Tidefest - Hamburg
25.07.2024 | 11:4901.06.2024, Bambi Galore
Wenn der Geburtstag eines Musikanten zu einem wundervollen Ein-Tages-Festival wird!
Am 01.06.2024 feiert Leon Rubinstein Geburtstag. Warum ist uns das eine Erwähnung wert? Nun, der Gitarrist von SERVANTS TO THE TIDE nutzt diese Gelegenheit, ein feines Indoor-Festival zu veranstalten und holt dazu SORDID AGE, FLAME DEAR FLAME, B.S.T. und die Griechen ALCHELOUS ins Bambi Galore, um mit diesen vier Bands ein musikalisches Feuerwerk quer durch die stilistische Spektralfarbpalette unserer Musik zu entzünden. Die eröffnende Band SORDID AGE aus Bremen erleben wir leider nicht, da wir zu dieser Zeit noch unserem hauptamtlichen Tagewerk nachgehen dürfen. Den Augenzeugen zufolge und auch den vielfach geposteten Videobeweisen Glauben schenkend, hat die Truppe aber gleich für einen amtlichen Einstand gesorgt.
Nachdem ich dann auch endlich mein Vehikel parktechnisch angebunden habe, entere ich unverzüglich die heimeligen Katakomben, die ordentlich gefüllt sind. So gut, dass ich FLAME DEAR FLAME, die ich schon auf Tonträger sehr gut finde, zuerst nur mit begrenzter Sicht bewundern kann. Luxusprobleme eines Grossstadt-Konzertgängers, die sich aber innerhalb einiger Minuten lösen lassen und von da an, bin ich völlig geflasht. Die Band spielt das komplette Album "Aegis" und verzaubert mich mit ihrem fein gewobenen Doom. Sängerin Maren Lemke schafft es auch livehaftig, mit ihrer engelsgleichen Stimme einen wunderbaren Kontrast zu den manchmal gar im Black Metal beheimateten Gitarrenelementen zu schaffen. Die Band schafft es, ohne optischen Klimbim einfach mit ihrer Musik, eine Atmosphäre zu erzeugen, die ziemlich einzigartig ist. ALL ALBOUT EVE trifft auf HEXVESSEL? Nee, eigentlich auch Kokolores, aber als hilfloser Wortesucher möchte ich einen Eindruck erzeugen, der Euch klar macht, wie wunderbar originell die Songs von FLAME DEAR FLAME klingen. Die Anwesenden scheinen das alle ebenso zu empfinden, denn nicht wenige stehen mit geschlossenen Augen da und genießen einfach den Augenblick. Auch ist der Andrang beim Merchandise nach dem Auftritt ziemlich groß. Ich verpeile natürlich komplett, dass hier mit David Kuri der Klampfer von WRITHEN HILT in die Saiten greift, aber egal, denn die Jungs spielen hier ja auch bald.
Nach einer erfrischenden Pause im Freien geht es fröhlich weiter mit unseren Lokal-Kuschelbären von B.S.T. Obwohl es immer eine riesengroße Freude ist, den vier Wonneproppen beim fröhlichen Melancholie-Schieben zuzuschauen, ist es dieses Mal tatsächlich noch besser als sonst. Keine Ahnung, woran es liegen mag, aber die sensationell trockenen Ansagen von Sänger Heiko kommen heute noch eine Spur trockener als sonst und die Jungs scheinen eine extrem große Tube an Selbstverständnis im Gepäck zu haben. Nun, mit Songs wie 'Brenne' im Köcher ist das auch ein leichtes Unterfangen, denn solche Nummern verwandeln auch einen sonst mit beiden Händen in den Taschen vor sich hin wippenden Nord-Kauz mal eben dazu, die Luftgitarre schwingen. Logisch, dass der Koffer 'Ride On' erneut aus 1000 Kehlen mitgesungen wird. Äh, Moment? Wie viele Menschen passen noch gleich ins Bambi Galore? Egal, jetzt ist nicht die Zeit zum Erbsenzählen. Es hat sich jedenfalls genauso angefühlt. Der Funktionsmikroständer von Heiko wird in der viel zu kurzen Spielzeit mehrfach aufgefüllt. Ein gutes Zeichen! Jan und Lutz schweben zwischenzeitlich mit geschlossenen Augen durch die Songs, während im Hintergrund der andere Jan stoisch für den nötigen Hüftschwung sorgt. Ihr merkt es: Ein grandioser Auftritt!
