THRESHOLD - München

10.11.2009 | 20:59

02.11.2009, Backstage, Halle

Die Reprise der THRESHOLD-Tour. Nach Aschaffenburg nun München. Alles gleich oder alles anders?

Aschaffenburg, München oder Upsala – wo THRESHOLD auftauchen, sorgen sie für offene Münder. Allerdings leider nicht für zahlreiche offene Münder. Deswegen fällt die Reprise der "Essence Of Progression"-Tour in München leider ein wenig enttäuschend aus, haben sich doch gar nicht allzu viele Proggies ins Backstage eingefunden, um an diesem Montagabend die Helden des druckvollen Progs zu feiern.

Pünktlich um halb zehn gehen die Lichter nach SPHERIC UNIVERSE EXPERIENCE und SERENITY aus. Erstere habe ich aufgrund des öffentlichen Nahverkehrs nicht mal aus der Ferne mitbekommen, zweitere gingen im Kampf um die Akkreditierung vor der Halle unter. Leider. Denn sowohl die eine, als auch die andere Band wurden mir als richtig gut beschrieben. Aber was soll man machen?

THRESHOLD heißt die Macht, die mit "Dead Reckoning" im Jahre 2008 ein tolles Album abgeliefert hat, das sich direkt in die Reihe großartiger Alben stellen kann. Kollege Frank Jäger hat die Briten wenige Tage zuvor in Aschaffenburg gesehen, ich hatte die Chance, seine Worte in München zu überprüfen. Mit der identischen Playlist im Gepäck beginnt der Reigen mit dem großartigen 'Consume To Live'. Durch die Nebelschwaden schneidet das Riff des Songs und lässt den Blick auf eine Leinwand fallen, die im Hintergrund der Bühne auch für visuelle Abwechslung sorgt. Und das, obwohl das eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre, da die Herren um Damien Wilson trotz langjähriger Präsenz im Geschäft immer noch aktiv und sportlich wie grüne Schuljungen sind.

'Part Of The Chaos' erinnert die Anwesenden wohl an ihre späte Jugend, wobei 1997 bei den meisten Anwesenden eher das erste Auto ihrer Kinder markiert. Das Durchschnittsalter ist hoch an diesem herbstlichen Abend in München – zumindest im Backstage. Aber das macht gar nichts, so teilt sich der Raum in drei Hälften: Vorne die Jungen, dahinter die Junggebliebenen und dahinter... der Rest. Die Liebe zu THRESHOLD vereint sie allerdings alle. Und so werden alle angespielten Gassenhauer des Prog-Rocks mitgesungen, als gäbe es kein Morgen mehr. Die furiosen Duelle zwischen Keyboard, Gitarre(n) und Bass tragen das ihre zum Niederreißen aller Anstandsgrenzen bei, und so wird gefeiert, was das Zeug hält.

Der Sound ist im Gegensatz zu Aschaffenburg top und drückt mächtig aus den Boxen. Damien kann so seine gesamte Vielfalt an den Mann bringen. Und doch bleibt ein Punkt, der mich vom grenzenlosen Abfeiern abhält: Damien ist ein großartiger Sänger, doch die Songs, die von Mac McDermott eingesungen wurden, klingen einfach nicht nur anders - was ja noch zu verschmerzen oder gar interessant wäre - sondern vielmehr gerade in den Höhen schlicht falsch. Und da fällt es schwer, darüber hinwegzusehen. Besonders auffallend ist es beispielsweise bei 'Critical Mass' aus dem Jahr 2002. Und das ist schade. Nichtsdestotrotz bleiben THRESHOLD aber eine großartige Erfahrung.

Gänsehautstimmung kommt schließlich bei 'Pilot In The Sky Of Dreams' auf. Man muss wissen, dass direkt vor der Bühne und Damien drei junge Männer stehen, die mal mehr, mal weniger gut mitsingen, aber wohl so gut wie jeden THRESHOLD-Song für den heutigen Abend präpariert haben. Und einer der drei Herren wird schließlich spaßeshalber von Damien eingeladen, den Beginn von 'Pilot In The Sky Of Dreams' zu singen. Grinsend will Damien das Mikro wieder seiner eigentlichen Bestimmung zurückführen, scheitert allerdings an selbigem junge Mann, der sich anscheinend mit dem Gedanken angefreundet hat, diesen Song einzuleiten.

"Could you give me a pitch," meint er also zu Karl Groom, worauf Damien lachend erwidert, dass er das auch schon seit Jahren fordert, aber noch nie zu dieser Ehre gekommen ist. Wer nun denkt, dass der ganze Spaß zu Ende wäre, hat nicht mit der Hartnäckigkeit des jungen Mannes gerechnet. Dieser ruft schneidig "Okay, let's go, I will make it!", öffnet den Mund, schließt die Augen und legt zum eingespielten Klavier los. "In Heavy Consternation I Move Across The Hall..." klingt es sanftmütig und absolut richtig aus den Boxen – alle, aber auch jeder in der Halle kann gar nicht glauben, dass da ein dahergelaufener Fan singt. Rührung macht sich breit. Damien und die Jungs auf der Bühne staunen nicht schlecht, als der Blondschopf das Mikro wieder an den Meister auf der Bühne zurückgibt und sich mit einem seligen Lächeln, das sich förmlich in sein Gesicht eingebrannt hat, dem restlichen Konzert hingibt. Das sind Dinge, die erlebt man nur einmal im Leben. Und ich bin froh, dass ich das heute Abend erleben durfte.

Redakteur:
Julian Rohrer

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