THE OFFSPRING - Düsseldorf
26.06.2023 | 22:4122.05.2023, Mitsubishi Electric Hall
Wieder jung sein, herrlich!
Ich bin wieder 15! Und dieses Gefühl habe ich anno 2023 auch bitter nötig! Natürlich hat sich mein musikalischer Geschmack seit den 1990er Jahren stark geändert, doch mit THE OFFSPRING gab es über all die Jahre eine Konstante, die ich mal mehr, mal weniger gehört, aber immer sehr geschätzt habe. Warum? Weil mich der Gesang Dexters, das Riffing Noodles' und generell der Pop-Punk-Flair der Amis an eine unbeschwerte Zeit haben denken lassen. Unser Artikel "Im Rückspiegel" war eine Art Zeitreise und heute wird diese noch intensiver, sehe ich THE OFFSPRING doch zum ersten Mal live und wahrhaftig auf der Bühne.
München, Berlin, Hamburg und Düsseldorf standen zur Auswahl. Aus logistischen Gründen habe ich mich für das Rheinland entschieden, was ich auch nicht bereuen sollte. Denn an diesem Montagabend hätten die Vorzeichen nicht besser stehen können: Ein warmer Vorsommertag, eine angenehme Anreise, die Mitsubishi Electric Hall hat auch nicht den schlechtesten Ruf und vor der Halle angekommen, hören wir aus allen Ecken und Enden den College-Punk der 00er-Jahre. Ein herrliches Gefühl. Hereinspaziert und mit einem Bier bewaffnet darf auch schon der erste Support-Act zeigen, was er kann.
TRASH BOAT segelt von Großbritannien aus in Richtung Landeshauptstadt, ist stilistisch von den 1990er Jahren der THE OFFSPRING-Historie nicht weit entfernt und zeigt früh am Abend ein buntes Potpourri aus bisher drei Studioalben. Die Halle ist schon gut gefüllt, der Sound knackig und wuchtig und wohin man blickt – ob jung oder alt – steht jedem die freudige Erwartung ob des heutigen Abends ins Gesicht geschrieben. Dabei entpuppen sich die vier Briten als guter Anheizer, der für einige Ohrwürmer, gute Laune und mit dem LINKIN PARK-Cover 'Given Up' für Stimmung sorgt.
Beim zweiten Support, FOUR YEAR STRONG aus den USA, ist die Stimmung noch etwas ausgelassener, die Songs eingängiger, die stilistische Nähe zu THE OFFSPRING deutlicher. Es macht sich Bewegung im Publikum bemerkbar, denn der Pop-Punk der US-Amerikaner geht verdammt gut ins Ohr, ist schwungvoll und dynamisch und dürfte auf der imaginären College-Party für gute Laune sorgen. Zwar ziehen sich dem Ende hin die 50 Minuten Spielzeit etwas, zumal die Vorfreude von Sekunde zu Sekunde wächst, doch auch die FOUR YEAR STRONG-Gang mausert sich zum Support erster Güte für das, was jetzt kommt.
Und dass sich THE OFFSPRING vor allem live für die Fans immer mal wieder etwas einfallen lässt, zeigt sich auch heute in der Umbaupause: Nachdem der Countdown auf der großen Videoleinwand beginnt, startet ein ferngesteuerter Zeppelin inklusive Kamera durch die Halle, durch die Impressionen – die Kiss- aber auch Beer- und Booty-Cam kennen wir von der NBA oder NHL – auf die Leinwand geworfen werden und allerlei Fan-Reaktionen zeigen. Dann werden per großer Zwille T-Shirts in die Publikumsmenge geschleudert, von besagtem Zeppelin regnet es Gitarrenplektren, ein Heidenspaß, der für viel Wohlwollen in der Halle sorgt.
