Tourbericht: PROTEST THE HERO, TESSERACT, THE SAFETY FIRE und INTERVALS - Hamburg, Köln
04.02.2014 | 20:2109.01.2014, Logo, Essigfabrik
Was für ein Packet! PROTEST THE HERO bereitet mit TESSERACT, THE SAFETY FIRE und INTERVALS einen Prog-Metal-Abend deluxe! Wir waren in Hamburg und Köln dabei.
Na das sind ja alte Bekannte, die bei INTERVALS auf der Bühne stehen: Anup Sastry (u.a. SKYHARBOR) sitzt an den Drums und den Bass bedient Henry Selva (THE HUMAN ABSTRACT). Ihr Djent mit feinen Gitarrensoli und klarem Gesang von Neuzugang Mike Semesky (Ex-THE HAARP MACHINE), lässt das bereits sehr gut gefüllte Logo wohlwollend mitnicken. Die Kanadier freuen sich, das erste Mal in Hamburg zu sein, ein Umstand, den viele begrüßen. Der Track 'Ephemeral' sendet Vorboten zum im März erscheinenden Album, 'Tapestry' lässt die Kinnladen runterklappen - Wahnsinn, was die Band hier abzieht. Mit 'Escape' wird ein weiterer neuer Track vorgestellt. Leider geht der Gesang in der Instrumenten-Akrobatik desöfteren unter, doch da sollen INTERVALS keine Ausnahme darstellen...
Gerüchte, dass THE SAFETY FIRE ohne Sänger auftritt, bestätigen sich erfreulicherweise nicht. 'Red Hatchet' und der Titeltrack des neuen Albums "Mouth Of Swords" zeigen die Engländer in Topform und selbstbewusster denn je, davon zeugt auch der einheitliche Haar- und Kleidungsstil. Der Fankreis hat sich ebenfalls vervielfacht, kein Wunder, denn das englische Quintett fährt einen einzigartigen Sound, der das Logo in den Bann zieht. Leider kann sich auch hier Sean McWeeneys Gesangsstimme nicht über die dichte Soundwand durchsetzen. In 'Huge Hammers' bekommt die Band sogar Szene-Applaus, schade nur, dass nicht mehr vom Debut gespielt wird. 'Beware The Leopard (Jagwar)' wird mit einem Tommy Rogers aus der Konserve zum Besten gegeben, 'Old Souls' beendet mit einer überirdischen Schlagzeugperformance einen Auftritt, der auch gerne etwas länger hätte ausfallen können. Oder, Oliver?
INTERVALS verpassen wir in Köln leider, so dass unsere erst Band in der Domstadt THE SAFETY FIRE ist. Ob die Spielzeit noch länger hätte sein dürfen? Ich muss ganz ehrlich sagen: Da ich mit dem Material der Band zu null Prozent vertraut bin, haben mir auch die etwa 35 Minuten gereicht. Die Band ist engagiert, spielerisch super und erzeugt durchaus Klänge, die fix ins Ohr wollen, dort aber beim Erstkontakt nicht unbedingt hineinfinden. Dass viele ihre Hausaufgaben besser gemacht haben als meine Wenigkeit, sieht man an dem großen Applaus, mit dem jeder Song bedacht wird. Nicht zu Unrecht, denn diese Art von modernem Metal hat einfach einen ganz eigenen Charme. Im Laufe des Konzertes habe ich immer mal wieder den Eindruck, gerade eine harte Version von KARNIVOOL zu hören - und das meine ich ausdrücklich als Lob! Die zahlreichen Fans in der sehr ordentlich gefüllten Essigfabrik scheinen begeistert und die Neulinge zumindest interessiert zu sein. Schöner Gig!
Dicke Nebelschwaden ziehen über die Bühne des Logos, Zeit für TESSERACT. Etwas skeptisch, wie die Show wohl im Vergleich zur letzten in Hamburg ablaufen wird, bin ich schon, denn irgendwie fehlte es dem Konzert etwas an Spannung. Der Fokus liegt zu Beginn erwartungsgemäß auf dem neuen Output "Altered State" ('Proxy', 'Retrospect') und sofort fällt auf, dass der nicht mehr ganz so neue Ashe O'Hara viel sicherer als zuletzt agiert - er singt sogar alle Sänger des Abends an die Wand. Endlich eine Band, bei der der Gesang nicht nur zu erahnen ist. Doch wo ist James? Egal, die Musik klingt auch mit nur einer Gitarre fett (später stellte sich heraus, dass er aus privaten Gründen zu Hause geblieben ist). Bei 'Concealing Fate Pt. II' gibt es dann kein Halten mehr, viele singen den Genreklassiker mit. 'Nocturne' wird frenetisch abgefeiert und bringt einige Gänsehautmomente mit sich. Der erste Teil von 'Concealing Fate' beendet diesen wunderbaren Auftritt, der für mich Headliner-Status hat. Schade nur, dass die Setlist so gut wie gar keine Änderung zeigt.
