THRESHOLD, GRACE AND FIRE, GODSNAKE - München
23.10.2024 | 21:3515.10.2024, Feierwerk
Eine progressive Reise durch die Bandgeschichte!
Eine wirklich interessante Tourneeidee haben die Herren da gehabt: Nach mittlerweile zwölf Studioalben soll die aktuelle Konzertreise die gesamte Schaffenszeit abdecken und von jedem Album einen Song enthalten, angefangen bei "Wounded Land" bis hin zum aktuellen Silberling "Dividing Lines". Gute Idee, bei der man eigentlich als Prog-Fan nicht abwesend sein darf, oder? Als wir im Feierwerk in München eintreffen, bin ich aber ob der Besucherzahl enttäuscht. Kann es wirklich sein, dass eine Band dieser Qualität vor nur 120 bis 150 Leuten spielen muss? Wo sind die qualitätsbewussten Schwermetaller?
Beginn des Konzertes ist 20 Uhr und pünktlich betritt die erste Vorband die Bühne. GRACE AND FIRE aus Großbritannien nennt den eigenen Stil Melodic Progressive Hardrock, eine auf den ersten Blick etwas schräg klingende Beschreibung, aber tatsächlich, das passt ganz gut. Markante Keyboards über Bratgitarren, gerne mal Breaks und ein guter, klarer Sänger, der ganz zu Beginn etwas unsicher wirkt, aber schon kurz darauf sehr ordentlich seinen Mann steht. Außerdem hat er die Fans natürlich auf seiner Seite, trägt er doch ein Trikot der deutschen Nationalmannschaft mit Klinsmanns Namen auf dem Rücken. Die Bühne ist klein, aber die Band bemüht sich nach Kräften, etwas Aktion zu zeigen und spielt ein dreißigminütiges Set aus sechs Stücken, die alle bei den anwesenden Fans komplexer Musik auf fruchtbaren Boden fallen. So ist es wenig verwunderlich, dass die Fünf von der Insel mehr als nur höflichen Applaus einheimsen.
Setliste: Overture; Elysium; Chains Of Sanity; A Warrior's Tale; Paradise Lost; Eyes Of A Seer
Aber nun folgt immer noch nicht die Hauptband, es gibt noch eine zweite Vorgruppe. Für einen Wochentag ist der Beginn mit 20 Uhr und dann zwei Vorgruppen wirklich spät, morgen ist ein normaler Arbeitstag und man muss ja noch nach Hause fahren. Vielleicht werde ich alt, aber ich finde, das Ende des Konzertes wird dadurch einfach zu spät.
Dafür kann aber GODSNAKE nichts, die Hamburger Thrasher wollen vielmehr die Chance nutzen, sich ein paar neue Fans zu erspielen. Nun passt die Band musikalisch nicht allzu gut zum Hauptact des Abends, aber ich finde es ja immer gut, wenn ein solcher Musikabend nicht zu eindimensional wird. Deswegen Augen und Ohren aufgesperrt, immerhin hat Kollege Walter dem letzten Album der Jungs mit dem Titel "Eye For An Eye" eine sehr gute Note gegeben. Tatsächlich, grooviger Thrash mit einem guten Sänger, genug Melodie, dass sich die Songs im Ohr festsetzen können, und kerniges Riffing bestimmen den Opener 'The Sickening'. Sänger Torger ist der Mittelpunkt des Geschehens und macht eine gute Figur, während der 35 thrashigen Minuten leert sich das Hansa 39 kaum, obwohl man eben doch eher stilistischer Außenseiter ist. Wenn ich etwas auszusetzen habe, dann, dass die meisten Lieder weitgehend im Midtempo gehalten sind; GODSNAKE setzt mehr auf Groove als auf Geschwindigkeit. In der Mitte des Sets, bei 'Blood Brotherhood', erinnert mich GODSNAKE gewaltig an die mittlere Phase von METALLICA, nach dem schwarzen Album. Da ich mittlerweile meinen Frieden mit der musikalischen Ära dieser Band gemacht habe, darf das als Kompliment gewertet werden. Guter Auftritt!
Jetzt aber los, THRESHOLD betritt um 21:40 Uhr die Bühne. Zuerst fällt natürlich auf, dass da nicht Glynn Morgan am Mikrophon steht, sondern ein tätowierter Sänger, den ich noch nicht kenne. Es ist ja bekannt, dass der eigentliche Frontmann eine Kehlkopferkrankung hat und dementsprechend nicht auf Tour singen kann, also wurde kurzerhand Alessio Garavello (A NEW TOMORROW, ex-POWER QUEST) angeheuert, um ihn auf der "Through Time"-Tour zu vertreten. Gleich zu Beginn bei 'Slipstream', das sofort von zahlreichen Kehlen mitgesungen wird, macht Alessio klar, dass er nicht nur einfach ein Ersatzmann ist. Er singt nah am Original, beeinflusst aber subtil den Charakter der Liedes mit einer Interpretation und macht sich die Kompositionen zu eigen, kann dabei problemlos alle Lieder, die ihm aufgetragen wurden, in stimmlich brillanter Manier darbieten. Das lässt ja auf einen guten Konzertabend hoffen.