Als der Countdown bei Null angekommen ist, geht die Mitsubishi Electric Hall komplett steil, knapp 7.500 Zuschauer haben sich auf diesen Moment gefreut, als THE OFFSPRING, angeführt von Noodles und Dexter, nun endlich die Düsseldorfer Bretter betreten. Und nach dem 'Lullaby'-Intro geht es mit den Hits Schlag auf Schlag: Mit 'Come Out And Play' entfachen die Amis ein amtliches Feuerwerk und nachdem mit 'All I Want' mein liebster THE OFFSPRING-Dosenöffner schon früh die Weichen stellt, geht es kreuz und quer durch die üppige Diskografie der Jungs: 'Want You Bad' wird lautstark mitgegrölt, auch der noch aktuelle Titeltrack entpuppt sich live als Bollwerk und während 'Original Prankster' und das poppige 'Hit That' für ein breites Nostalgiegrinsen sorgen, haben auch 'Staring At The Sun' und der "Let The Bad Times Roll"-Opener 'This Is Not Utopia' etwas Befreiendes, so Wunderbares an sich, als würde man seine alte Jugendliebe nach Jahren wiedersehen und sich an all die schönen Zeiten zurückerinnern.
Nachdem sich das ekstatische, elektrifizierte und euphorische Publikum bei 'Bad Habit' auch enorm textsicher zeigt und auch 'Hammerhead' sehr viel abgewinnen kann, ist es Zeit für das Cover-Doppel 'In The Hall Of The Mountain King'/'Blitzkrieg Bop', bei dem vor allem Noodles sehr viel Spielfreude ausstrahlt. Natürlich merkt auch Düsseldorf, dass diese ewig junggebliebene THE OFFSPRING-Mannschaft in die Jahre gekommen ist, doch die Protagonisten zeigen sich äußerst vital und gut gelaunt, haben ihr Publikum zu jeder Zeit im Griff und mit sympathischen Ansagen Dexters und einem doch guten, knackigen Sound gesegnet, lässt THE OFFSPRING auch im zweiten Teil nahezu nichts anbrennen.
Bunt wie die Bühne sind auch die weiteren Hits, die mich persönlich immer wieder in meine musikalischen Anfangsjahre zurückkatapultieren – wie schon gesagt: Ich bin wieder 15! Und bekomme bei 'Gotta Get Away', 'Why Don't You Get A Job' und '(Can't Get My) Head Around You' Respekt vor der Lautstärke meiner eigenen Mitsingstimme. Selten war ich in den letzten Jahren so kurz davor, in die erste Reihe zu sprinten. Und inmitten dieses Nostalgie-Overkills setzt sich Dexter an sein weißes Klavier und stimmt eine Balladenversion von 'Gone Away' an. Eine geschmackvolle, edle Abwechslung, wie ich finde.
Danach darf sich Düsseldorf noch einmal verausgaben – stimmlich und konditionell – wenn mit 'Pretty Fly (For A White Guy)' wirklich jeder zum Tanzen, Hüpfen und Ausrasten animiert wird. Dem Ende hin geben auch noch einmal die THE OFFSPRING-Jungs Vollgas und zocken sich ohne Ermüdungserscheinungen durch 'The Kids Aren't Alright' und 'You're Gonna Go Far, Kid', ehe der 1994er-Evergreen 'Self Esteem' inklusive dieses markanten Intros den Zuschauern auch die allerletzten Reserven entlockt.
Setliste: Come Out And Play; All I Want; Want You Bad; Let The Bad Times Roll; Staring At The Sun; Original Prankster; This Is Not Utopia; Hit That; Hammerhead; Bad Habit; In The Hall Of The Mountain King; Blitzkrieg Bop; Gotta Get Away; Gone Away; Why Don't You Get A Job; (Can't Get My) Head Around You; Pretty Fly (For A White Guy); The Kid's Aren't Alright; You're Gonna Go Far, Kid; Self Esteem
Sichtlich happy verabschiedet sich THE OFFSPRING unter lautstarkem Applaus und Jubel von der Bühne. Das Shirt trieft vor Schweiß, die Kehle brennt vor Heiserkeit, die Beine schmerzen vom Hüpfen, doch ihr könnt euch sicherlich vorstellen, welche Glücksgefühle über die vergangenen 90 Minuten ausgeschüttet wurden. Endlich kann ich auf meiner To-See-Liste hinter dieser für mich sehr prägenden Band ein grünes Häkchen setzen, endlich habe ich THE OFFSPRING live gesehen, endlich habe ich mich wieder wie 15 gefühlt. Ein schönes Gefühl.
- Redakteur:
- Marcel Rapp