisch wie ich nun einmal bin, hoffe jedoch, dass der "Sometimes The World Ain't Enough"-Nachfolger nicht lange auf sich warten lässt und ich die Töne dieser brillanten Band bald wieder live hören kann.

Redakteur:
Marcel Rapp
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