Als nächstes entern die Griechen von ACHELOUS die Bühne. Ich muss gestehen, dass ich mich mit der Band bisher kaum beschäftigt habe und bin daher etwas erstaunt, wie viele Menschen offenbar in erster Linie wegen ihnen gekommen sind. Zur Vorbereitung hatte ich online mal ein bisschen quer durch die Diskographie gelauscht, was aber nicht zu irgendeiner Form von Begeisterung geführt hatte. Nun denn, live schaut so etwas dann ja manchmal ganz anders aus. Und ja, die Euphorie, die den Raum erfüllt als das Quintett loslegt, ist ansteckend. Überall sieht man freudig strahlende Gesichter, mitsingende Münder und nach oben gerechte Fäuste. Auf der Bühne spiegelt sich diese Ansicht und die Herrschaften legen sich mächtig ins Zeug. Mein Problem mit solcher Musik ist aber einfach, dass ich mit der Zeit von zu viel epischen Mitsing- und Klatsch-Passagen Haarausfall bekomme und wer mich kennt, ahnt, wie oft ich durch solche Situationen tapfer durchgegangen bin. So auch dieses Mal. Da ich die Leistung der Band nicht schmälern möchte, schreibe ich hier nur, dass die Halle kocht und ein Großteil der Anwesenden völlig begeistert ist. Von daher ist meine persönliche Meinung hier sehr zweitrangig, denn ich mag ja auch VISIGOTH nicht wirklich.
Nun kommt der Geburtstags-Leon und sein SERVANTS TO THE TIDE. Nicht wenige der anwesenden Fans sind von außerhalb angereist und so sieht man viele erwartungsfreudige Augenpaare, die gebannt auf den Headliner warten. Dieser startet mit allerbester Laune und allerbestem Doom. Dass man diese vermeintlich schwere Musik auch mit einem breiten Grinsen darbieten kann, wissen wir von B.S.T., aber die Damen und Herren von SERVANTS TO THE TIDE toppen dies heute noch. Vor allem Gitarrist Leo scheint vor dem Auftritt ein gut gezuckertes Honigkuchenpferd verspeist zu haben, so breit ist sein dauerhaftes Grinsen. Allerbeste Voraussetzungen also und diese werden auch allerbest umgesetzt. Der Sound ist gut und die Stimmung überschwappend. So entpuppt sich 'North Sea' erwartungsgemäß zu einer herzerweichenden Karaoke-Nummer, bei der der halbe Keller mitsingt. Wahnsinn! Das Einflechten eines neuen Songs, vom demnächst erscheinenden zweiten Album "Where Time Will Come To Die" –Album, macht sich natürlich ebenfalls sehr gut. Da kommt etwas Großes auf uns zu! Völlig in Partylaune kommt dann noch ACHELOUS-Fronter Chris Kappas auf die Bühne und wir bekommen diesen einen Hit dieser britischen Metal-Götter aus Birmingham serviert. 'Raking The Lawn' heißt der wohl und sorgt erneut dafür, dass nicht wenige Anwesende lautstark mitsingen. So geht Party Doom, ihr Unwissenden!
Nach dem Auftritt wird noch feucht-fröhlich weitergefeiert und in bester Laune über das eben Gesehene und Musik im Allgemeinen gefachsimpelt. So kann man Geburtstag feiern!
Also, lieber Leon, bitte ganz schnell wieder burzeln, denn das darf gern wiederholt werden!
Photos: Konnor Frosch
- Redakteur:
- Holger Andrae