VOLLE KRAFT VORAUS FESTIVAL 2025 - Neu-Ulm

13.11.2025 | 22:35

27.09.2025, Ratiopharm Arena

Ein würdiges Ende eines liebgewonnenen Festivals!

Die Nachricht, dass es dieses Jahr das letzte VOLLE KRAFT VORAUS FESTIVAL sein wird, hat mich schon ein bisschen traurig gemacht. Wenn man allerdings die Entwicklung betrachtet, kam diese Entscheidung durchaus nicht so ganz überraschend. Als ich den Checker zum 15 jährigen Bandjubiläum von EISBRECHER 2018 interviewen konnte, zeigte dieser sich noch zuversichtlich, und prognostizierte für das kommende Jahr sogar bereits eine ausverkaufte Halle. Die Wahrheit sah dann aber leider anders aus, richtig voll wurde es nie. Und speziell nach der Pandemie hatte ich das Gefühl, dass die Publikumszahlen dann eher sogar stagnierten. So sind es dieses Jahr dann gerade einmal 2500 Leute, so die offizielle Besucherzahl. Das ist eindeutig zu wenig, um ein solches Festival kostendeckend durchzuführen, weshalb man beim Veranstalter EISEBRECHER beschloss, mit der diesjährigen Ausgabe einen Schlussstrich zu ziehen.

Eine mögliche Erklärung, warum das Vorhaben, ein derartiges Festival in Neu-Ulm zu etablieren, letztendlich gescheitert ist, liefert Fotograf und Szenekenner Matt Bischof. Er hat festgestellt, dass man gerade die lokalen Musikfans nicht genügend für dieses Festival begeistern konnte, die meisten Besucher des VKW würden von weiter weg, beispielsweise aus Ostdeutschland und sogar dem Ausland kommen. Persönlich kann ich so etwas nicht nachvollziehen, denn was gibt es schöneres, als ein geiles Festival fast direkt vor der Haustür zu haben? Und EISBRECHER hat auch jedes Jahr für eine gutes Lineup gesorgt, mit Bands die man sonst wohl eher kaum in Ulmer Raum erleben dürfte. Zu meinen persönlichen Neuentdeckungen gehören beispielsweise VNV NATION, MONO INC. oder ASP, um nur mal drei zu nennen.

Nachdem ich eine Woche zuvor noch bei hochsommerlichen Temperaturen beim "Gas Gäba" in Steinberg geschwitzt habe, ist es an diesem Samstag dann doch eher schon herbstlich kühl, aber es soll zumindest trocken bleiben, hatte es doch gerade die Tage zuvor immer wieder geregnet. Dafür dankt dann zumindest auch die Gastronomie im Außenbereich, inklusive Chill Out Area, die seit Anbeginn auch ein wichtiger Teil des des Festivals ist. Auch drinnen ist alles wie gehabt. Die üblichen Presseformalitäten sind wie jedes Jahr zügig erledigt, da geht schon mal ein besonderer Dank an Sandra Eichner von Rosenheim Rocks, die auch von Anfang für die schreibende Zunft und Gästelisten zuständig war und immer auch einen vorzüglichen Job gemacht hat.

Was dieses Jahr anders ist: Es gibt für alle Besucher diesmal freie Platzwahl, jeder darf wahlweise mit seinem Bändchen in die Arena oder sich einen Sitzplatz auf der Tribüne aussuchen. Gleich geblieben ist, dass ich mir erst einmal eine Arena-Card bei einem der Mitarbeiter im orangen Shirt zulegen muss, um dann bargeldlos Getränke kaufen zu können. Frisch ausgestattet mit einem ersten Festivalbierchen beobachte ich die gerade laufende Autogrammstunde von EISBRECHER, die Schlange scheint fast kein Ende zu haben. Das hat sich auch nie geändert, ebenso wie die Schlange am VKV-Merch Stand.