Die Sache mit der Liederwahl wundert mich auch ein bisschen. Es ist ja nicht so, dass die nicht gespielten Songs sich vor dem Rest verstecken müssten. Aber das sei hier nur eine Randbemerkung wert, denn TESSERACT hat zum groovigen Flug geladen. Wohin? Das ist doch egal. Kapitän O'Hara gibt die Richtung vor - und alle wollen mit. Die Verbesserungen bei dessen Gesangsleistung nehme ich genau so wahr wie die Tatsache, dass hier zeitnah eine Headlinertour ins Haus stehen muss. Denn so sehr, wie die Briten am Rhein abgefeiert werden, müssen sie nun einfach die Chance nutzen, komplett durchzustarten. Dass es ihnen nicht an Präsenz auf der großen Bühne, wundervollen Songs und diesem gewissen Etwas mangelt, haben sie heute Abend eindrucksvoll bewiesen. Ganz starker Auftritt!
Jetzt wird es wieder zappelig - PROTEST THE HERO entert die Bühne! Rody ist wie immer bestens aufgelegt und plaudert zwischen den Songs gerne aus dem Nähkästchen, er würde sicherlich einen guten Comedian abgeben. 'Clarity' wird von Chören aus dem Publikum begleitet, Bassist Arif Mirabdolbaghi grinst durchgehend - natürlich während er unmögliche Bassläufe spielt. Der neue Drummer ist mir leider bisher nicht bekannt, wie selbstverständlich kloppt er die schnellsten Beats und Breaks in die Felle. Das Publikumsspielchen heißt heute "Honk Of The Day": Ein von Rody Auserwählter aus dem Publikum darf von der Bühne aus ins Publikum springen, dieses muss ihn während des Songs oben halten. Alle vier Alben werden bedacht, der Fokus liegt aber natürlich auf "Volition". Man hat irgendwie eher den Eindruck auf einem Punk-Konzert zu sein, aber mit verflixt guten Musikern. Rody freut sich erst über billiges Bier in Deutschland, im nächsten Moment fegt 'Bloodmeat' wie ein Sturm durch das Logo. 'C'est La Vie' darf genauso wenig fehlen wie 'Sex Tapes', zwischendurch erzählt Rody von kanadischen Tugenden. Das unglaublich flinke 'Blindsfold Aside' verlangt dann der anwesenden Meute noch mal alles ab.
Auch wenn unsere Konzerten fast genau drei Wochen auseinanderliegen, Jakob, hat sich im Laufe der Tour scheinbar nichts geändert. PROTEST THE HERO räumt auch in Köln auf ganzer Linie ab - wider Erwarten, muss ich gestehen. Denn bei den letzten beiden Deutschlandbesuchen waren die Herren mit einem so schlechten Klang unterwegs, dass man sich, weiß man um den Sound der ADHS-Truppe, dann nicht wundert, wenn auch die guten Songs oder die Stand-Up-Qualitäten Rodys nicht mehr viel herausholen können. Das ist heute zum Glück anders: Die Boxen in der Essigfabrik liefern Hervorragendes an die Ohren. Das ältere Material zappelt herrlich wild und das neue (insbesondere "Volition") zappelt ebenfalls, wenngleich deutlich eingängiger. Insofern kann ich deinen Vergleich mit einem Punk-Konzert gut verstehen, denn die Band wirkt teilweise herrlich unprofessionell. Das Lustigste ist nämlich eigentlich schon zu Beginn passiert: PROTEST THE HERO betritt in bestem CANNIBAL CORPSE-Stil die hell ausgeleuchtete Bühne. Danke für diesen Fokus auf das Wesentliche: Spaß und gute Musik. Ein wirklich toller Abend in der Domstadt. Oder, Jakob?
Ja, Oliver, das war ein feiner Abend, auch in der Elbstadt. Besser kann 2014 kaum losgehen.- Redakteur:
- Jakob Ehmke