TX2 und REDWOOD - München
08.09.2025 | 14:0304.09.2025, Orangehouse Feierwerk
Zwischen Circle Pit und Social Media-Inszenierung.
Donnerstagabend, ausverkauftes Haus im Orangehouse – die Stimmung ist bereits beim Einlass elektrisierend. Das liegt am zahlreichen Publikum, dass sich auf das Konzert freut - bei mir aber auch daran, dass meine Anreise mit der Deutschen Bahn wie gewohnt spannend war. "Pünktlich" - zumindest nach den Regeln der deutschen Bahn - betrete ich das Orangehouse vom Feierwerk.REDWOOD ist noch pünktlicher und spielt zu diesem Zeitpunkt schon. Also quetsche ich mich schnell durchs Publikum und schieße ein paar Fotos. Aus den Boxen werde ich mit einer Mischung aus Alternative Rock, Post-Rock und Indie berieselt.
Die Briten setzen auf sphärische Klanglandschaften und introspektive Texte – ein ruhiger, aber intensiver Auftakt, der das Publikum sanft auf das Kommende einstimmt. Das ganze ist live nett anzuhören und die Band unterbricht die Musik hin und wieder und witzelt ein wenig mit ihrer britischen Art. Ein gelungener Opener, der nach einer halben Stunde dann Platz auf der Bühne macht für den Headliner TX2.
Mit dem ersten Ton ist klar: TX2 ist gekommen, um abzuliefern! Der Frontmann stürzt sich mit voller Energie in die Show, die irgendwo zwischen Punk, Emo und Rap oszilliert. Doch wer ist TX2 überhaupt?TX2, alias Timothy Evan Thomas, geboren 1999 in Fort Collins, Colorado, ist ein Emo-Neudenker und TikTok-Star, der mit seinem Mix aus Punk, Emo und Rap für Aufsehen sorgt. Nach ersten Mixtapes und Rap-Versuchen fand er im Emo-Genre seine Ausdrucksform, geprägt von Offenheit, Inklusivität und mentaler Gesundheit. Mit viralen Hits wie 'Pull The Plug' (2021) und 'I Would Hate Me Too' (2023) etablierte er seinen Sound, beeinflusst von Bands wie MY CHEMICAL ROMANCE und ICE NINE KILLS. Aus dem Soloprojekt wurde eine Band mit Cam, Corky, Sam und Ethan, die nun erstmals als Headliner auf Europatour ist – mit Stationen in München, Köln und Frankfurt.
Was folgt, ist ein Auftritt, der sich weniger durch Perfektion als durch rohe Energie auszeichnet. TX2 rennt unermüdlich von einer Bühnenseite zur anderen, springt, schreit, gestikuliert – eine physische Performance, die das Publikum mitreißt. Die Smartphones sind allgegenwärtig, das TikTok-Publikum dokumentiert jede Bewegung. Doch der Moment, der alles überstrahlt: Plötzlich steht Timothy Evan Thomas mitten im Circle Pit, umringt von tobenden Fans. "Ich wollte testen, ob ihr das in Deutschland könnt", ruft er – und der Test ist bestanden. Die Menge tobt, die Energie ist greifbar.
Die Musik ist nicht ganz mein Fall. Zwar finde ich die Mischung aus Rap und härteren Musikstilen grundsätzlich spannend, aber in diesem Fall zündet sie bei mir nicht. Was mich zusätzlich stört, ist die allgegenwärtige "Tiktokisierung" des Konzertgeschehens.
Direkt nach dem Auftritt taucht ein TikTok von TX2 auf, in dem sich die Band als rebellisch inszeniert: Angeblich ignorieren sie die Anweisungen des deutschen Venue-Personals, das sie auffordert, leiser zu spielen. Stattdessen starten sie einfach das nächste Lied. Der Clip ist geschickt geschnitten und suggeriert eine dramatische Konfrontation – als wolle man der Band den Mund verbieten. Doch so einfach ist die Wahrheit nicht. Aber in unter 30 Sekunden kann man nun mal einfach aufregen, um ein paar Klicks und Likes abzustauben.
Setliste: Infamous; Vendetta; Black Wedding; Hollow Frame; HOSTAGE (they will not erase us); Feed; So Numb; Vampire By Rumor; Mad; I Would Hate Me Too
Das Publikum sieht das anders: Während ich mit der Musik hadere, feiert der Saal TX2 frenetisch – und der Erfolg gibt ihm recht. Auch wenn die Millionen Follower online in Deutschland noch nicht ganz durchgeschlagen haben, reicht es immerhin für ein ausverkauftes Orangehouse. Merch gibt es überraschenderweise keinen - dafür ist ein "Shipping Issue" verantwortlich. Stattdessen wird ein QR-Code verteilt, über den man sich die Ware versandkostenfrei nach Hause bestellen kann.
Immerhin gefällt mir die Vorband REDWOOD: Zwar ist der Auftritt nicht sonderlich spektakulär, aber musikalisch solide und angenehm. Direkt im Anschluss sind die Briten zudem noch am Merchtisch anzutreffen – worüber sich ein paar Fans der Band sichtlich freuen.
Text und Photo Credit: Noah-Manuel Heim
- Redakteur:
- Noah-Manuel Heim