Während sich Michael Vogt dann schon mal vor die Bühne begibt und seine Kamera vorbereitet, begebe ich mich auf die Tribüne, suche mir einen Sitzplatz und freue mich auf die erste Band des Tages. Die Ehre, das letzte VOLLE KRAFT VORAUS FESTIVAL zu eröffnen, hat die deutsch-schweizer Formation HELL BOULEVARD. Mit eingängigem Gothic Rock sorgt die Truppe gleich für mächtig Stimmung und die Arena füllt sich im Laufe des Auftritts immer mehr, während es auf den Tribünenplätzen noch überschaubar leer aussieht. 

Trotzdem ereilt mich das Schicksal, das die im Nachhinein freie Platzwahl mit sich bringt. Ich darf meinen Platz tatsächlich räumen, da dieser im Vorverkauf bereits fest vergeben ist, ok, dann wander ich halt weiter. Nachdem ich dann ein neues Plätzchen gefunden habe, die Auswahl ist ja groß, kann ich weiter HELL BOULEVARD genießen. Die Mucke weiß zu gefallen und am Auftritt gibt es nichts auszusetzen. Ich habe auf jeden Fall eine weitere Band, die ich vorher nicht kannte, dank des VKV für mich entdecken dürfen.

Setliste: Guillotine; She Just Wanna Dance; Not Another Lovesong (Requiem); Satan In Wonderland; Dead Valentine; Weirdos; Zero Fucks Given; In Black We Trust

Die Umbaupause nutze ich zum Beine vertreten und einem kleinen Plausch mit Michael Vogt und Matt Bischof von El Puerto Records, der auch jedes Jahr in Neu-Ulm mit dabei ist. Er kann dieses Jahr allerdings nicht ganz bleiben, da eine seiner Label-Bands, VANISH, auf einem anderen kleinen Metal Festival in der Nähe spielt und er die selbstverständlich auch sehen möchte. Während der Unterhaltung sehe ich aus dem Augenwinkel, dass sich Alex Wesselsky von EISBRECHER, auch nachdem die offizielle Autogrammstunde beendet ist, immer noch mit Fans unterhält und für Fotos und Autogrammwünsche zur Verfügung steht. 

Aber genau so kenne ich den "Checker", der immer für seine Fans da ist, und keinerlei Starallüren besitzt. Auch ich nutze die Gunst der Stunde. Nachdem sich Alex erst einmal ausgiebig um einen im Rollstuhl sitzenden, schwerbehinderten Fan in absolut liebevoller Art gekümmert hat, bin dann ich an der Reihe. Ich lasse mir meinen EISBRECHER-Souvenir-Becher unterschreiben und bedanke mich auch im Namen von POWERMETAL.de für das VOLLE KRAFT VORAUS FESTIVAL, welches wir als Magazin ja auch von Anfang an begleitet haben. Mit der Aussage "Wir machen dann demnächst einfach ein neues Festival, das dann auch wieder nicht funktioniert", zeigt sich Alex, so wie man ihn kennt und mag, immer den passenden Spruch auf den Lippen.

Mit SCHATTENMANN steht währenddessen schon der nächste Act auf der Bühne. Schnell also noch mit einem frischem Bier versorgen und meinen Platz auf der Tribüne einnehmen. Dies ist für mich am heutigen Tag dann die zweite Live-Premiere und eine die es in sich hat. Die Nürnberger Formation gibt es seit 2018 und mit Neue Deutsch Härte-Sound geht der Weg seither nur nach oben. Dies nicht nur dank starker Songs, sondern auch aufgrund ebenso starker Liveauftritte. Der beim VKV 2025 gehört da auf jeden Fall auch dazu. Mit mir hat die Truppe auf jeden Fall einen neuen Fan hinzugewonnen.

Setliste: Jeder ist schlecht; Brennendes Eis; Menschenhasser; Generation Sex; Chaos; Licht an; Kein Kommando; Spring; Hände hoch; Dia de Muertos; COSIMA

Ein komplett musikalisches Kontrastprogramm liefern als nächstes die Schweizer THE BEAUTY OF GEMINA. Der melancholische Sound lädt eher zum Zuhören als zum Abfeiern ein. Ein Großteil des Publikums entscheidet sich leider dazu, eine Pause einzulegen, denn so leer habe ich die Arena noch nie bei einer Band auf dem VKV erlebt, was ich allerdings schade finde. 

