Tragkraft 6 t/Soleil Noir - Frankfurt am Main
28.11.2006 | 07:5921.11.2006, Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main IV
Frankfurt-Preungesheim, 18.00 Uhr. Im Speisesaal der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main IV herrscht reges Treiben. Möbel werden gerückt, ein Beamer aufgestellt und an der Wand hängen weiße Bettlaken aus den Beständen der Anstaltskammer, die eine Leinwand ersetzen sollen. Denn heute findet ein außergewöhnliches Ereignis hinter den Zäunen der Vollzugsanstalt statt: Durch die Initiative der Berufspraktikantin im Sozialdienst, Anne Killmann, konnten zwei Frankfurter Bands gewonnen werden, die ein Konzert für rund 40 Gefangene geben, die sowohl im geschlossenen als auch im offenen Vollzug der Anstalt untergebracht sind. Statt eine Eintrittskarte zum Konzert zu erwerben, haben die Männer ihre Teilnahme an der Veranstaltung "per Anliegen" beantragt. Der Saal ist bestuhlt. In drei Gruppen wartet das Publikum gespannt, was sich ihm bieten wird. Im Gegensatz zu den üblichen Metalkonzerten in einschlägigen Locations ist die Stimmung augenblicklich noch verhalten. Scheinbar weiß man nicht so recht, was einen erwartet. Erkennbare Metalfans sind sicher die wenigsten unter den Anwesenden.
TRAGKRAFT 6 T
Um kurz vor sieben geht es endlich los. Nach ein paar einführenden Worten des Dankes durch die stellvertretende Anstaltsleiterin erscheinen TRAGKRAFT 6 T. Die Band besteht aus vier jungen Männern, die allesamt in weiße Overalls gekleidet sind. In den nächsten rund 40 Minuten präsentieren sie instrumentalen Rock, sogenannten InstruMETAL, wie die Band selbst ihren Stil bezeichnet. In der klassischen Besetzung aus Schlagzeug, Bass und zwei Gitarren werden fetzige Melodien mit wechselnden Rhythmen vorgetragen. Untermalt wird die musikalische Darbietung von einer Videoinstallation, die mit einem Beamer auf die Anstaltsbettlaken an der Wand projiziert wird. Gezeigt werden assoziative Bilder aus dem Frankfurter Osthafen (hier haben TRAGKRAFT 6 T einen Proberaum), Stadtansichten der Main-Metropole und diverse Filmausschnitte.
Diese visuelle Untermalung belebt die Präsentation der Frankfurter Band, die in ihren Stücken immerhin komplett auf Gesangseinlagen verzichtet, auf besondere Weise. Und so steht bei TRAGKRAFT 6 T eben auch kein Sänger im Mittelpunkt, sondern die Musiker präsentieren sich eher gleichberechtigt. Positiv hervorzuheben ist hierbei, dass man ihnen ihre Spielfreude wahrlich ansieht. Olaf, der Bassist, kommuniziert mit Blicken mit seinen Mitstreitern, und Gitarrist Jonas hat die ganze Zeit ein freundliches Grinsen auf dem Gesicht. Im Publikum sind die Reaktionen zunächst verhalten, der Beifall eher vorsichtig. Dies liegt aber wohl mehr an der ungewöhnlichen Gesamtsituation als an den Darbietungen der Band. Und so tauen die Männer auf ihren Stühlen mit der Zeit auf, nach jedem Stück wird geklatscht, der eine oder andere wippt mit dem Fuß mit und vereinzelt sieht man sogar eine Hand mit der berühmten "Pommesgabel" in die Höhe schnellen. Das letzte Stück mit dem Titel 'Osthafen' ist viel zu schnell erreicht und im Anschluss daran fordert das Publikum tatsächlich lautstark eine Zugabe. Aus Zeitgründen ist dies jedoch leider nicht möglich.
Setlist:
Harmlos
Wellenlänge
Helmpflicht
Hörfunk
Anomalie
Die Welle
Notbeatmung
Erster Teil
Zweiter Teil
Nautilus
Tsunami
Von vorne
Osthafen
SOLEIL NOIR
Stattdessen treten nach einer kurzen Umbaupause SOLEIL NOIR vor die Gefangenen und schlagen noch mal eine etwas härtere Gangart an. Ihre Musik bezeichnen sie als Alternative Metal. Im Vordergrund steht hierbei unzweifelhaft Sänger Maggot, im bürgerlichen Leben Student der klassischen Gitarre, der sich in charismatischer Weise in Szene zu setzen weiß. Leider sind die Bedingungen in soundtechnischer Hinsicht für SOLEIL NOIR nicht optimal, so dass Maggots Gesang von den Saiteninstrumenten und den Drums nahezu übertönt wird.
Nach einem kurzen Intro beginnt der Gig mit dem Stück 'Intruder', bei dem Maggot sich mit expressiver Körperarbeit ins Zeug legt.
Geboten werden finstere Songs vorwiegend im Midtempobereich, die unter anderen Bedingungen durchaus zum Moshpit einladen würden. Stilistisch finden sich Elemente aus Hardcore, Death Metal und Alternative Rock, aber auch Nu Metal wieder - eine vielfältige Mischung, die gleichwohl zusammenpasst, ohne den Sound der Combo zu überfrachten. Die Performance der Instrumentalisten könnte allerdings etwas offensiver sein. Es ist nicht zu durchschauen, ob die Jungs sich in Sachen "Action auf der Bühne" zu sehr auf ihren Sänger verlassen oder aufgrund der zurückhaltenden Publikumsreaktionen der Funke nicht ganz überspringt. Denn der eher am Death Metal orientierte Gesang scheint die Anwesenden etwas zu erschlagen. Für das Publikum der JVA sind SOLEIL NOIR offenbar eine Spur zu hart.
Dennoch macht sich Enttäuschung breit, als das Programm aufgrund technischer Probleme bereits nach dem siebten Song 'Interlude' unterbrochen werden muss. Maggots Mikrofonanlage hat sich verabschiedet und so müssen sich auch SOLEIL NOIR mit einem letzten Instrumentalstück mit dem Titel 'Dust' vorzeitig verabschieden.
Nichtsdestotrotz: Mit diesem kurzen Gig haben sich die Alternative Metaller durchaus empfohlen. Wer sich tatsächlich für moderne, düstere Sounds mit erkennbarer Melodie interessiert, sollte SOLEIL NOIR im Auge behalten.
Setlist:
Intro
Intrauder
23
Resistance
Offal
Epitaph
Nucleus
Interlude
Dust
Beide Bands haben übrigens bereits CDs herausgebracht. Während das neuste Werk von TRAGKRAFT 6 T mit dem Titel "kraftstoff" am 29.11.06 erscheint, verziehen sich SOLEIL NOIR in den kommenden Wochen ins Studio und haben sich ihre nächste Veröffentlichung für die erste Jahreshälfte 2007 vorgenommen.
- Redakteur:
- Erika Becker