Nachdem die Bedenken bezüglich des Frontmannes ausgeräumt sind, kann ich mir den Rest der Band ansehen. Die Köpfe der Band, Karl Groom und Richard West, stehen auf der rechten Seite der kleinen Bühne und scheinen sichtlich Spaß zu haben am Auftritt. Der Platz ist allerdings gering; wenn Karl mal rübergehen will zu Bassist Steve Anderson, muss Alessio in den hinteren Bereich der Bühne zurücktreten. Es ist einfach eine Schande, dass THRESHOLD nach zwölf meisterlichen Alben nicht das Zenith vollmacht, anstatt in einem halbleeren Hansa 39 zu aufzutreten. Die Welt ist ungerecht.
Zuletzt muss das Augenmerk auf die Setliste gelegt werden. Wie angekündigt werden zwölf Lieder gespielt, von jedem Album eines. Das könnte jetzt einfach ein Best-Of-Set werden, aber die Briten haben sich gedacht, nicht immer die üblichen Verdächtigen zu spielen. So kommt von "Extinct Instinct" tatsächlich 'Virtual Isolation' zum Zuge, das erste Mal seit über zwei Jahrzehnten, und von "Wounded Land" nicht 'Paradox Of Man', sondern 'Mother Earth'. Klar, mit 'Falling Away', 'Ashes' und 'Mission Profile' kommen ein paar Hits der Threshies zum Zuge, aber mit 'The Man Who Saw Through Time', obwohl erwartbar bei dem Titel der Tournee, und 'The Ravages Of Time', einem der beiden Longtracks von "Hypothetical", sind auch ein paar Stücke am Start, die ich nicht unbedingt als gesetzt betrachtet hätte.
So spielt sich die Band durch die eigene Historie und in kürzester Zeit die Halle warm, die vielstimmig unterstützt. Dazu kommen sehr sympathische Ansagen von Ersatzspieler Alessio, sodass die achtzig Minuten des Auftrittes wie im Flug vergehen. Das scheint aber nicht für jeden so zu sein, zwei junge Damen beschäftigen sich auf dem Boden sitzend lieber mit den Filtern ihre Handys, mit denen sie Selfies verändern. Und das bei THRESHOLD auf der Bühne? Ich bin irritiert, aber nur kurz, der Progmetal vorne zieht mich schnell wieder in den Bann. Als einzigen Wermutstropfen empfinde ich, dass ich aufgrund eines Vorhangs an der Bühnenseite Schlagzeuger Johanne James nicht sehen kann, der eigentlich immer wert ist, bei einer Live-Show beobachtet zu werden, denn was der für einen Groove hat und was für Fisimatenten er in den Songs darbietet, ist eigentlich eine Show für sich. Aber er verschwindet beinahe im linken hinteren Teil der niedrigen Bühne, sodass ich diesmal auf den Genuss verzichten muss.
Nach den zwölf Liedern, die das reguläre Set mit dem Smasher 'Mission Profile' beenden, ist noch nicht Schluss, es gibt noch zwei Zugaben, beide vom "Legend Of The Shires"-Album. Eine ungewöhnliche Wahl, finde ich, aber der Doppeldecker ist ohne Ausfall, sodass der ganze Laden feiert. Dass kurz nach 23 Uhr Schluss ist, ist dementsprechend schade. Trotz des späten Abends wäre es schön gewesen, wenn noch das eine oder andere Stückchen gespielt worden wäre, aber nach immerhin über neunzig Minuten ist Feierabend im Feierwerk.
THRESHOLD live ist immer stark, die Songs sind einfach grandios, egal was die Band spielt. Aber sie gehört auf jeden Fall auf eine größere Bühne, für fünf Musiker ist die Bühne im Hansa 39 einfach zu klein. Ich würde mir wünschen, dass die Band im Sommer mal auf ein paar Festivals auftritt, eventuell dann auch noch etwas Show macht, was heute kaum möglich war. Trotzdem, bei einem solchen Feuerwerk an Hits ist THRESHOLD eigentlich eine Pflichtveranstaltung für Progressive-Metal-Fans, die heute leider nicht so hierher geströmt sind, wie ich es erwartet hatte. Dazu kann ich dann aber nur sagen: Selbst schuld, es war nämlich toll. Ätsch.
Setliste: Slipstream; Devoted; Virtual Isolation; Freaks; The Mystery Show; Falling Away; Mother Earth; The Man Who Saw Through Time; Ashes; The Ravages of Time; Silenced; Mission Profile; Zugabe: Snowblind; Small Dark Lines
Fotos: Noah-Manuel Heim
- Redakteur:
- Frank Jaeger