Ich lasse mich auf die Musik ein, die, auch dank der dunklen Stimme von Sänger Michael Sele, eine ganz spezielle Atmosphäre mit fast schon hypnotischer Wirkung erzeugt. Es ist mit Sicherheit nichts, was ich bei mir daheim jeden Tag auflegen würde, aber für gewisse Situationen und Stimmungen könnte das auch für mich hin und wieder der passende Soundtrack sein. Ich werde mich auf jeden Fall mal näher mit den Schweizern beschäftigen müssen, das heute ist eben anders schön, wenn auch nichts zum Abfeiern. 

Setliste: Dreams Of The Vagabonds; Whispers Of The Seasons; End; Kings Men Come; One Step To Heaven; Hunters; Rumours Endless Time To See

Alles andere als Melancholie erwartet uns im Anschluss mit PROJECT PITCHFORK.

Bereits der Umbau, bei dem insgesamt drei (!!!) Schlagzeuge auf die Bühne gefahren werden, lässt erahnen, dass da wohl eher harte Beats auf dem Programm stehen werden.

Die Hamburger Formation ist seit mehr als 30 Jahren einer der bedeutendsten Acts der Eletro/Wave-Szene, beweist dies auch auf dem VOLLR KRAFT VORAUS und verwandelt die Arena in einen großen Tanzpalast.

Von meinem Tribünenplatz wirkt die wabernde und tanzende Menge äußert beeindruckend, wie sie sich zu den fetten Beats bewegt. Die drei Schlagzeuger auf der Bühne vollführen stellenweise ein beeindruckendes Synchrondrumming.

Dem allen steht selbstverständlich Sänger und Zeremonienmeister Peter Spilles vor, der die Menge dirigiert.

Die ebenfalls beeindruckende Videoshow, mit Projektionen und Einspielungen perfekt auf die einzelnen Songs abgestimmt, tut dazu noch ihr übriges. Dieser Auftritt gehört mit zum Besten was ich die Jahre auf dem VKV erleben durfte, das ist mächtig! 

Setliste: Conjure; K.N.K.A.; Timekiller; Alpha Omega; Acid Ocean; Rain; Ascension; Souls; Titânes; Beholder; I Am (A Thought In Slowmotion); The Island

Mit dem Begriff Kult sollte man immer ein bisschen vorsichtig sein, aber wenn es jemand verdient hat, mit diesem Titel geschmückt zu werden, dann ist es JOACHIM WITT.

Er war einer der wichtigsten Künstler der Neuen Deutschen Welle und er gilt auch als einer der Mitbegründer der Neuen Deutschen Härte. Heute darf ich ihn zum ersten Mal selbst live erleben. Ich habe im Vorfeld schon viel über seinen Live-Auftritte gehört, dass diese manchmal durchaus etwas speziell sind und es durchaus geteilte Meinungen zu seiner Darbietung gibt. Manches davon lässt sich auch schwer in Worte fassen, man muss es einfach selbst erleben. Ich lasse mich auf jeden Fall darauf ein und werde am heutigen Abend nicht enttäuscht. Mit immerhin bereits 76 Jahren auf dem Buckel, liefert JOACHIM WITT einen für mich beeindruckenden Auftritt und präsentiert dabei ein Potpourri an Stücken aus unterschiedlichen Schaffensperioden.

Da haben wir zum Einstieg den besungenen 'Herrn der Berge' aus dem 2018 erschienenen ersten Album der Rübezahl Trilogie, einem seiner wohl ambitioniertesten Werke. Das nachfolgende 'Das geht tief' ist dann tatsächlich ein erstes persönliches Highlight für mich, ist doch "Bayreuth I" bis heute eines meiner Lieblingsalben von JOACHIM WITT. Selbstverständlich darf am heutigen Abend auch das Duett mit Alex Wesselsky zu dem gemeinsamen Song 'Signale' nicht fehlen, welches JOACHIM WITT zu seinem 75. Geburtstag letztes Jahr aufgenommen hat. 

Nach fast jedem weiteren Stück im Set gibt es vereinzelte 'Die Flut'-Rufe, und klar, wird der Song auch kurz vor dem Finale gespielt. Danach kann es nur noch eine Steigerung geben. Der Überhit 'Goldener Reiter' markiert den Schlusspunkt. Es gibt im Anschluss zu Recht lang anhaltende Zugabe-Rufe, die allerdings nicht mehr erfüllt werden. Da sich JOACHIM WITT aus Altersgründen bereits vom Tourleben zurückgezogen hat, bin ich beeindruckt von dem heutigen Auftritt dieser lebenden Legende, die ich zumindest einmal live erleben darf. 

Setliste: Herr der Berge; Das geht tief; Es regnet in mir; Die Erde brennt; Treibjagd; Signale (mit Alexander Wesselsky); Ohne dich; Quo Vadis; Dämon; Die Flut; Goldener Reiter

Wir nähern uns somit dem großen Finale des VOLLE KRAFT VORAUS FESTIVALS und das eben nicht nur für dieses Jahr, sondern wohl auch für immer.

Auch wenn zu Beginn heute nicht alles rund läuft, das Mikrofon von Alex Wesselsky streikt beim Einstieg in den ersten Song, weiß man bei EISBRECHER wie man eine Abschiedsparty stilvoll zelebriert. Man liefert auch beim letzten VOLLE KRAFT VORAUS einen selbstverständlich wieder starken Auftritt, der sogar mit einigen Überraschungen aufwarten kann, so wird beispielsweise 'Miststück' in einer richtig geilen Akustik-Version dargeboten.

Sotiria, die manchen noch als Sängerin der Band EISBLUME bekannt sein dürfte, unterstützt Alex beim Song 'Die Hoffnung stirbt zuletzt'. Bei 'Zeitgeist' gibt es ein Duett mit JOACHIM WITT und 'Auf die Zunge' wird zusammen mit SCHATTENMANN-Sänger Frank Herzig aufgeführt. Der ganze Auftritt heute hat tatsächlich wenig mit Abschied zu tun und Alex Wesselsky verweist nicht nur einmal auf kommende Veranstaltungen, wie das Adventssingen im Dezember in Memmingen, übrigens wieder mit SCHATTENMANN als Support. 

Nach dem letzten Song des regulären Sets mache ich mich von meinem Tribünenplatz auf in die Arena. Denn die letzten Töne des VOLLE KRAFT VORAUS FESTIVALS möchte ich dann doch auch möglichst nah vor der Bühne verbringen.

Zum letzten Stück des Abends, dem FALCO-Cover 'Out Of The Dark', kommen auch nochmals Sotiria, Joachim Witt, und Frank Herzig mit auf die Bühne. Dann ist Schluss. Zum bekannten Outro mit dem Freddy Quinn Klassiker 'Junge komm bald wieder', werden alle beiteiligten Bands nochmal auf die Bühne gebeten, es gibt Plüscheisbären für jeden und lang anhaltende Standing-Ovations vom Publikum. 

Setliste: Everything Is wunderbar; Himmel, Arsch und Zwirn; Volle Kraft voraus; So oder so; Waffen Waffen Waffen; Leider; Die Hoffnung stirbt zuletzt (mit Sotiria); Kaltfront; Zeitgeist; (mit Joachim Witt); Eiszeit; 1000 Narben; Miststück (MEGAHERZ Akustik-Cover); Sturmfahrt; Auf die Zunge; (Mit Frank von SCHATTENMANN); This Is Deutsch; FAKK; Zugaben: Zwischen uns; Was ist hier los? Verrückt; Out Of The Dark (FALCO cover) (mit Sotiria, Joachim Witt und Frank Herzog von SCHATTENMANN)

Tatsächlich überkommt mich am Ende dann doch auch eine gewissen Melancholie, dass jetzt alles vorbei ist. Immerhin fünfmal durfte ich dabei sein und es war jedesmal ein besonderers Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Danke für alles!

Text: Tommy Schmelz

Photo Credit: Michael Vogt

Redakteur:
Tommy Schmelz

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